Die folgende wahre Geschichte kann uns taghell zeigen, was christliche Wachsamkeit ihrem Wesen nach ist: konkret auf den Willen Gottes zu hören. Dann wird es möglich unter Gottes Führung das Unmögliche zu vollbringen.
Bibeln für die unterdrückten Christen! Diese Losung wurde zum Lebens - inhalt eines großen Abenteurers, Bruder Andrew aus Holland. Er begann als junger Mann, Dutzende Bibeln per Auto als Tourist in den damaligen Ostblock zu schmuggeln und erlebte Gottes Schutz so deutlich, daß er auch andere dazu bewegen konnte. Aus jahrelangen Wagnissen und Erfahrungen entstand die internationale Vereinigung der „Offenen Türen“. Ein besonderes Ziel ihrer Einsätze wurde nach dem Tod von Mao Zedong 1976 das riesige China, wo die totgeglaubte Kirche kräftig zu wachsen begann und nach der Heiligen Schrift verlangte. Wache Christen in den freien Ländern entschlossen sich, diesen Hunger zu stillen. Nach vielen kleineren Unternehmungen gelang 1979 das Projekt „Regenbogen“ anläßlich der internationalen Fachmesse in Guangzhou nördlich von Hong - kong. Als Messebesucher getarnte Kuriere brachten 60 große Koffer mit - man höre und staune - 30.000 Neuen Testamenten ins Land und übergaben sie einem Verteilnetz der Untergrundkirchen. Die Folge: Jubel auf beiden Seiten - und sofort eine ungeheuer große neue Bitte: „Sendet uns doch die volle Bibel samt dem Alten Testament! Und in noch größerer Zahl. Sendet uns eine Million!“ Der spürbare Schutz Gottes über der Aktion Regenbogen und der in China mächtig wirkende Heilige Geist hatten diese Bitte erweckt. Und es fanden sich weltweit Männer mit Glauben, Mut und Erfahrung, um diese Bitte zu erfüllen. Davon berichtet jetzt, da niemand mehr gefährdet wird, einer der Akteure: ein Loblied auf die Führung Gottes für wache Christen. Eine Million Bibeln im Format 14 x 9 x 2 Zentimeter mit je 230 Gramm Gewicht ergeben 230 große Blöcke zu je 1000 Kilo. Jeder Block mit 48 handlichen 20 Kilo-Paketen zu je 90 Bibeln. Diese waren per Fahrrad oder mit Schulter-Tragstangen gut zu befördern. Die gesamte geheim angelieferte Sendung mußte ja unauffällig und rasch verteilt werden. Doch wie kam eine solche Riesenmenge von Büchern unbemerkt ins Land?
Das Projekt Perle
Das brauchte viel Gebet - zuerst Gebet um die richtigen Mitarbeiter. Und wer angesprochen wurde, mußte dann selbst wieder gut hinhören, ob Gott ihn zu diesem gefährlichen Abenteuer berief. Der Deckname dafür war „Perle“, nach dem Gleichnis vom Himmelreich, das in seiner einmaligen Schönheit den vollen Einsatz verlangt. Eben dazu waren diese Christen bereit, um ihren Brüdern in China den Zugang zum Wort Gottes und zu Seinem Reich zu öffnen. Bald war es klar: zum Transport kam nur ein Schiff in Frage. Dazu gehört aber ein Kapitän. Captain Bill war einer, im Ruhestand und dadurch frei verfügbar - und noch dazu mit Erfahrung im Chinesischen Meer. Ihm war das Risiko klar. So fragte er den Herrn drei Tage lang. Am ersten Tag fand er in der Bibel den Bericht, wie König David die Bundeslade aus dem Waldland nach Jerusalem überführt (1 Chronik, Kapitel 13-15). Daraus entnahm er: Die Bundeslade enthielt ja das Wort Gottes; so sollte er heute dieses Wort nach China bringen. David sah damals, daß die heilige Lade nicht von jedermann berührt werden durfte; Bill entnahm daraus, die Bibellieferung durfte nur in den Händen entschiedener Christen liegen. Die wichtigste Qualifikation war Hingabe und ein waches Herz. Am zweiten Tag stieß er im Psalm 29 auf die Verse 3 und 10: „Die Stimme des Herrn erschallt über den Wassern. Der Herr thront über der Flut“, eine Bestätigung, daß der Weg über das Meer richtig war. Und der dritte Tag brachte schließlich die Stelle Johannes 6,16-21: Jesus geht über das Wasser, steigt zu den Seinen ins Boot und bringt sie rasch ans Land. Bill sah darin den deutlichen Hinweis, daß der eigentliche Kapitän des Unternehmens Jesus sein werde. Der Initiator von „Perle“ war Douglas, ein im Bibelwerk „Offene Türen“ bewährter Mann. Der große Plan stieß freilich auf Fragen und Widerstände. Dough zeigte stets dieselbe Ruhe: „Wir vertrauen auf Gott und wir glauben an Wunder.“ Er holte Pablo von der Aktion „Regenbogen“ ins Team. In China selbst war die 35jährige Lilli, auch sie im Regenbogen bewährt, fürs Verteilen zuständig. Sie alle waren bereit für die Folgen im Fall der Entdeckung - doch mehr noch voll Hoffnung auf Erfolg unter Gottes Füh rung. Diese Führung zeigte sich schon in der Vorbereitungszeit.
