Gleicht euch nicht dieser Welt an“ (Röm 12,2). Es gibt einen Nonkonformismus des Christen: er gleicht sich nicht an. Das soll nicht bedeuten, dass wir der Welt entfliehen wollen, dass uns die Welt nicht interessiert; im Gegenteil, wir wollen uns selbst verwandeln, uns verwandeln lassen, und so die Welt verwandeln. Und wir müssen uns vor Augen halten, dass im Neuen Testament, vor allem im Evangelium des heiligen Johannes, der Begriff „Welt“ zwei Bedeutungen hat und, folglich das Problem, die, Wirklichkeit, um die es sich handelt, bezeichnet. Auf der einen Seite die von Gott geschaffene, von Gott bis zu dem Punkt geliebte „Welt“, dass Er sich selbst und Seinen Sohn für diese Welt hingibt; die Welt ist Geschöpf Gottes, Gott liebt sie und will sich selbst hingeben, damit sie wirklich Schöpfung und Antwort auf Seine Liebe sei.
Doch es gibt auch die andere Auffassung der „Welt“, (…) die Welt des Bösen, die Welt, die in der Macht des Bösen steht, das den Sündenfall widerspiegelt. Wir sehen diese Macht des Bösen heute zum Beispiel in zwei großen Mächten, die für sich genommen nützlich und gut sind, aber leicht missbraucht werden können: die Macht der Finanzen und die Macht der Medien. Beide sind notwendig, weil sie nützlich sein können, aber so zu missbrauchen, dass sie sich häufig in das Gegenteil ihrer wahren Absichten verkehren.
Wir sehen, wie die Finanzwelt den Menschen beherrschen kann, dass Haben und äußerlicher Schein die Welt beherrschen und sie versklaven. Die Finanzwelt stellt kein Hilfsmittel mehr dar, um das Wohlergehen zu fördern, um das Leben des Menschen zu fördern, sondern sie wird eine Macht, die ihn unterdrückt, die gewissermaßen angebetet werden muss: „Mammona“, die falsche Gottheit, die die Menschheit beherrscht. Dem Konformismus, sich dieser Macht zu unterwerfen, dürfen wir uns nicht angleichen: nicht das Haben zählt, sondern das Sein! Unterwerfen wir uns dieser Macht nicht, benutzen wir sie als Mittel, aber mit der Freiheit der Kinder Gottes.
Dann die andere Macht, die Macht der öffentlichen Meinung. Gewiss brauchen wir Informationen, Kenntnisse über die Vorgänge in der Welt, doch es kann dann eine Macht des Scheins sein: Am Ende zählt das, was gesagt wird, mehr als die Wirklichkeit selbst. Der Schein überlagert die Wirklichkeit, wird wichtiger, und der Mensch folgt nicht mehr der Wahrheit seines Seins, sondern will vor allem erscheinen, sich dieser Wirklichkeit anpassen.
Und auch dagegen steht der christliche Nonkonformismus: Wir wollen nicht immer „angepasst sein“, gelobt werden, wir wollen nicht den Schein, sondern die Wahrheit, und das gibt uns Freiheit und zwar die wahre christliche Freiheit: sich aus dieser Notwendigkeit befreien, zu gefallen, zu sprechen, wie die Masse glaubt, dass gesprochen werden muss.
Es lässt uns die Freiheit der Wahrheit haben und so die Welt auf eine Weise neu schaffen, dass sie nicht von der Meinung unterdrückt wird, vom Schein – der die Wirklichkeit selbst nicht mehr durchschimmern lässt; davon, dass die virtuelle Welt wahrer und stärker scheint, und man die wirkliche Welt der Schöpfung Gottes nicht mehr sieht. Der Nonkonformismus des Christen erlöst uns, gibt uns der Wahrheit wieder. Bitten wir den Herrn, dass er uns helfe, freie Menschen in diesem Nonkonformismus zu sein, der sich nicht gegen die Welt richtet, sondern die wahre Liebe zur Welt ist.
Aus der Ansprache vor Römischen Priesterseminaristen am 15.2.12