VISION 20003/2011
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Eine Wolke von Zeugen umgibt uns

Artikel drucken Das Leben des seligen Franz Jägerstätters – eine Wegweisung für unsere Tage (Urs Keusch)

Keine Frage: Den Gläubigen weht der rauhe Wind des Zeit?geistes ins Gesicht, mit wachsender Stärke. Viele fühlen sich da allein?gelassen. Das sei aber noch kein Grund zu verzagen, meint der Autor und gibt Anregungen, wie man in diesem geistigen Kampf bestehen kann.

Wer sind diese, die weiße Gewänder tragen, und woher sind sie gekommen?“ So fragt in der Offenbarung des Johannes einer der Ältesten. Und er bekommt zur Antwort: „Es sind die, die aus der großen Bedrängnis kommen“ (Off 7,13-14).
Wir leben in einer solchen Zeit der Bedrängnis. Viele Christen kommen sich heute vor wie in einer Presse, oft ganz niedergebeugt und einsam. Wie oft bekomme ich zu hören oder in Briefen zu lesen: „Ich komme mir vor wie ausgestoßen... Manchmal habe ich das Gefühl, weit und breit ganz allein zu sein...“
„Ich allein bin übriggeblieben…“ Diese Erfahrung ist nicht neu, sie ist so alt wie die Bibel. Und irgendwie gehört sie zu denen, die Gott von ganzem Herzen anhangen. Alle Propheten sind durch diese Erfahrung gegangen. Denken Sie an Jeremia, Johannes den Täufer, Paulus. Lesen Sie die Psalmen. Als Elija seinen Kampf gegen Baal führt und erleben muß, wie sein Volk den Bund verlassen, die Altäre zerstört und die Propheten umgebracht hat, klagt er seinem Gott: „Ich allein bin übriggeblieben...“ – Ich allein...
Aber es stimmte nicht. Gott sagt zu ihm: „Ich werde in Israel 7.000 übriglassen, alle, deren Knie sich vor dem Baal nicht gebeugt und deren Mund ihn nicht geküßt hat“ (vgl 1 Kön 19). Das war damals so, heute ist es nicht anders. Darum sollten wir uns stets vor Augen halten: Um mich herum stehen 7.000 andere, die ihre Knie nicht beugen vor dem Geist des Antichristen. 7.000, die kämpfen, beten, weinen und leiden und so ihrem Gott beweisen, daß sie Ihn aus ganzem Herzen lieben und bereit sind, wenn es sein muß, für Ihn ihr Leben hinzugeben.
Lesen Sie im Hebräerbrief die Kapitel 10,19 – 13,19. Wie mußte der Apostel die ersten Christen dauernd ermutigen, daß sie auf ihrem Weg nicht einbrachen und aufgaben! Er sagte zu ihnen: „Schaut auf Jesus Christus: Er hat angesichts der vor ihm liegenden Freude das Kreuz auf sich genommen, ohne auf die Schande zu achten“ (Hebr 12). Schaut auf die, die in ihrer Liebe zu Jesus diesen Weg auch gegangen sind, „ohne auf die Schande zu achten“.
Es sind nicht nur ein paar Einzelne, sagt der Apostel, sondern es ist eine ganze „Wolke von Zeugen“, die euch umgibt, euch Mut macht, denselben Weg zu gehen. Und diese Wolke ist in den vergangenen 2000 Jahren um ein Vielfaches größer geworden!
Auf einen Zeugen aus dieser Wolke möchte ich heute hinweisen, auf Franz Jägerstätter, der am 26. Oktober 2007 von der Kirche seliggesprochen wurde. Auf ihn möchte ich gemeinsam mit Ihnen hinschauen im Sinne eines urchristlichen Wortes: „Haltet euch an die Heiligen, denn wer sich an sie hält, wird selbst heilig.“
Franz Jägerstätter – und das macht ihn besonders sympathisch und nachahmenswert – wird nicht mit einem Heiligenschein geboren: Er kommt am 20. Mai 1907 in St. Radegund, Oberösterreich, als Kind einer ledigen Bauernmagd zur Welt. Er wird von seiner gläubigen und liebevollen Großmutter erzogen. Als junger Mann arbeitet Franz im Erzbau in Eisenerz (Steiermark) und durchlebt religiös und geistig eine tiefgreifende Sinnkrise. 1933 wird er Vater einer unehelichen Tochter.
