Wende dein Gesicht der Sonne zu, dann fallen die Schatten hinter dich“ – diesen genialen Gedanken, ganz afrikanisch, bei dem sich Herz und Glaube treffen, möchte Obiora Francis Ike – nigerianischer Priester vom Stamm der Igbo, Menschenrechtskämpfer, Professor – weitergeben. Wenn er erzählt oder schreibt – ohne Umschweife, wir würden sagen „frisch von der Leber weg“ – sieht man ihm an, daß er der Sonne näher steht als den Schatten. Mit seinem Lachen, seiner Lebensfreude und vor allem mit seinem bombenfesten (im wahrsten Sinn des Wortes, aber davon später) Glauben, steckt er sein Gegenüber leicht an. Im April hat er in Wien als Caritasdirektor in Nigeria beim Schweigemarsch für verfolgte Christen teilgenommen. Bei dieser Gelegenheit habe ich ihn kennengelernt und einige kurze Treffen gehabt.
Ike wird am 1956 als viertes von 10 Kindern (5 Buben, 5 Mädchen) geboren. Gusau, sein Geburtsort liegt im Norden Nigerias, im Wüstenbereich. Seine Eltern leben nach der Lehre Jesu und die Kinder werden dementsprechend erzogen. Als der Sohn getauft werden soll, bringen ihn die Eltern zu den Dominikanern. Wie soll das Kind heißen? Obiora (d.h. unser Herzenswunsch ist erfüllt) meint der Vater. „Da gibt es keinen Heiligen,“ wird ihm entgegengehalten, „geben Sie ihm doch den Namen Franziskus.“ Der Vater besteht aber auf Obiora. Sein Sohn wird eben der erste Heilige dieses Namens. Welch eine Vorgabe für den Buben! Nach einigem Hin und Her entscheidet man sich für beide Namen.
Die ersten 10 Jahre hat mein Gegenüber in sehr schöner Erinnerung. Ein harmonisches Miteinander im Ort. Ein Mitarbeiter seines Vaters Mala Mohammed, ein Moslem, bringt ihm Hausa (neben den Igbo einer der größten Stämme Afrikas) und Arabisch bei. So lernt er als Kind den Koran lesen. Allerdings übt er sich schon als vierjähriger während der Heiligen Messe in der Sakristei als Priester. Fragt man ihn, was er werden möchte, weiß er es genau: Priester! Er ist sich sicher: Gott ruft ihn. Und in all den folgenden Jahren bringt ihn nichts davon ab, diesen Weg konsequent weiterzuverfolgen.
Auch nicht der Biafrakrieg, der 1966 ausbricht. Damals lebt die Familie in Kano, ebenfalls im Norden Nigerias. „An einem einzigen Sonntag wurden 30.000 Menschen mit Messern niedergemetzelt,“ erinnert sich Dr. Ike an die schreckliche Zeit. Nach 100 Jahren englischer Kolonialherrschaft war Nigeria sechs Jahre zuvor unabhängig geworden. Die erste Republik hält sich nicht lang. Schon bald übernimmt eine Militärregierung das Land, das dreimal so groß wie Deutschland ist, in dem über 300 ethnische Gruppe leben: fast 50% Muslime und ebenso viele Christen.
Der schreckliche Biafrakrieg: Wir erinnern uns an Bilder von verhungernden und weinenden Kindern, die durch die Welt gingen! Obiora mit seinen 10 Jahren ist eines von diesen und hat Hunger, Angst, Ungeziefer hautnah erlebt. Drei Jahre ist die Familie auf der Flucht – immer weiter in den Süden: Drei Flüchtlingslager lernt er kennen, „weil man uns islamisieren wollte.“ Er erinnert sich: „Vernichtung, Tod, Verwundete, Schreie, verseuchtes Wasser aus Pfützen. Den Geruch der Leichen am Straßenrand habe ich noch heute in der Nase.“
Drei Jahre Krieg und an die zwei Millionen Tote. Davon 80% Kinder! Unser Mitleid hat sie nicht vor dem Tod bewahrt. „Wo waren die handelnden, gottesfürchtigen Politiker, die Männer an der Macht, die das Leben von Millionen Menschen hätten retten können?“, fragt sich Dr. Ike und spricht vom „Zukleben des Gewissens“. „Habt Mut zum Gewissen,” legt er daher heute seinen Studenten ans Herz: „Stellt euch vor das Gesicht Gottes, nicht vor das Gesicht der Leute. Zuletzt werdet ihr Gott in die Augen sehen und diesem Blick standhalten müssen.“ Tja, recht hat er!
