Klar war mir schon im voraus, daß man über Monsignore Dr. Leo M. Maasburg, Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke in Österreich, eigentlich einen Fortsetzungsroman schreiben müßte, um seinem abenteuerlichen Leben - “außer in China und Japan war ich in allen Ländern der Welt" - gerecht zu werden. Nach einem gemütlichen Essen bei uns daheim erzählt mir Fr. Leo aus seinem bewegten Leben.
Geboren ist er am Ostersonntag des Jahres 1948 in Graz. Die Eltern waren aus Slowenien ausgewiesen worden und hatten dort ihren Besitz aufgeben müssen. Er ist das dritte von vier Kindern. Auf die Volkschule in Kitzbühel folgt die Mittelschule in Melk. Je älter er wird, desto unregelmäßiger werden die Kirchenbesuche des ehemaligen Ministranten. Dem Glauben gewinnt er nur mehr wenig ab. Dann kommt die Militärzeit. Da sind ihm vor allem die Appelle in Erinnerung, die er nach durchtanzten Ballsaison-Nächten ( schnell raus aus dem Smoking) gerade noch geschafft hat. “Cool" würden meine Enkel sagen.
Dann beginnt die Studienzeit: Erste Etappe Jus in Innsbruck. Er will Diplomat werden. Das Studium schleppt sich dahin, die Prüfungen schiebt er vor sich her. Als er wieder einmal mit dem Rad unterwegs ist, trifft er einen Priester, der den eigentlich eher unwilligen jungen Mann zu einem Aufenthalt im Kloster Fiecht überreden kann. Der Student soll sich dort ungestört auf die Prüfungen vorbereiten.
In diesen Wochen kommt er - trotz inneren Widerstrebens - immer wieder in Kontakt mit der Kirche und mit Glaubensfragen. Fr. Leo erzählt: “Eines Tages habe ich den inneren Impuls, die Kirche des Klosters zu betreten. ,Wozu eigentlich?' frage ich mich. ,Knie dich auf die Kniebank,' geht es weiter. Eigentlich uncool, aber da es sonst keine Sitzgelegenheit gibt (ein Gitter versperrte den Zutritt zum Innenraum), bin ich doch niedergekniet. Und wieder: ,Übergib Dein Leben Jesus.' ,Nein, das geht zu weit, da krieg' ich womöglich Watschen für mein bisheriges Leben', schießt es ihm durch den Kopf. Die innere Stimme läßt mit sich handeln: ,Gut, dann nicht Jesus, aber der Muttergottes. Die geht den selben Weg, aber garantiert ohne Watschen'." Damit war der Student einverstanden.
Die nächste Etappe auf seinem Glaubensweg: Vortrag eines Jesuiten, Kaplan bei den US-Forces in Deutschland. Dessen Worte sprechen den jungen Mann an. Der Priester bringt ihn mit der Charismatischen Erneuerung in Kontakt. Diese irritiert ihn zwar, fasziniert ihn aber auch.
Eines Tages fragt er den Jesuitenpater: “Was muß ich tun, um gläubig zu werden?" Dieser antwortet : “Jeden Morgen, wenn du aufwachst, sag: ,Big Lord, wenn es Dich gibt, dann schenke mir Glauben'." Fr. Leo befolgt den Rat gewissenhaft. Und eines Morgens wacht er auf und weiß: Ich glaube! Mein Gegenüber fügt hinzu: “Es war und ist ein Geschenk, mit dem ich vorsichtig umgehen muß, denn ich weiß, es kann mir auch wieder weggenommen werden."
Der nächste Schritt: Ein “Life-in-the-Spirit"-Seminar, in dem die wichtigsten Glaubenspunkte vermittelt werden und das mit der Bitte um Ausgießung des Hl. Geistes endet, vertieft diese erste Erfahrung und zeigt überraschende Folgen für seine Umgebung: Bevor er dank eines Stipendiums Innsbruck Richtung Oxford verläßt - dort studiert er “Internationale Beziehungen" -, organisiert sein Bruder eine Abschiedsparty. Und dort erklärt Leo um Mitternacht, er freue sich zwar sehr, daß alle gekommen seien, er werde sie aber nie wiedersehen!
