VISION 20003/2006
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„Gedächtnis des Gottes Jesus"

Artikel drucken Wurde die älteste Kirche im Heiligen Land entdeckt?

Ausgrabungen in Israel bestätigen immer wieder die Zuverlässigkeit der christlichen Tradition. Vor kurzem wurde eine Kirche im Heiligen Land entdeckt, die vermutlich die älteste ist.

Der israelische Häftling Ramil Razilo, der eine zweijährige Haftstrafe als Verkehrssünder im Har Mageddon-Sicherheitsgefängnis, unweit der biblischen Siedlung Megiddo, absitzt, war nicht wenig überrascht, als er in seinem Einsatz beim Bau eines neuen Traktes am 30. Oktober 2005 unter Steinen, Erde und Beton mit seiner Schaufel auf den Rand eines antiken Mosaiks stieß.

“Was für eine Sensation in unserem eintönigen Gefängnisalltag, diesen tollen Fußboden zu entdecken", gestand Razilo vor Reportern, während er mit einem Schwamm und einem Eimer Wasser das vom Kulturschutt der Jahrtausende verborgene Mosaik reinigte.

Der herbeigerufene Archäologe Yotam Tepper sprach von einer Entdeckung der vielleicht ältesten Kirche im Heiligen Land, die auf das dritte bis vierte Jahrhundert zu datieren sei, also noch vor der Konstantinischen Wende, als das Christentum zur Staatsreligion erklärt wurde.

Bei einer Pressekonferenz sprach Yardena Alexander, eine Vertreterin der Altertumsbehörde, von “einem der wichtigsten Funde für die Geschichte des frühen Christentums".

“Eine Entdeckung dieser Art wird Israel für die Christen und die Kirche in aller Welt noch interessanter machen", meinte Erzbischof Pietro Sambi, der Vatikan-Botschafter in Jerusalem. “Wenn es wahr ist, daß die Kirche und die herrlichen Mosaike aus dem dritten Jahrhundert stammen, dann wäre sie eine der ältesten Kirchen im Mittleren Osten."

Eines der beiden gut erhaltenen Mosaike zeigt ein Medaillon mit einem Fischmotiv, eines der ältesten christlichen Symbole überhaupt. Die Inschrift auf der Nordseite erzählt uns die Geschichte von einem römischen Offizier als einem Sponsor des Mosaiks. Die östliche Inschrift ist dem Gedächtnis von vier Frauen gewidmet: Frimilia, Kiriaka, Dorothea und Karasia. Der Name Akaptos erscheint in der westlichen Inschrift als ein Gott Hingegebener, der Geld spendete für den Tisch zum Gedächtnis des “Gottes Jesus Christus".

Professor Leah Di Segni von der Hebräischen Universität erklärte, daß die Bezeichnung Tisch anstelle von Altar zu einem Durchbruch in der Forschung des frühen Christentums führen könne; denn es wurde allgemein angenommen, daß die Liturgie, die auf dem letzten Abendmahl basierte, um einen Altar stattfand. Die Bezeichnung Tisch zeige wiederum, daß das Gebäude als “Hauskirche" noch vor die byzantinische Ära zu datieren sei, als Christen anfingen, Altäre anstatt Tische bei ihren Gottesdiensten zu verwenden. In der Tat wurden Reste dieses Tisches zwischen den zwei Mosaiken entdeckt.

Obwohl das Gebäude größtenteils zerstört ist, läßt sich nach Tepper doch noch erkennen, daß es nicht im byzantinischen Basilika-Stil errichtet war.

Die Keramikfragmente, der auffällige Mosaikstil, die Inschriften mit dem Namen Jesus und der offenbar vorbyzantinische Entwurf des Gebäudes in den Ausmaßen von 6 mal 6 Metern zeigen nach dem ersten archäologischen Befund, daß es sich hier um einen öffentlichen Versammlungsort christlicher Verehrung handelt, der auf die Mitte des dritten oder ins frühe vierte Jahrhundert hinweist. Und damit ließe sich ein Zusammenhang zu dem christlichen Versammlungsort bei Dura Europus in Syrien als einem der ältesten seiner Art herstellen.

Man darf nicht vergessen, daß der christliche Glaube im römischen Reich bis zum Jahre 313 verboten war. Die Gläubigen mußten im Geheimen in den Katakomben oder in den privaten Häusern beten. Die frühesten Kirchen im Heiligen Land gehen auf das Jahr 330 zurück wie die Auferstehungskirche in Jerusalem oder die Geburtsbasilika in Betlehem, die Kaiser Konstantin hatte errichten lassen.

Die Kirche befindet sich in nächster Nähe der antiken Stätte, die das Neue Testament mit Har Maggedon, der letzten Schlacht am Ende der Zeiten zwischen Guten und Bösen, gleichsetzt (Offb 16,16).

Karl-Heinz Fleckenstein

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