Daß er selbst, als Kind, das Grauen des Krieges überlebt hat, bezeichnet er als Wunder. Dieser Krieg – in dem es auch um Geld, Bodenschätze, vor allem um Öl ging – war wohl „ein erster Versuch der systematischen Islamisierung Afrikas.“
Für Obiora geht das Leben nach dem Krieg weiter. Wie gesagt: Nichts bringt ihn davon ab, Priester zu werden. In Enugu besucht er zunächst das kleine, später in Ikot Ekpene das große Priesterseminar mit über 1.000 Priesterseminaristen in einem Haus. (Man höre und staune: Nigeria hat derzeit rund 15.000 Priesteramtskandidaten!)
Mit 22 erwirbt er den Bachelor of Arts in Philosophie. Weiter geht es nach Innsbruck, wohin ihn die Jesuiten schicken, um Theologie, Philosophie, und Politikwissenschaften zu studieren. Dort wird er auch zum Diakon geweiht und in Hohenems am 4. Juli 1981 zum Priester. So feiert er heuer sein 30jähriges Priesterjubiläum.
Anschließend geht es nach Bonn, wo er 1985 in Theologie und Philosophie promoviert. 1986 habilitiert er sich in Sozialethik, Geschichte und Afrikanistik. In dieser Zeit wohnt er in Köln und wirkt dort als Priester. Viele Freundschaften, die heute noch bestehen, entstehen damals. Bald fühlt er sich als afrikanischer Rheinländer.
1986 ruft ihn sein Bischof zurück nach Enugu, in den Süd?osten des Landes. Ob das sein Wunsch war? Dr. Ike fragt sich das nicht: „Wenn man Priester wird, weiß man nicht, was Gott mit einem vorhat. Wenn man offen bleibt, steigt Gott mit einem in Höhen, die man sich nicht hätte vorstellen können.“ Wie erkennt man aber Gottes Willen? „Indem ich tue, was der Bischof sagt, auch wenn es nicht immer mein Wille ist.“ So einfach ist das.
Gab es etwas, das ihm besonders schwergefallen ist? Er könne sich an nichts erinnern, meint er ohne zu zögern. „Ich freue mich, wenn ich den Menschen dienen kann und tue, was die Kirche fördert und das Evangelium verbreitet. Ganz gleich: Ob die Sonne scheint und man schwitzt, so tut man es, und wenn es regnet, tut man es genauso.“ Priester zu sein, heißt für ihn, das Leben in seiner ganzen Fülle zu spüren.
Als Professor ist er heute bemüht, Priesteramtskandidaten in diese Haltung einzuführen, dem Willen Gottes nachzuspüren, sich zur Kirche zu bekennen, dem Wort Gottes gegenüber gehorsam zu sein. Dabei unterrichtet er nicht nur in Nigeria, sondern als Gastprofessor auch in Frankfurt und den Niederlanden.
1998 wird Obiora Ike – er spricht übrigens fünf Sprachen – Generalvikar im Bistum Enugu. Papst Johannes Paul II. ernennt ihn 1999 zum Monsignore. Viele Auszeichnungen und Ehrungen hat der knapp 55jährige bereits bekommen.
