VISION 20006/2009
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Priester, wir brauchen Euch!

Artikel drucken Die Sehnsucht einer Konvertitin nach heiligmäßigen Priestern (Von Gabriele Kuby)

Wir brauchen euch! Niemanden brauchen wir nötiger als Priester, denn sie zeigen uns den Weg zum ewigen Leben, geben uns das verwandelte, verwandelnde Brot, nehmen uns Steine vom Herzen, heilen Verletzungen in der Tiefe der Seele und befreien uns, wenn nötig, von feindlichen Übernahmen aus der unsichtbaren Welt.

Das jedenfalls ist ihnen als Nachfolger der Apostel vom Herrn aufgetragen, der nichts aufträgt, wozu er nicht die Kraft, die Vollmacht, mitgibt.
Kirche entstand und Kirchen wurden gebaut rund um die Erde, herrliche Bauwerke als Heimstätten für das Heilige, das Allerheiligste: Jesus mit Gottheit und Menschheit, mit Leib und Seele gegenwärtig im Brot, über welches der Priester seine Hände ausgebreitet und die Worte wiederholt hat, die Jesus am Abend vor seiner Kreuzigung sprach: Nehmet und esset davon, das ist mein Leib…. Nehmet und trinket daraus, das ist mein Blut… „Gott“, so sagt der Pfarrer von Ars, „gehorcht dem Priester“, denn in diesem heiligen Augenblick vollzieht der Geist Gottes die Wandlung tatsächlich.
Welche Zumutung an den Verstand, der ohne Glauben nur den Sinnen vertrauen kann. Und doch ist die Wahrheit der Gegenwart Jesu in der Eucharistie das schlagende Herz der Katholischen Kirche. Wenn das wahr ist, wenn Gott auf das Wort des Priesters in jeder heiligen Messe dieses Wunder vollbringt - welches Wunder ist dann nicht möglich? Warum sollten dann die Wunder, von denen die Evangelien berichten, von Jesus nicht wirklich vollbracht worden sein? Eucharistie feiern und gleichzeitig die Brotvermehrung umdeuten in das Teilen mitgebrachter Stullen; den Ruf an den riechenden Leichnam des Lazarus „Komm heraus!“ zur Metapher für das ewige Stirb und Werde umzumünzen, das paßt nicht zusammen.
Glaubt einer, der so redet und lehrt, denn noch daran, daß Jesus Gott ist? Priester, die nicht die ganze Wahrheit glauben, verlieren Kraft und Autorität. Sie nehmen die Vollmacht nicht mehr in Anspruch, die ihnen durch zwei Jahrtausende weitergereicht wurde. Dazu gehört die Macht, Sünden zu vergeben. Jesus selbst zog den Tod bringenden Zorn der Pharisäer und Schriftgelehrten auf sich, weil er Sünden vergab: Da dachten die Schriftgelehrten und die Pharisäer: Wer ist das, daß er eine solche Gotteslästerung wagt? Wer außer Gott kann Sünden vergeben? (Lk 5,21) Sie hatten Recht, das kann nur Gott. Diese göttliche Vollmacht überträgt Jesus auf die Priester. In ihnen möchte er gegenwärtig sein bis zu Seiner Wiederkunft in Herrlichkeit- - Ja, es ist groß und heilig, Priester zu sein.
Ich bin dankbar, Priester kennen zu dürfen, die selbst Jünger Christi sind und mir durch ihr Sein und ihr Wort helfen, den Weg mit Jesus zu gehen und in der Hingabe zu wachsen, die mir in der Beichte die Erfahrung der Barmherzigkeit Gottes zuteil werden lassen, die selbstlos dienend für die Menschen da sind.
Aber die Identität der Priester ist in die Mühlsteine der „Entsakralisierung“ der Kirche geraten, die sich in den letzten 40 Jahren vollzogen hat. Das ist ein Wort Benedikt des XVI. Werden nicht in der Kirche selbst die Konturen des Heiligen unscharf, deren Kerngeschäft es doch ist, dem Heiligen in der Welt einen Ort und den Gläubigen den Weg zum ewigen Heil zu weisen? Ist die Kirche in Westeuropa - damit meine ich nicht jeden und nicht alle - nicht in Gefahr, ihr Proprium vor lauter Anpassung an die Welt zu verlieren und die Gläubigen mit der verkürzten Verkündigung der Liebe Gottes einzuschläfern?
Schauen wir auf die Entwicklung der letzten 40 Jahre, so sehen wir, „daß der Teufel umhergeht wie ein brüllender Löwe“ und alles zu verschlingen sucht, was zu Christus gehört und von Ihm geprägt ist. Petrus sagt, was gefordert ist: „Seid nüchtern und wachsam, leistet ihm Widerstand in der Kraft des Glaubens!“ (1 Petr 5,8-9). Es scheint, als hätten wir Christen nicht mehr die Kraft dazu.
