Ungläubig aufgewachsen, war Caillet als Arzt und Freimaurer Vorkämpfer für Abtreibung und Empfängnisverhütung in Frankreich. Am 11. Februar 1984 bei der Durchreise machte er in Lourdes eine Erfahrung, die sein Leben total verändert hat.
Ehrlich gesagt: Lourdes, das war wirklich nicht mein Ding. Vielleicht gerade noch ein Kreuzungspunkt von Erdstrahlen, etwas für den Rutengänger, der ich war. In eine atheistische und antiklerikale Familie hineingeboren, war ich nicht getauft worden. Auch bekam ich keinerlei religiöse Erziehung. Als Chirurg im Bereich Urologie und Gynäkologie war ich ein aufgeklärter Wissenschaftsgläubiger, Mitglied der Organisaton für Familienplanung und seit rund 15 Jahren auch bei der Freimaurer-Loge des „Grand Orient de France“. Dort hatte ich den 18. Grad erklommen, war dann Meister vom Stuhl und für eine Reihe nationaler Anliegen verwantwortlich.
Mein Tätigkeitsbereich war eine der großen Kliniken von Rennes, wo ich mich als Vorkämpfer der Abtreibung und Verhütung engagierte. Sie können sich also vorstellen, was ich von Lourdes, der Heiligen Jungfrau, dem kleinen Jesulein und allem übrigen hielt…
Allerdings war da das Jahr 1983: Das ganze Jahr hindurch war meine Frau Claude schwer krank. Sie litt an zahllosen Darmgeschwüren, was sehr schmerzhaft war und sie monatelang ans Bett fesselte. Da half einfach nichts: Weder die konsultierten Spezialisten, noch die beigezogenen Heiler schafften eine Besserung. Also schlug ich ihr einen Tapetenwechsel vor. Im Februar 1984 verließen wir die Bretagne, um in Mont-Louis, in den Pyräneen Ferien zu machen.
Als wir nach 10 Tagen keinerlei Besserung feststellen konnten, beschlossen wir, in die Bretagne heimzukehren. Und da – zu meiner großen Überraschung – hörte ich mich den Vorschlag machen, auf dem Heimweg in Lourdes vorbeizuschauen. Meiner Meinung nach konnte das einen positiven psychologischen – eben durch Erdstrahlen bewirkten – Schock auslösen. Claude war noch erstaunter als ich, kannte sie doch meine Weltanschauung, die sie dazu veranlasst hatte, ihren katholischen Glauben geheimzuhalten. Später gestand sie mir, dass ihr dieser Vorschlag sogar Angst gemacht hatte. Sie fürchtete nämlich, dass ich noch antireligiöser werden könnte, wenn sich in Lourdes ihr Zustand nicht ändern sollte.
An einem eiskalten Morgen kamen wir also in Lourdes an: Eisregen, ein fast menschenleerer Wallfahrtsort. Es war nicht schwer, die Grotte zu finden und die Bäder. Ich wollte Claude begleiten, wurde aber von den Helferinnen abgewiesen. Also vereinbarten wir, uns bei der Grotte zu treffen. Weil ich aber so erfroren war und keine Ahnung hatte, wie lange das Bad dauern würde, hielt ich nach einem Zufluchtsort Ausschau. Die Krypta war offen. Ich trat ein, gerade als die Wochentagsmesse begann. Etwa zehn Gläubige waren anwesend. Bisher hatte ich noch nie auf das Geschehen geachtet. Die wenigen Male, da ich bei Hochzeiten oder Trauerfeiern gezwungen war, an einer Messe teilzunehmen, hielt ich mich ganz hinten bei den „Ungläubigen“ auf und machte mich innerlich über das veraltete Ritual lustig (und dabei sind die Freimaurer-Rituale so schrecklich lächerlich – was ich allerdings erst später erkannte!).
Ich setzte mich also hinten hin und hörte zu, etwas verunsichert. Irgendwann stand der Priester auf und las – wie ich später erfuhr – das Evangelium: „Bittet, so wird euch gegeben; sucht, so werdet ihr finden; klopft an, so wird euch aufgetan…“ Es war wie ein Schock: Diese Sätze waren Teil eines Initiationsrituals. Ich hatte sie bei meiner eigenen Initiation und oft auch dann gesprochen, wenn ich Bewerber aufnahm!
Und dann beendete der Priester seine Lesung mit den Worten: „Frohbotschaft unseres Herrn Jesus Christus“. Es war also Jesus – den ich bestenfalls als Philsoph oder als eine große religiöse Gestalt ansah –, der dies gesagt hatte? Das brachte mich durcheinander.