Wenn wir wach sind, wachst Du über uns
Lilli mußte die Stelle zur Landung an der Küste finden. Nicht weit von ihrem kleinen Heimatdorf saß sie betend am flachen Sandstrand einer weiten Bucht südlich des Kriegshafens Shantou, gegenüber von Taiwan. Und im Gebet empfing sie die Gewißheit: Hier ist der Landeplatz der Perle! Ein Marine-Leuchtturm am Ende der Bucht hatte, wie sie erfuhr, täglich Wachablöse um 21 Uhr, mit gemeinsamem Essen beider Wachen, die in dieser Zeit nicht auf das Meer achteten. Ort und Uhrzeit der Ankunft standen damit fest, noch ohne Datum. Zum Transport entschied sich das Team für einen Schlepper mit Lastkahn. Mieten kam nicht in Frage. Den Schlepper mußte man kaufen, den Kahn nach Maß bauen lassen. Captain Bill schlug für das rasche Entladen vor: „Die 230 großen Bibel-Blöcke liegen wasserdicht verpackt auf dem offenen Frachtdeck, das an beiden Längsseiten Ladeklappen hat. Unter Deck bekommt der Kahn, fast wie ein U-Boot, Tanks zum Füllen mit Wasser, was ihn tiefer sinken läßt. Das Deck steht dann unter Wasser und die Ladung schwimmt. Wir öffnen die Ladeklappen und ziehen die schwimmenden Bibelblöcke mit Motorbooten an Land. Alles ist in zwei Stunden fertig.“ Das Team prüfte den Plan auf Herz und Nieren. Nach viel Gebet waren sie einig: Bills Plan kam von Gott. Ein Psalmwort bestätigte es noch: „Durch das Meer ging dein Weg, dein Pfad durch gewaltige Wasser, doch niemand sah deine Spuren“ (Ps 77, 20). Durch eine weitere Fügung hatte Bill vor kurzem ein Unternehmen zur Rettung der Pazifischen Korallenriffe gegründet, das überall Planktonproben nahm: Der Bibelkahn wurde offiziell als Forschungsschiff gemeldet! Doch all das auszuführen! Welche Druckerei liefert so rasch eine Million Chinesische Bibeln? Wer verpackt sie in der richtigen Größe wasserdicht? Wo bekommt man einen Hochseeschlepper mit Raum für 20 Mann an Bord statt der üblichen sechs? Denn 20 würde man beim Entladen brauchen. Und weiter: Welche asiatische Werft baut einen noch nie dagewesenen Lastkahn in kurzer Frist? Und: Woher kommt die Mannschaft, die ja auch aus Nicht-Seeleuten bestehen wird? Wie formt man sie zu einer seetauglichen Crew? Woher kommen die Seemannslizenzen für diese Männer? Wer registriert die Schiffe nach internationalem Recht? Und so ganz nebenbei: Werden die Spenden für all das reichen - zumal die Spender ja nichts Näheres erfahren dürfen! Schon diese Auswahl aus hundert Fragen zeigte, daß „Perle“ nur mit Gottes Hilfe gelingen kann. Wach zu sein hieß, schon jetzt im Vorfeld nicht auf die eigene Schwachheit, sondern auf den Ruf Gottes schauen!
Göttliche Hilfe im Vorfeld
Dafür ein Beispiel: Den passenden Schlepper suchte man lange ohne Erfolg. Nun mußte Dough aber ganz anderer Dinge wegen Freunde in Neuseeland besuchen. Unter Verschwiegenheit legte er ihnen diese Sorge vor. Alle waren bereit, die Nacht lang um den Schlepper zu beten. Dabei fiel wiederholt der Name Singapur. Schließlich sagte Eddie: „Gott hat mich etwas schauen lassen: einen großen Schlepper, auf vier Stützen aufgebockt unter dem Geäst eines hohen Baumes.“ Die Gruppe betete weiter: „Herr, wo in Singapur ist dieser Schlepper?“ Die Antwort kam: „Drei Kilometer vom Flughafen.“ Auf dem Rückflug mußte Dough unvorhergesehen eine andere Verbindung nehmen - mit Übernachtung in Singapur! Und dort, drei Kilometer vom Flugfeld, fand er in einer Werft am Fluß unter hohen Bäumen den fast fertig gebauten, aber vom Besteller nicht übernommenen großen Schlepper. Und Eddie aus Neuseeland war schließlich - für ihn damals noch ungeahnt - auf dem von ihm geschauten Bibelschiff aktiv mit dabei. Die Beter in China und im „Perle“-Team bekamen im Gebet mehrmals die genau gleichen Bibelstellen mit der Zusage von Gottes Kraft und Schutz. Schritt für Schritt kam der Plan voran. Knapp vor Ostern 1981 lagen der Schlepper und der Kahn mit der Million Bibeln voll bemannt und zum Auslaufen bereit im Hafen von Hongkong. Die Spannung wuchs von Stunde zu Stunde. Die Christen in China waren bereit, der Zeitpunkt fixiert: Osternacht, 21 Uhr. Zugleich mit der Auferstehung des Herrn würde die chinesische Kirche Seine Kraft erleben.