Neben seiner Lehrtätigkeit, seinem Amt als Berater der Bischofskonferenz betreut er eine Pfarre mit 5.000 Katholiken. Sieben Messen werden jeden Sonntag gefeiert! Gerne erzählt er von seiner Gemeinde: „Kirche ist Familie. Jede Straße hat eine Basiskirche, in der Kinder und Jugendliche um sechs Uhr abends mit einer Begleitung zum Rosenkranzbeten zusammenkommen. Sie beten nicht nur für sich, sondern für die ganze Menschheit. Das fördert die Evangelisierung unserer Heimat. Auch die Männer treffen einander, ebenso die Frauen. So stärken und unterstützen sich die Christen gegenseitig, lernen einander schätzen. Gebet, Gesang, Katechismus, das Vertiefen der Tugenden füllen diese Treffen. Der Pfarrer und ehrenamtliche Mitarbeiter begleiten die Treffen.”
Katholische Laien, so erfahre ich, sind in Nigeria sehr aktiv. Die Eltern führen ihre Kinder auf dem Glaubensweg, sorgen für die richtigen Angebote – denn, wie gesagt, Kirche ist Familie. „Ein einzelnes Kind kann kein christliches Leben führen, wenn die Eltern es nicht in die Kirche mitnehmen, nicht darauf achten, wie es seine Freizeit verbringt. So sichert man die Zukunft der Kirche. Die katholische Jugend ist sehr engagiert. Jedes Kind, jeder Jugendliche hat seine Aufgabe.“ Nachahmenswert!
Die Gefangenen sind dem Priester ein besonderes Anliegen. Dr. Ike ist Leiter der Gefängnisseel?sorge Nigerias. Er schildert die schrecklichen Verhältnisse in den Gefängnissen: Bis zu 70 Gefangene auf kleinstem Raum, 23 Stunden am Tag eingepfercht, kein Wasser, keine Toilette, nur ein Loch im Boden, schlafen auf dem Betonboden – bestenfalls auf einem Stück Wellpappe. Verheerende hygienische Verhältnisse und mangelhafte Ernährung führen zu schweren Infektionskrankheiten. Die Sterblichkeitsrate ist hoch. Folter und Mißhandlungen sind keine Seltenheit.
Viele haben keine Chance auf eine Gerichtsverhandlung, viele sind auch unschuldig: Vielleicht wollte ein Polizist Geld und der willkürlich Angehaltene konnte sich nicht freikaufen. Viele gefangene Christen werden gezwungen, Muslime zu werden. Die Jugendlichen und die zum Tode Verurteilten, die seit Jahren auf ihre Hinrichtung warten, liegen dem Seelsorger besonders am Herzen. Wenn er Geld bekommt, kann er den einen oder anderen aus dem Gefängnis freikaufen – zum Preis von 200 Euro! Wer Geld übrig hat, kann sich also vertrauensvoll an ihn wenden.
Zum Schweigemarsch für verfolgte Christen war Dr. Ike eingeladen worden, um auf das Schicksal der verfolgten Christen in Nigeria aufmerksam zu machen. Vor allem im Norden des Landes ist die Verfolgung ausgeprägt. Der Islam hat ja einen Großteil der ursprünglich christlich geprägten nordafrikanischen Länder ab dem 7. Jahrhundert erobert. Das von Mohammed gegründete, religiöse Soldatentum führte erfolgreich Kriege, um Allah möglichst viele Länder zu unterwerfen. Seither hat die Islamisierung nicht aufgehört. Daher setzen sich einige Moslemführer die vollständige Islamisierung Nigerias zum Ziel: Die Scharia, das islamische Recht, soll nicht nur wie derzeit in 12 Bundesstaaten herrschen, sondern in allen anderen auch.
Scharia, das bedeutet z.B. daß Moslems, die Christen werden mit dem Tod bedroht sind, daß auch Minderjährige hingerichtet werden, daß bei Diebstahl Hände abgehackt, bei angeblichem Ehebruch Frauen gesteinigt werden… Christen haben da wenig Chancen, gerecht behandelt zu werden: Hat ein Christ (also ein Ungläubiger) einen Rechtsstreit mit einem Moslem (also einem Gläubigen), so wird er vor Gericht unterliegen – der Richter ist ja auch Moslem. Mit einem Moslem hätte der Christ eben nicht streiten dürfen. Er riskiert Peitschenhiebe und Schlimmeres.