Ein radikaler Schnitt sei nötig, meint er, um von nun an ein Leben ohne Kompromisse zu führen. Daher beendet er auch sein “Kartoffelverhältnis" - wieder ein Wort dazugelernt! Die Ankündigung war jedenfalls prophetisch, wenn man seinen weiteren Weg betrachtet. Er wird ihn ab da in aller Herren Länder führen.
In Oxford wird sein Leben tatsächlich neu: Studieren, Frühmesse, tägliches Lesen der Hl. Schrift und des Buches Der Gottmensch von Maria Valtorta, das ihm eine Tante zum Abschied schenkt. Für seine Dissertation zum Abschluß des Studiums wählt er das Thema: Die Vatikanische Ostpolitik nach 1965. Das erfordert viele Interviews mit Bischöfen in Wien und in Rom. Besonders bedeutsam ist sein Zusammentreffen mit Paolo Hnilica, einem unter den Kommunisten in der Tschechoslowakei geheim geweihten Bischof, der nunmehr in Rom lebt.
Nach vielen vergeblichen Versuchen,kommt es endlich am Pfingstsonntag zu diesem Treffen. Er wird zum Mittagessen eingeladen. Noch vor dem Essen erkundigt sich der Bischof nach dem Lebensweg des Studenten und fragt ihn: “Leo, warum kommst du nicht nach Rom, schreibst deine Dissertation hier fertig, studierst Theologie und arbeitest für mich?" - und dieser Leo sagt sofort Ja. So schnell können wichtige Entscheidungen getroffen werden! “Es war die richtige Entscheidung. Ich habe sie nie bereut. Bischof Hnilica hat das klar gesehen. Damit war die Richtung zum Priestertum für mich festgelegt," stellt Fr. Leo lächelnd fest.
Neun Jahre Studium in Rom (Theologie, Missiologie, Philosophie, Kirchenrecht) folgen dem raschen Entschluß. 1982 wird er in Fatima, nach einem Schweigemonat in einem Wüstenkloster, zum Priester geweiht. Es folgen zwei Jahre als Kaplan in Wien. Schom als Student arbeitet er bei Bischof Hnilica, von dem er voll Hochachtung und Bewunderung spricht: “Der gütigste Mensch, den ich kenne, von einer unbeschreiblichen Herzensgröße."
Als Assistent des Bischofs versucht er dessen Sekretariat neu zu organisieren. Ein schwieriges Unterfangen, da es keine klaren Regeln gibt außer: zu lieben und sich vollkommen den Menschen zu schenken. Das macht jedes Timing unmöglich. Denn Vorrang hat nämlich dort immer das Lindern der Sorgen der Menschen.
Weitere Aufgaben bekommt der junge Mann im Rahmen der vom Bischof gegründeten Priestergemeinschaft “Pro fratribus", die vor allem im Dienste der Untergrundkirchen in Osteuropa steht. Das beschert ihm manches Abenteuer im kommunistischen Osteuropa . Etwa einen Besuch beim Geheimbischof, dem jetzigen Kardinal Korec in Bratislava,
Um nur ja keine Aufmerksamkeit auf Korec zu lenken, muß er dessen Wohnung nur aufgrund von Fotos, die er sich in Rom eingeprägt hatte, finden. In der Nähe wartet er dann in einem Gebüsch im Straßengraben versteckt und folgt dann dem Bischof - dieser arbeitete damals als Straßenarbeiter - nach Hause. “Ein Bote von Bischof Hnilica," erkennt Korec sofort und legt die Finger auf die Lippen. In der von den Kommunisten mit Abhörgeräten verwanzt Wohnung wird dann bei lauter Radiomusik mittels eines Plastikrohrs, von Mund zu Ohr gehalten, gesprochen. Durch Besuche dieser Art wußte sich die Untergrundkirche nicht vergessen und erhielt Unterstützungen und Informationen verschiedenster Art. Jede Reise, vor allem mit verbotenem Gepäck und Büchern, war ein gefährliches Unternehmen.