1935, er ist 28 Jahre alt, lernt er eine gläubige junge Frau kennen, Franziska Schwaninger. Sie heiraten am Gründonnerstag 1936. Bischof Manfred Scheuer schreibt von ihnen: „Die Ehe wird zum Wendepunkt im Leben Franz Jägerstätters. Franz und Franziska beten miteinander und die Bibel wird zum Lebensbuch des Alltags. Franziska über diese Zeit: ‚Wir haben einer dem andern weitergeholfen im Glauben’.“ Aus dieser glücklichen Ehe gehen drei Mädchen hervor (sie sind beim Tod ihres Vaters sechs, fünf und drei Jahre alt).
Als die Nationalsozialisten in Österreich 1938 die Macht übernehmen, verweigert Jägerstätter jede Zusammenarbeit oder Unterstützung. Er verweigert den Wehrdienst in Hitlers Armee aus Gewissensgründen. Seine Mutter, Verwandte und auch befreundete Priester versuchen, ihn umzustimmen. Seine Frau mit ihren drei kleinen Kindern hofft zwar auf einen Ausweg, steht aber zu ihrem Mann. „Hätte ich nicht zu ihm gehalten, hätte er gar niemanden gehabt.“ Niemand!
Franz Jägerstätter kommt schließlich ins Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis. Er kann von seinem Entscheid – im Angesicht Gottes zur vollen Klarheit gereift – nicht abrücken. Er sagt: „Der Familie wegen ist mir das Lügen nicht erlaubt, und wenn ich 10 Kinder hätte.“ Am 9. August 1943 wird er in Brandenburg an der Havel hingerichtet.
Was hat Franz Jägerstätter stark gemacht?
1. Das Gebet und das Wort Got?tes: „Franz und Franziska beten miteinander und die Bibel wird zum Lebensbuch des Alltags.“ Sie tun als Paar das, was die Kirche damals – und auch heute – so nachdrücklich fordert: Das tägliche betende Lesen in der Heiligen Schrift. Nirgends leuchtet das Licht der Wahrheit so klar auf wie in diesem heiligsten Buch.
Franz schreibt für sich ganze Abschnitte aus den Evangelien und Apostelbriefen ab, damit er sie immer zur Hand hat. Sein Pfarrer schreibt 1945 in die Pfarrchronik: „Wir haben ihn [von seiner Dienstverweigerung] abhalten wollen, aber er hat uns immer geschlagen mit der Schrift.“
2. Glaubensvertiefung und Lektüre: „Außer der Bibel waren es die Schriften und Biografien der Heiligen, aus denen sich seine Frömmigkeit nährte.“ (M. Scheuer) Franz Jägerstätter läßt keinen Tag aus, seinen Glauben auch geistig zu vertiefen. Er liest auch aufmerksam die Verlautbarungen der Kirche und informiert sich über das Zeitgeschehen.
Er sagt mehr als einmal: „Ein Mensch, der nichts liest, wird sich nie so recht auf die Füße stellen können, sie werden sehr oft nur zum Spielball anderer.“ An anderer Stelle zieht er für sich diesen Schluß: „Hätte ich nie so viel an katholischen Büchern und Zeitschriften gelesen, so wär ich vielleicht heute auch anderer Gesinnung.“
3. Kraft aus der heiligen Eucharistie: „Um Stärke und Klarheit zu bekommen, besuchte er jeden Tag die heilige Messe in der Pfarrkirche St. Radegund.“ (E. Putz) Einmal schreibt er: „Es wird ja sein, daß in der jetzigen Zeit die Hölle eine stärkere Macht auf dieser Welt ausüben kann, aber auch die bräuchten wir Christen nicht zu fürchten… Wer natürlich von den Kampf- und Abwehrmitteln [kaum Gebrauch macht], die uns Christus durch die Einsetzung des Allerheiligsten Altarsakramentes als höchstes Vermächtnis hinterlassen hat, sich damit gegen die höllische Macht nicht fest ausrüstet, wird kaum gegen diese starken Mächte lange bestehen können.“
Aus dem Gefängnis in Linz schreibt er: „Es wäre mir nicht zuviel, wenn ich 100 Kilometer zu Fuß wandern müßte, um einem Meßopfer beiwohnen zu können.“
4. Ein heller Blick für Scheinheiligkeit: Eine wichtige Mahnung spricht Jägerstätter in diesen Worten aus: „Wir sollten nicht bloß Katholiken des Gebetes, sondern auch der Tat sein.“ Damit entlarvt er jene scheinheilige Ausrede, die in frommen Kreisen sehr weit verbreitet ist: „Da kann man nur noch beten!“ Nein! Zum Christsein gehört immer auch die mutige Tat, das Mundaufmachen: das Einstehen für Wahrheit und Gerechtigkeit, der Mut, nicht mehr zur großen Herde zu gehören, bisweilen auch ganz allein zu sein.