Ein Traum, der alles verändert
Plötzlich bricht etwas Unerwartetes herein. Bruder Andrew, Urheber und geistiger Leiter aller Aktionen bis hin zum Projekt „Perle“, fährt aus dem Schlaf hoch, daheim in Holland, mitten in der Nacht, ein furchtbarer Traum: Er lenkte einen Lastwagen in den Bergen ein langes steiles Gefälle hinab, da plötzlich versagten die Bremsen, der Wagen wurde immer schneller, kein Halten mehr, in rasendem Tempo zeigte sich ein letzter Notweg, und nach schweren Erschütterungen kam das Gefährt auf Sand und Schotter zum Stehen. Er selbst saß zitternd da, sein Herz hämmerte. Nach intensivem Gebet und Gespräch mit seinen Vertrauten war klar: Der Traum galt dem Projekt der Perle: Zunächst also Stop! Wenige Stunden vor dem Auslaufen! Ungläubiges Entsetzen auf dem Schiff. Diese todesmutigen Männer - auf vieles waren sie gefaßt, nur darauf nicht. Und genau das tritt nun ein. Gehorsam wird ihnen abverlangt, unbegreiflicher Gehorsam. Und die Gläubigen in China? Unmöglich, sie alle noch zu verständigen! Welcher Schock wird das für sie sein! Doch die Verantwortlichen spüren: Diese Prüfung kommt von Gott. Jetzt zu gehorchen, ist der Gipfel der Wachsamkeit, und sie muß sich im Warten bewähren, zwei volle Monate lang.
Geläuterte Herzen
Enttäuschung, Ermüdung; doch leise kehrt der Friede ein. Einer nach dem andern erkennt: Unser totaler Einsatz, begleitet von wirklichen Wundern Gottes, hat uns gefangen genommen. In alle Demut hat sich das Gefühl eingemischt, wie wichtig wir doch sind. Und dabei: „Herr, ist es doch ganz allein Dein Werk. Führe Du es durch, wie es Dir gefällt!“ Auch in China braucht es Mut und verzeihende Liebe, das vergebliche Wagnis der Osternacht zu heilen. Schließlich hat sich auch das Verteilnetz erholt: „Der Herr ist nicht gekommen, wann wir meinten; doch nun sind wir neu bereit!“ Wach zu bleiben, heißt, Enttäuschung zu überwinden. Nach zwei Monaten läuft das Bibelschiff von Hongkong aus, 40 Stunden bis nach Shantou. Inzwischen ist Sturmsaison, doch ein Taifun hat nach innigstem Gebet unerwartet abgedreht, die See ist still. Am nächsten Abend sinkt die Sonne, im Osten geht der Vollmond auf. Sie nähern sich auf der Standardroute dem Hafen wie andere Schiffe auch. Kanonenboote liegen an der Küste, eins nimmt Fahrt auf, kommt auf sie zu - und fährt ruhig vorbei. Alle Herzen klopfen. Dann kurz vor 21 Uhr befiehlt Captain Bill: „Positionslichter löschen. Kurs hart backbord. Maschine volle Kraft voraus!“ Sie verlassen die offizielle Fahrrinne und steuern den Strand ihrer Bucht an. Vom Ufer Blinkzeichen einer Taschenlampe. 2.000 Empfänger warten. Alles geht wie besprochen und eingeübt. Leiser Jubel und viele Tränen bei der ersten Begegnung, dann regen sich alle Arme. Noch vor Mitternacht nimmt der Schlepper den leeren Bibelkahn wieder mit hinaus auf die hohe See, in internationale Gewässer. Gerettet!
Bleibt wach und betet
Das alles geschah vor 28 Jahren. Vieles ist heute anders. Das Evangelium breitet sich in China aus, die Aktion Perle half ihm wachsen und bereitete auch den Weg zum legalen Druck von Bibeln im Lande selbst, immer noch zensuriert und eingeschränkt. Der Hunger nach Gott in vielen anderen Ländern und auch in unserer eigenen Kultur ist vielfach verdeckt, doch er ist da. Seid wach dafür, diesen Hunger zu stillen, und rechnet nicht mit euren Möglichkeiten, sondern mit der Kraft des Herrn! Das ist die Botschaft dieses Abenteuers und so vieler anderer heute, die wir erst morgen erfahren werden.
Der Autor ist Mitglied des Konvents in Seckau und Diözesanvertreter der Charismatischen Erneuerung in der Steiermark. Angaben zm Buch, auf das sich P. Leo bezieht: CoDEnAMEPERLE.
Chinas Christen Von Paul Estabrooks. Brunnen Verlag, Gießen 2009. Wunder