Der Priester setzte sich. Es folgten Minuten der Stille. Und in dieser Stille hörte ich – ich, der ich mich immer über die angeblichen Stimmen von Jeanne d’Arc lustig gemacht hatte – eindeutig eine sanfte Stimme in meinem Inneren – war es die Gottesmutter? Ich weiß es nicht –, die zu mir sagte: „Also gut, du wünschst dir die Heilung von Claude, aber was hast du anzubieten?“
Und da plötzlich fiel der Freimaurer, der ich war, vom hohen Ross, etwa so wie Paulus auf dem Weg nach Damaskus! Etwas hinzugeben, das war mir fremd. Ich hatte nichts anzubieten… Im selben Augenblick war mir klar: Ich konnte nur mich selbst anbieten. Eine weitere Erschütterung.
Dann kam der Moment, wo der Priester die Hostie hochhielt. Und da konnte ich nicht anders, als zu denken: Jesus ist wirklich gegenwärtig.
Kaum war die Messe zu Ende, folgte ich dem Priester in die Sakristei. Wie aus der Pistole geschossen, kam meine Frage: „Können Sie mich taufen?“ Erstaunen beim Priester über diese unpassende Bitte eines 50-jährigen Lackels! Ich hatte Kindertaufen erlebt und dachte, dass ginge einfach so. Getrieben von einem Wahrhaftigkeits-Impuls gestand ich ihm meine Zugehörigkeit zur Freimaurerei und meine okkulten Praktiken. Wäre dem Priester der Teufel aus dem Weihwasserbecken entgegengesprungen, er hätte nicht entsetzter sein können… So stammelte er: „Also, also, in einem solchen Fall müssen sie den Erzbischof von Rennes ,aufsuchen!“ Als ich Claude an der Grotte traf, war sie erfroren, besorgt wegen meiner langen Abwesenheit. Was war mir wohl zugestoßen? Hatte ich mich im Bistro niedergelassen? Als ich sie fragte, wie man ein Kreuzzeichen macht, dachte sie, ich mache mich über sie lustig. Dennoch bestand ich darauf, dass sie mir auch das Vaterunser beibringe. Auf dem ganzen Heimweg löcherte ich sie mit Fragen. Und so musste sie schließlich zur Kenntnis nehmen, dass mich die Gnade berührt hatte.
Ich nahm an einer intensiven Vorbereitung teil und wurde drei Monate danach getauft. Claude war nicht sofort geheilt, wohl aber am Tag meiner Taufe. Einige Tage danach nahm sie ihre Arbeit wieder auf: Während ich in der Krypta um ihre Heilung gebeten hatte, bat sie im Bad um meine Umkehr. Jesus und die Gottesmutter erwiesen uns ihre Barmherzigkeit, indem sie ihre physische Heilung mit meiner geistigen verbanden. (Ich füge hinzu: Der Abtreiber, der ich einst war, wurde Ehrenmitglied der Allianz für das Recht auf Leben. Mit meiner Frau sind wir nun Mitglieder von „Mère de Miséricorde“ und beten und fasten für jene jungen Frauen, die sich mit dem Gedanken tragen abzutreiben).
Zunächst meinte ich, mein neuer Glaube sei keineswegs unvereinbar mit der Freimaurer-Mitgliedschaft. Also ging ich in die Loge zurück. Nach der ersten Versammlung tat ich offen meine Umkehr zum Glauben kund. Hüsteln in den Rängen, eisige Aufnahme. Dann schlug ich vor, ein Referat über das Thema „Jesu: Mythos oder Realität“ zu halten. In meiner Begeisterung versuchte ich meinen Logenbrüdern zu zeigen, dass Jesus eine geschichtliche Person war und dass ich persönlich davon überzeugt sei, dass er Gott war, gestorben und auferstanden sei, um uns zu retten – und dass er unter uns lebe. Daraufhin gab es Pfiffe, „Nieder mit ihm!“. Das Maß war voll.
P. Yves, ein Mönch der Abtei von Kergonan, seither unser Seelenführer, den ich konsultierte, gab mir den Rat, nicht zu rasch aus der Freimaurerei auszuscheiden: „Es wird sich gegen Sie ein Sturm erheben,“ sagte er mir. Ein weiser Rat.
Damals war ich Arzt bei der Sozialversicherung und von meinem Chef verfolgt – er war ein Logenbruder! Er hatte mich im Visier und wollte mich zur Strecke bringen. Obwohl ich meine Zeit damit verbrachte, theologische Bücher zu lesen, wurde ich zunehmend depressiv. Ein befreundeter Psychiater schrieb mich krank. Als ich wieder auf meinen Arbeitsplatz zurückkehrte, entließ mich der Direktor (erst nach vier Jahren des Prozessierens erhielt ich Recht), was mich veranlasste, die Loge zu verlassen…
Der Artikel ist ein Auszug aus Famille Chrétienne v. 6.2.10