Jägerstätter: „Ich glaube, wir könnten noch so viel beten, um Heilige zu werden, wenn wir aber in der Tat das gerade Gegenteil von dem tun, was zur Heiligkeit führt, werden wir in tausend Jahren auch noch keine Heiligen... Man kann heute gar häufig hören: da kann man nichts mehr machen... Aber sich selbst retten, und vielleicht noch einige Seelen für Christus zu erobern, glaube ich, ist für uns Menschen nie zu spät, solange wir auf dieser Welt leben.“
5. Wahr im Reden und Tun: Zwei Mächte teilen sich die Welt: Die Wahrheit und die Lüge. Hellsichtig – erleuchtet vom Geist der Wahrheit – hat Jägerstätter diese Wahrheit erkannt und sich darum durch keine, wenn auch noch so kleine Lüge (Notlüge) von Christus, der die Wahrheit ist, wegziehen lassen auf die Seite dessen, der der Vater der Lüge ist (Joh 8,44). Der Geist dieser Wahrhaftigkeit gab Jägerstätter die Kraft, die Menschenfurcht zu überwinden. „Diese ‚elende‘ Menschenfurcht ist ein schlechter Ratgeber, sie führt zur Preisgabe des Gewissens, zur Spaltung der Seele“.
Und er stellt die Frage: „Ist vielleicht jetzt auch das Rauchen eine Tugend geworden, weil es Tausende von Katholiken tun? Dürfte man deswegen auch lügen, weil man Gattin und Kinder hat und selbe noch dazu mit einem Eide bekräftigen? (…) Hätte mir Gott nicht die Gnade und Kraft verliehen, für meinen Glauben auch zu sterben, wenn es verlangt wird, so würde ich halt vielleicht dasselbe tun, wie die Mehrzahl es tut.“
6. Keine selbstgerechte Kritik: Franz Jägerstätter hat schwer darunter gelitten, daß er in seinem Gewissensentscheid so ganz allein war und allein gelassen wurde. „Ich allein bin übriggeblieben…“ Priester, die er um Rat fragt – sogar ein Bischof – raten ihm ab, diesen Schritt zu tun. Er leidet am Schweigen so vieler, die den Mund hätten aufmachen müssen. Aber es kommt kein richtendes Wort über seine Lippen, er entschuldigt sie vielmehr, wie die Heiligen es eben tun: „Werfen wir aber deswegen keine Steine auf unsere Bischöfe und Priester, sie sind ja auch Menschen wie wir aus Fleisch und Blut und können schwach werden. Sie werden vielleicht noch weit mehr vom bösen Feind versucht als wir. Sie waren halt vielleicht zu wenig vorbereitet, diesen Kampf aufzunehmen und sich zu entscheiden: Leben oder sterben.“
7. Freude am katholischen Glauben: Aus dem Gefängnis schreibt Jägerstätter: „Mit dem größten Königspalast möchte ich meine kleine Zelle, die gar nicht einmal rein ist, vertauschen, wenn ich dafür nur einen kleinen Teil meines Glaubens geben müßte, denn alles Irdische, wenn es noch so viel und noch so schön ist, geht zu Ende, aber Gottes Wort bleibt.“ In seinem letzten Brief an seine Frau, mit der er 7 Jahre glücklich verheiratet war, schreibt er: „Möge Gott mein Leben hinnehmen als Sühn-Opfer nicht bloß für meine Sünden sondern auch für andere… Haltet die Gebote und wir werden uns durch Gottes Gnade bald im Himmel wiedersehen!“
So sprechen und handeln Heilige – uns zum Vorbild!  
Seliger Franz Jägerstätter, bitte für uns!

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