Durch Bischof Hnilica hatte Fr. Leo schon als Student Mutter Teresa kennengelernt. Eines Tages nimmt ihn der Bischof zum Übersetzen mit. Und von da an wird der junge Priester, den der Bischof an M. Teresa “verleiht", auch für sie übersetzen, nicht nur in Rom. Später wird er ihr Begleiter in viele der ärmsten Länder der Welt. Sein wichtigster Dienst: Hl. Messe feiern und Beichte hören.
Ich bin fasziniert von den Geschichten, die mir Fr. Leo da erzählt. Auch lassen sie M. Teresas liebevolle Entschlossenheit und ihren Humor erkennen. Da war sie einmal persönlich zu einer Morgenmesse mit Papst Johannes Paul II. im Vatikan eingeladen. Diese Einladung weitet sie gleich auf Fr. Leo aus: Er soll mit dem Papst konzelebrieren, meint sie. Ohne Einladung eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Doch das Wort “unmöglich" dürfte für M. Teresa nicht existiert haben. Sie, liebevoll “benevolent dictator" (wohlwollender Diktator) genannt, schleust den Padre in die päpstlichen Gemächer ein, vorbei an protestierenden Wachen, Polizisten und Monsignori, bis er in der Sakristei landet, wo der Papst sich auf die Hl. Messe vorbereitet. “Diese Messe war ein umwerfendes Erlebnis. Sie hinterließ einen ganz tiefen Eindruck," erinnert er sich bewegt. Diese zwei großen Persönlichkeiten, deren Präsenz so stark und deren Andacht so intensiv war, lassen ihn “eine unglaubliche Atmosphäre des Friedens und der Liebe einatmen."
Im Gefolge von M. Teresa hat Fr. Leo aber auch viel Elend gesehen: In Armenien reinigt er mit den Schwestern gemeinsam eine unbeschreiblich dreckige Hütte, in der eine alte, gelähmte Bettlerin einsam haust. “Wir haben ihr eine Matratze und Nahrungsmittel gebracht. Aber ich habe den Gestank kaum ausgehalten." Daß Gott gerade auch hier ist, zeigt sich bald: Die alte Frau erklärt, sie wolle beichten. “Weil sie der armenischen Kirche angehörte und nicht Englisch sprach, dachte ich, dies sei nicht möglich." Lächelnd fügt er hinzu: “Ich war eben noch kein echter Missionar, zu dem mich M. Teresa aber machen wollte."
Die Beichte findet doch statt und es stellt sich heraus, daß die Frau gebrochen Englisch spricht. Sie sei eine katholische Nonne gewesen, sei von ihren Eltern aber gezwungen worden auszutreten und zu heiraten. Mann und erwachsenen Söhne hätten sie dann allein zurückgelassen. Nun hätte sie Gott gebeten, noch einmal im Leben beichten zu dürfen. Sehr bewegt erinnert er sich: “Das Strahlen in ihren Augen bei der Lossprechung verwandelte den Raum in ein kleines Paradies. Drei Wochen später war sie tot."
Diese Erfahrung gehört zu den berührendsten seines Lebens.
Doch nicht nur Elend, Krankheiten und unbeschreiblicher Armut ist er begegnet sondern auch dem, was er “Wahrlosigkeit" nennt, nämlich “wenn ein Mensch die Wahrheit nicht mehr erkennen kann, wahr und unwahr nicht mehr unterscheiden kann." Viele Menschen unter dem Kommunismus haben dies erlebt. Sie wissen nicht mehr, was Recht und Unrecht ist. Doch selbst da durfte er erleben, wie sehr Menschen, die Gott in ihr Leben eintreten lassen, verwandelt werden. “Das Geheimnis der unbegreiflichen Vorsehung und Liebe Gottes war dann stets zum Greifen nahe."
