VISION 20001/2008
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Fürchtet euch nicht!

Artikel drucken Appell an die Christen (Papst Johannes Paul II.)

Diese Worte bleiben jedem in Erinnerung, der sie beim ersten Auftritt des neugewählten Papstes Johannes Paul II. gehört hat. Sie klingen bis heute nach und sind ein Appell an uns Christen, uns auf die Hoffnung zu besinnen, die uns durch alles tragen kann.

Als ich am 22. Oktober 1978 auf dem Petersplatz die Worte “Fürchtet euch nicht!" sprach, konnte ich mir unmöglich darüber im klaren sein, wohin sie mich und die Kirche tragen würden. Ihr Inhalt entsprang nicht so sehr dem Menschen, der sie aussprach, als vielmehr dem Heiligen Geist, der den Aposteln vom Herrn Jesus als Trostspender verheißen worden war. (...)

Warum brauchen wir uns nicht zu fürchten? Warum hat Gott den Menschen erlöst? Als ich diese Worte auf dem Petersplatz aussprach, wußte ich bereits, daß die erste Enzyklika und das gesamte Pontifikat an die Wahrheit der Erlösung gebunden sein sollten. In ihr liegt die tiefste Bestätigung für jenes “Fürchtet euch nicht!": “Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab!" (vgl. Joh 3,16)

Dieser Sohn bleibt in der Geschichte der Menschheit als Erlöser. Die Erlösung durchdringt die gesamte Menschheitsgeschichte, auch die vor Christus, und bereitet ihre eschatologische Zukunft vor. Sie ist das Licht, “das in der Finsternis leuchtet und das die Finsternis nicht erfaßt hat" (vgl. Joh 1,5).

Die Kraft des Kreuzes Christi und Seiner Auferstehung ist größer als alles Übel, vor dem der Mensch sich fürchten könnte und müßte. “Fürchtet euch nicht!" sagte Christus nach der Auferstehung zu den Aposteln (lk 24,36) und zu den Frauen (Mt 28,10). (...)

Vielleicht bedürfen wir der Worte des auferstandenen Christus gegen Ende des zweiten Jahrtausends mehr denn je: “Fürchtet euch nicht!"

Der Mensch, der auch nach dem Niedergang des Kommunismus nicht aufgehört hat, sich zu fürchten, und in Wahrheit viele Gründe für diese Furcht hat, braucht diese Worte. Die Nationen, die nach dem Niedergang des kommunistischen Reiches wiedererstanden sind, bedürfen dieser Worte, und auch die, die dieser Erfahrung von außen her beigewohnt haben. Die Völker und Nationen der ganzen Welt brauchen sie.

In ihrem Bewußtsein muß die Gewißheit wieder stark werden, daß es jemanden gibt, der das Los dieser vergänglichen Welt in der Hand hält; jemand, der “die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt hat" (vgl. Offb 1,18); jemand, der das Alpha und das Omega (vgl. Offb 22,13) sowohl der individuellen als auch der kollektiven Menschheitsgeschichte ist.

Und dieser Jemand ist die Liebe: die menschgewordene Liebe, die gekreuzigte und auferstandene Liebe, die ohne Unterlaß unter den Menschen gegenwärtig ist. Es ist die eucharistische Liebe, die Quelle der Gemeinschaft. Nur Er kann die volle Garantie für die Worte übernehmen: “Fürchtet euch nicht!"

Aus: Die Schwelle der Hoffnung überschreiten, Hoffmann und Campe, Hamburg 1994, 253 Seiten.

 

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