Was ist die Folge? Entleerung der Kirchen, der Klöster, der Priesterseminare, der Beichtstühle. Noch 14 Prozent der Katholiken gehen in den Sonntagsgottesdienst. Wie viele von ihnen sind Salz und Sauerteig? Aber wie können wir Salz und Sauerteig sein, wenn wir nicht angeleitet werden, das Evangelium im Alltag wahr werden zu lassen? Wenn uns die Zeichen der Zeit nicht gedeutet, uns Wege gezeigt werden, wie wir als Christen Widerstand leisten können, damit auch unsere Kinder den Weg der Liebe zu Gott und den Menschen finden? Wie kann wieder lebendige Gemeinde mit kleinen Weggemeinschaften entstehen, in denen wir Schüler Jesu sind und Sein Wort unverkürzt in uns aufnehmen?
Wir brauchen Hirten, die selbst Jünger Jesu sind, und uns im Kampf für Jesus Christus, für die Kirche, für das Lebensrecht des Menschen von der Empfängnis bis zum Tod, für das sittliche Fundament der Gesellschaft, für die spirituellen und materiellen Lebensbedingungen der nächsten Generation vorausgehen, denn dies alles ist existentiell gefährdet. Der Heilige Vater tut es. Dank, Dank, Dank dafür!
Eigentlich sollte das Prinzip des Gehorsams die Kirche durchlässig machen für den Heiligen Geist. Der Bischof schwört Gehorsam gegenüber dem Primat des Papstes; bei der Weihe verspricht der Priester dem Bischof „Ehrfurcht und Gehorsam“; jeder Inhaber eines kirchlichen Amtes verspricht „das Glaubensgut unversehrt zu bewahren und treu weiterzugeben und auszulegen“; „alle Gläubigen sind verpflichtet, dem Lehramt und Hirtenamt des Papstes und des Ortsbischofs zu folgen“.
Alles hängt am Felsen Petri, auf den Jesus seine Kirche gebaut hat. Wir sind Zeugen des Wunders, daß das Glaubensgut über zwei Jahrtausende authentisch bewahrt wurde. Man stelle sich vor, alle würden ihre Versprechen einhalten: Der Papst gießt oben klares Wasser in das weltweite Bewässerungssystem des Glaubens und es kommt tatsächlich unten an. Konkret: Der Papst schreibt eine Enzyklika, die Bischöfe verfassen alsbald Lehrschreiben an die Priester, die ihnen helfen, die Botschaft dem Volk verständlich zu machen, und das Volk hört in den Predigten Katechesen über die Lehre des Lehramtes, die zur Umsetzung ins reale Leben befähigen.
Das ist weit entfernt von der Wirklichkeit. Ein in Heiligenkreuz studierender Priesteramtskandidat aus Nigeria drückt es so aus: „Die meisten Christen warten hilf- und tatenlos auf die vollkommene Zerstörung des bereits angeschlagenen Christentums.“ (VISION 3/09) Wäre es nicht möglich, ein solches „Bewässerungssystem“ neu zu schaffen?
Es heißt, eine neue Priestergeneration wachse heran, die mit emanzipatorischem Hoch_mut nichts mehr im Sinn hat. Dies ist auch im säkularen Bereich zu beobachten: kompetente, zukunftsmutige junge Menschen, die eine Kultur des Lebens aufbauen. Die persönliche Scheidewand zur Kultur des Todes ist die Entscheidung für die Reinheit des Leibes und des Herzens. Ihr Priester habt euch, wie die Hildegard von Bingen sagt, dafür entschieden, „in der Umarmung der göttlichen Geheimnisse zu leben“. Ich bin jedem ehelos lebenden Priester dankbar für die Hingabe und das Zeugnis, das die sexsüchtige Welt braucht: Jesus Christus ist die lebendige Quelle der Liebe, aus der wir trinken. Jeder ist eingeladen, aus ihr zu schöpfen.
Die Aussicht, in die Mühlsteine zu geraten und in der Überforderung als Leiter von riesigen Seel_sorgeeinheiten zerrieben zu werden, ist menschlich gesehen real. Es gibt darauf nur eine Antwort: den Weg der Nachfolge Jesu Christi wirklich zu gehen, gestärkt durch die Fürsprache seiner Mutter und aller Heiligen.
Dann ist eine „außerordentliche Fruchtbarkeit“ zu erwarten, „die aus dem Zusammentreffen der objektiven Heiligkeit des Dienstes und der subjektiven des Priesters hervorgeht.“ (Benedikt XVI.) Dann werden Wunder geschehen, wird das Evangelium wieder wirksam als Salz und Sauerteig und Licht. Dann wird alles Leiden der Auferbauung der Kirche dienen. „Das Priestertum“, sagt der heilige Pfarrer von Ars, „ ist die Liebe des Herzens Jesu“.

Siehe dazu: Die Sehnsucht einer Konvertitin nach heiligmäßigen Priestern. Von Gabriele Kuby, fe-Verlag, 80 Seiten, 8,95 Euro

 

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