Auf meine Frage, ob das Elend, die Armut, die Bosheit und Unwahrheit, die er erlebt hat, seinen Glauben ins Wanken gebracht hätten, antwortet er ohne Zögern: “Nein, im Gegenteil, gerade das hat mir die Notwendigkeit des Glaubens gezeigt." Wie gut so ein unerschütterliches Gottvertrauen tut.
1984, knapp ein Jahr nach seiner Priesterweihe in Fatima ist Fr. Leo drei Monate mit M. Teresa und Bischof Hnilica in Indien unterwegs. Vor dem Heimflug gibt ihm M. Teresa ein Sackerl mit wundertätigen Medaillen mit. Er soll sie in Moskau “pflanzen", damit die Muttergottes den Schwestern in Rußland eine Niederlassung verschaffe. Obwohl sie in Moskau nur im Transit sind, beschließen die beiden Priester, ein paar Tage in der Stadt zu bleiben. Wie sie da ihre verbotenen religiösen Gegenstände aus dem Flughafen schmuggeln, in einem für ausländische Touristen verbotenem Hotel einchecken, verbotenerweise ein Taxi mieten und schließlich die Tasche des Bischofs mit höchst verdächtigem Inhalt (“Ach das ist nur meine Medizin") in den Kreml schmuggeln, ist an sich eine abendfüllende Geschichte.
Kurz und gut: Bischof und Priester betreten mit Tasche und Medaillensackerl die zum Museum umfunktionierte Kirche “Maria Empfängnis" und der Bischof beschließt, dort eine Messe zu lesen. Eine gefährliche Aktion. Der Inhalt seiner Tasche: Phiolen mit Wasser und Wein sowie einige Stück Brot (all das kann bekanntlich bei der Wandlung zur besten Medizin werden). Mit der Zeitung Prawda - hinter der sich die Meßtexte verstecken - in der Hand (endlich steht wirklich die “Wahrheit" drinnen, meint Fr. Leo), feiern sie unauffällig die Hl. Messe.
Es ist gerade jener Tag, an dem Papst Johannes Paul II. alle Bischöfe gebeten hatte, die Welt dem unbefleckten Herz Mariens zu weihen, wie es die Gottesmutter in Fatima gefordert hatte, jeder in seiner Diözese. Diese Weihe vollzieht Hnilica nach der Kommunion, mitten im Kreml! Übrigens: Bischof Hnilica hatte bei seiner geheimen Weihe in der Tschechoslowakei das ganze kommunistische Gebiet von Berlin bis Moskau und Peking als “Diözese" zugewiesen bekommen. Somit war er am 24. März 1984 in seiner “Diözese".
Die wundertätigen Medaillen versenkt Fr. Leo - damit sie “wachsen" können - mit einem gezielten Wurf in einem Spalt zwischen zwei Sarkophagen von Zaren. Mitten in die Stille hinein hört man das Kling-Kling-Kling der fallenden kleinen Medaillen. Von überall her eilen Wächter herbei und mustern die Herumstehenden mit scharfem Blick. Der erschrockene Fr. Leo bemüht sich, ebenso erstaunt und unschuldig dreinzuschauen wie alle anderen. Ein Wächter kraxelt auf den Sarkopharg, ein anderer leuchtet mit einer Lampe, doch die Medaillen bleiben unentdeckt. Sehr humorvoll spielt mir Fr. Leo die Anekdote vor: “Die Medaillen können dort noch gut 100 Jahre unentdeckt wachsen," lächelt er. Keine fünf Jahre später entsteht in Moskau die erste Niederlassung von M. Teresas Schwestern in der Sowjetunion!