Dezidiert erklärt Dr. Ike: „Ich kenne keinen Fall, wo Christen Moslems tätlich angegriffen hätten. Immer sind es gewalttätige Moslems, die auf Christen losgehen. Sie haben in den letzten Jahren 12.000 Tote verursacht. Ich leite die Kommission für den christlich-muslimischen Dialog und bin daher immer wieder mit solchen Fällen konfrontiert. Ausgelöst, so heißt es dann, würden die Angriffe, weil einer z.B. den Koran beleidigt oder falsch zitiert hat. In manchen Bundesstaaten bekommen Christen keine Arbeit, weil sie Franziskus oder Antonius heißen. Im Norden Kirchen zu bauen, ist fast unmöglich.“
Dr. Ike gibt zu bedenken: „Islam ist nicht nur Religion. Er ist auch Weltanschauung und eine politische sowie wirtschaftliche Herrschaft,“ die absolut nicht mit sich spaßen läßt: Gibt es in Europa oder Amerika Angriffe auf Muslime, wird dort Mohammed oder der Koran beleidigt, so regnet es Vergeltungsakte in Nigeria: Pogrome, Massaker, Vertreibungen. Und: Sobald die Moslems in einem Bundesstaat oder einem Land in der Mehrheit sind, hören sich die Dialoge auf.“
Wer sich daher wie Ike im christlich-islamischen Dialog exponiert, riskiert auf Widerstand zu stoßen. Wie todernst diese Bedrohung werden kann hat Obiora Ike 2002 am eigenen Leib erfahren: Zwei gedungene Killer überfallen ihn zu Hause – einer ist als Priester verkleidet. Pistole und Gewehr im Anschlag erklären sie ihm brüllend, sie würden ihn sofort umbringen. Klar, daß Ike zunächst weiche Knie bekommt.
Doch plötzlich erkennt er in voller Klarheit: Auch wenn er jetzt erschossen wird, was ändert sich dann? Gar nichts, sagt etwas in ihm: „Du kannst zwar eine Ladung Blei in den Körper bekommen, aber wirklich umbringen kann man dich nicht. Gott ist und du bist in Gemeinschaft mit Ihm, was immer passiert.“
Dieses Vertrauen macht ihn stark, ja stärker als die Killer. „Redet nicht so viel! Schießt doch,“ sagt er leise, doch bestimmt. Darauf schreien sie noch mehr, schießen aber immer noch nicht. Also äußert Ike eine Bitte: Er möchte noch ein letztes Mal in die Kapelle, ein letztes Mal beten. Und tatsächlich: Die beiden kommen mit ihm zum Allerheiligsten, das Gewehr an die Schläfe des Opfers gedrückt. Ike betet lang. Jetzt hat er keine Angst mehr. Er erklärt ihnen: „Wenn ihr jetzt abdrückt, komme ich in den Himmel und bete dort weiter für euch.“ (Endlich ein Hl. Obiora!)
Das ist offenbar zu viel für die vielleicht noch ungeübten Killer. Sie lassen von ihm ab. Er sei ein „good man“, erklären sie ihm. Sie könnten ihn daher nicht töten, bedauern ihr Vorgehen und verraten ihm sogar wer ihr Auftragsgeber sei: der Regierungschef des Bundesstaates. Als seine „besten Freunde” verschwunden sind, wird ihm allerdings doch etwas mulmig. Kein Wunder.
Mittlerweile weiß Dr. Ike: Eigentlich kann ihn nichts umbringen, selbst wenn man ihn umbringt. „Der Tod ist tot. Der Glaube ist der Anti-Tod, das wirksamste Medikament gegen die Angst vor dem Tod.”
