Die Reise Papst Benedikt XVI. nach Israel, Jordanien und Palästina im Mai dieses Jahres hat den Blick der Weltöffentlichkeit wieder neu auf den seit Jahrzehnten ungelösten Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern im Heiligen Land gelenkt. Beim Abschied am Flughafen von Tel Aviv sprach der Papst an den Präsidenten Israels gewandt bewegende Worte zum Konflikt im Heiligen Land:
“Ein Freund der Israelis und Palästinenser kann nur traurig sein über die weiter bestehende Spannung zwischen Ihren Völkern. Ein Freund kann nur weinen angesichts des Leids und des Verlusts von Menschenleben, die beide Völker in den vergangenen sechs Jahrzehnten erlitten haben. Erlauben Sie mir, diesen Appell an alle Menschen dieser Länder zu richten: Kein Blutvergießen mehr! Keine Kämpfe mehr! Kein Terrorismus mehr! Kein Krieg mehr! Laßt uns stattdessen den Teufelskreis der Gewalt durchbrechen! Laßt bleibenden Frieden herrschen, der auf Gerechtigkeit gründet, laßt echte Versöhnung und Heilung walten."
Als ein den Papst begleitender Fotograf wurde ich in den Tagen des Papstbesuchs immer wieder auf unterschiedlichste Weise mit diesem Konflikt konfrontiert. Das Warten bei der Einreise am Checkpoint nach Betlehem und die allgegenwärtige Mauer, die die Palästinensergebiete von den Wohngebieten der Israelis trennt, lösten auch in mir ein bedrückendes Gefühl aus. Papst Benedikt XVI. sprach angesichts dieser Mauer von einem der traurigsten Anblicke während seiner Reise im Heiligen Land. Wer mit den Menschen in Betlehem ins Gespräch kommt, wird konfrontiert mit dem Alltagskampf eines geschundenen Volkes hinter einer meterhohen Mauer. So erzählte mir ein junger christlicher Palästinenser, daß seine Familie höchstens einmal im Jahr die Möglichkeit eingeräumt bekommt, die Verwandten im nur zehn Kilometer gelegenen Jerusalem zu besuchen.
Der politische Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern, der schon sechs Jahrzehnte andauert, wurde in vielen Buchveröffentlichungen ausreichend dokumentiert. Ein besonderes Buch veröffentlichte 2007 allerdings der deutsche Journalist Johannes Zang. Es bietet erstmals Einblick in das Leben der einfachen Menschen auf beiden Seiten dieses zermürbenden Konflikts. Zang, ein deutscher Musikschullehrer und Chorleiter, lebt mit seiner Frau in Jerusalem und berichtet von dort aus für mehrere deutschsprachige Zeitungen und Magazine über das Leben und den Konflikt im Heiligen Land. Er kennt das Leben der Menschen auf beiden Seiten. Von 1985 bis 1987 arbeitete er erstmals als Freiwilliger in einem israelischen Kibbuz. Von 1999 bis 2003 unterrichtete er palästinensische Kinder in Bethlehem in Musik.
In seinem 2007 erschienenen Buch Unter der Oberfläche erzählt der Autor Alltagsbegebenheiten aus Israel und Palästina. Das Buch zeigt das Leben der Palästinenser unter der israelischen Besatzung, die täglichen Schikanen, mit denen sie zu kämpfen haben. Zang erzählt von willkürlichen Enteignungen seitens der israelischen Polizei, vom stundenlangen Warten an Checkpoints, von durch den Konflikt getrennten Familien. Er erzählt himmelschreiende Begebenheiten, schockierende Erlebnisse, aber auch Hoffnungsvolles. Der Autor zeigt Menschen auf beiden Seiten, die sich für einen gerechten und dauerhaften Frieden zwischen Israelis und Palästinensern einsetzen.
Das Buch beschreibt den tagtäglichen oft verzweifelten Versuch der Palästinenser, so etwas wie einen normalen Alltag zu leben, aber auch die tiefen Wunden, die der Konflikt bei vielen Israelis hinterlassen hat. Gerade der Gazakonflikt hat viele neue Wunden in den Beziehungen der beiden Völker aufgerissen. Johannes Zang benennt die menschliche Dimension und Tragödie der Besatzung und kommt dabei auch nicht umhin, Partei zu ergreifen für die, die selten gehört werden. Ein wirklich sehr lesenswertes und mutiges Buch, das mehr als nur einen Blick unter die Oberfläche dieses Konflikts gewährt.
Christoph Hurnaus
Unter der Oberfläche. Von Johannes Zang, AphorismA-Verlag, Preis: 15,50 Euro