Um den unermüdlichen Geist dieser Gemeinschaft ein wenig zu erläutern, erzählt mein Gast: “ Acht Stunden hin, acht zurück, dazwischen ein Ehrendoktorat für M. Teresa und das bei 45 Grad in Südindien. Ich war schrecklich müde. Zuerst sind wir aber immer in die Kapelle gegangen, den Herrn begrüßen. Mein einziger Gedanke: ein Glas Wasser!" Da spürt er, wie ihm von hinten eine Hand ein Glas Wasser reicht. “Das war diese ,power of tenderness', von der M. Teresa gesprochen hat: die Macht der Zärtlichkeit, in der ich noch gerne wachsen würde. Das war ihre Stärke und die der Schwestern." Er fügt hinzu: “Heute wird alles härter, alles ist Kampf, da ist gerade jede kleine Aufmerksamkeit so wichtig."
“Hat M. Teresa Dich näher zu Christus geführt?" “Ja, unbedingt. Wer sich ihr genähert hat, ist von ihr zu Christus geführt. Das Pauluswort “Nicht ich lebe, sondern Christus in mir," hat auf sie zugetroffen. Diese Ausstrahlung, diese Gegenwart Christi in ihr war sehr, sehr stark spürbar."
Es folgt ein neues Betätigungsfeld: Fr. Leo übersiedelt zu P. Werenfried van Straaten und zu “Kirche in Not". Auch von ihm ist der Priester sehr beeindruckt. “Ein großer Mann mit einer ganz klaren Glaubensvision. Diese Kraft aus der Sicherheit des Glaubens! Er hat die Kirche wie ein Löwe verteidigt, weil sie ihm gezeigt hat, was der Glaube ist und weil sie der Grund und die Stärke seiner Handlungen war."
In seiner ruhigen, ausgeglichenen Art erklärt mir dann Fr. Leo, daß die Kritiken an der Lehre der Kirche letztlich, unsere eigene Kraft zersetzen. “Wenn man da nicht mitmacht, hat das nichts mit unkritisch zu tun, denn: Wir lernen die Tiefe und die Richtigkeit des Glaubens nicht dadurch, daß wir unseren eigenen Verstand einsetzen, sondern indem wir in der Heiligkeit wachsen."
Drei Jahre unterstützt Fr. Leo P. Werenfried, organisiert Reisen und Hilfen in und für verschiedene Gebiete der Sowjetunion. Entwirft einen neuen Typus von Kapellenwagen, - ein großer Lastwagen mit Kapelle und Schlafstelle für den Priester.
Zusammen mit Sig. Ferrario folgen sieben fruchtbare Jahre bei Radio Maria, wo er auf die Bitte von Kardinal Schönborn mitarbeitet. Damals lernten wir uns näher kennen. So weiß ich, dass dank seines Einsatzes, seiner Welterfahrung und Sprachkenntnisse Radiostationen in über 30 Ländern entstanden. Für ihn heißt das: vier Tage im Monat zuhause, den Rest der Zeit unterwegs.
“Welches Erlebnis fällt dir spontan ein?" frage ich und er erzählt: “Sehr oft hatte ich überhaupt keine Anhaltspunkte, wenn ich in ein Land kam, um Radio Maria aufzubauen. Eines Tages steige ich in Santa Cruz/Bolivien aus dem Flugzeug, kannte niemanden, wußte nichts und sollte mit dem Radio beginnen. Aha, da stehen zwei Schwestern. ,Kann ich in die Stadt mitkommen?' frage ich. Und: ,Wissen Sie vielleicht, wer hier für Radio zuständig ist?' ,Ja, Salesianer, wir bringen sie gleich vorbei,' höre ich. Und so hat es in Bolivien begonnen."
Eine Erfahrung prägt Fr. Leos Wirken: “Wenn der Same von Gott ist, geht er auf, trotz unserer Fehler und Schwächen. Letztlich muss es uns darum gehen, nicht den eigenen Willen durchsetzen, sondern im Gehorsam zu stehen." Daß er mit dieser seiner Haltung tatsächlich auch unter Gottes Schutz steht, konnte er mehrfach erfahren: Etwa bei einer rasanten Autofahrt in Malawi:
Aus Terminproblemen meint er, einem Polizeiauto, das er überholt hatte, entkommen zu müssen. Später hört er einen Riesenknall. Ein Reifenplatzer? - aber das Auto schleudert nicht! Also rast er weiter. Stunden später an der Tankstelle entdeckt er ein Riesenloch an der Karosserie. Der Tankwart erzählt ihm: Schon mehrfach seien Touristen aus dem Hinterhalt überfallen, ausgeraubt, ja umgebracht worden, nachdem ihre Windschutzscheibe durch Steinwürfe zerstört worden war. Da Fr. Leo so schnell unterwegs war, hatten die Banditen nicht die Scheibe, sondern nur die Karosserie getroffen. Hatten die Schutzengel dem Auto Flügel verliehen?
Weiter in Father Leos Lebenslauf entdecken wir, daß er ab 2001 beim Seligsprechungsprozeß von M. Teresa mitgewirkt hat. Jetzt erst beginnt er, sie richtig zu begreifen. Er lernt sie unter vielen neuen Blickwinkeln kennen. Über 80.000 Seiten entstehen, die bezeugen, “daß sie nicht nur eine normale, sondern eine Jahrtausend-Heilige war und ganz sicher eine Kirchenlehrerin sein wird." Die Seligsprechung von M. Teresa, die er jahrelang begleiten durfte, die sein Priestersein geprägt hat und für deren Orden er an die 100 Exerzitien weltweit gehalten hatte, fand am 19. Oktober 2003 statt. Wie wunderbar!
2004 kommt er auf Wunsch von Kardinal Schönborn nach Wien, um als Nationaldirektor die Päpstlichen Missionswerke zu übernehmen. Zu seiner jetzigen Tätigkeit meint er: “M. Teresa hat immer gesagt: gleich welcher Rasse oder Religion, ob Kommunist oder Christ, wer immer, wir sind alle dazu geschaffen zu lieben und geliebt zu werden. Das entspricht auch dem Auftrag der päpstlichen Missionswerke, nämlich diese Zusammengehörigkeit der ganzen Weltgemeinschaft in Liebe zu fördern. Die 1.100 Missionsdiözesen sollen diese Liebe Christi in die ganze Welt hinaustragen, damit alle unter dem Haupt Christi in Liebe vereint werden."
“Aber wird die Welt überhaupt noch so lange existieren, wird Gott unserem Treiben nicht ein Ende setzen?" frage ich ihn. Seine Antwort ist eindeutig: “Gott respektiert die Freiheit des Menschen, selbst wenn sie destruktiv ist. Er hat aber eine Möglichkeit, die wir oft übersehen, in diese Freiheit einzugreifen. Das gläubige Gebet eines anderen Menschen. Ich glaube, dann kann Gott mehr Gnaden geben, als Er es aufgrund des goldenen Gesetzes der Freiheit geben könnte. Gott ist angewiesen auf unser Ja."
Zum Schluß kommt er noch einmal auf jene “power of tenderness", die M. Teresa der Welt vorgelebt hat, zu sprechen: “Im tiefen spirituellen Wachstum entdecken wir, daß die ganze Welt der Macht der Zärtlichkeit unterworfen ist. Das war die Kraft des Glaubens einer M. Teresa, eines Bischof Hnilicas und eines P. Werenfried. Die Gottesmutter lehrt uns, dass liebevoll “Amen" zu sagen zu Gottes Plan, die fruchtbarste Zärtlichkeit ist, die wir schenken können. Denn sobald wir etwas Gott geben wird es unendlich".