Daher setzt er sich weiterhin für einen fruchtbaren Dialog zwischen Christen und Muslimen ein: „Wir sagen unseren Christen trotz der vielen Toten und der Repressalien, daß sie nicht Rache üben, sondern die Dialogprogramme intensivieren sollen, damit wir einander besser kennen-, einander mehr schätzen lernen und zum Religionsfrieden beitragen. Religionsfreiheit ist Grundlage des Friedens in der Welt, sagt der Papst.“ Aber was sind nun diese Dialogprogramme konkret? Da gibt es, Abmachungen, Statements die von allen – Christen und Moslems – unterschrieben werden, Projekte, die man gemeinsam durchführt (Wasser-, Ausbildungs-, Straßenbauprojekte, der Kampf gegen HIV). Manchmal werden sogar gewalttätige Muslime gemeinsam verurteilt.
Gleichzeitig aber warnt Dr. Ike: „Die mächtige Welle mißbrauchter Religion ist die größte Herausforderung des 21 Jahrhunderts.“ Und an uns Europäer gerichtet: „Mit der oberflächlichen Spaßgesellschaft ist es definitiv vorbei. Wir müssen neu unsere Werte entdecken und bezeugen. Heute gilt es, Farbe zu bekennen. Denn sonst werden wir überrannt“, meint mein Gesprächsparnter. „Gerade auch ihr in Europa!“
„Ein voller Bauch studiert nicht gern, hat es in der Studentenzeit geheißen,“ erinnert er sich. „Kann es sein, daß in Europa der volle Bauch auch am Wesentlichen, an Gott, desinteressiert ist, und der Mensch nicht mehr weiß, woher er kommt und wohin er geht?“ Viele Menschen wüßten heute nicht mehr, „daß das Christentum uns unsere Kultur gegeben hat. Es ist das Erbe der Menschheit überhaupt.“ Und noch etwas: „Die säkularen, atheistischen, postmodernen Regierungen Europas mit ihrem Relativismus werden auch immer mehr zu einer Herausforderung für die Christen werden.“
In seinem Buch Wende dein Gesicht der Sonne zu spricht Ike viele aktuelle Themen an und ist durchaus „politisch unkorrekt“. Aus tiefer Überzeugung tritt er gegen den Zeitgeist auf und für die Wahrheit ein. Dafür bin ich dem sympathischen Monsignore wirklich dankbar. So kritisiert er vehement die Abtreibung, die mangelnde Betreuung von Kindern, den Zerfall der Familien. In Afrika würden Kinder als Geschenk Gottes, als Reichtum angesehen, als Wesen, die Gott einzigartig, unwiederholbar und aus Liebe geschaffen hat – mit unsterblicher Seele und für das ewige Leben bestimmt. „Wer Ja sagt zu Kindern, sagt auch Ja zu sich selbst. Nigeria wäre am Ende, wenn Eltern Kindern kein Leben mehr schenken wollten. Nein – wir denken nicht an kollektiven Selbstmord.”
Wie arm ist da im Vergleich Europa: „Viel Sex und keine Kinder! Darüber weint die Liebe. Wo es keine Kinder gibt, dort ist die Hölle.“ Das sitzt! Und Abtreibung als Mittel der Empfängnisverhütung? „Hier wird nicht etwas vermieden, sondern ein bereits wachsender Mensch getötet. Es gibt keine Entscheidungsfreiheit mehr wenn Ei und Samenzelle sich verbunden haben. Der neue Mensch ist dann da,“ stellt er unmißverständlich klar.
Untersuchungen, die den Zweck haben, ein Kind „sicherheitshalber“ zu töten, „bevor es seine Mutter vielleicht mit einer Hasenscharte anlächelt,“ erschüttern ihn: „Wenn das Kind nicht sicher gesund ist, dann lieber sicher tot?! In Afrika und vielen anderen Ländern haben viele Kinder ein wirklich schweres Los: hungrig, ausgebeutet, als Kindersoldaten mißbraucht usw. Diese Tragödien“, meint der Menschenrechtskämpfer, „müssen wir bekämpfen, aber doch ja nicht aufhören, Kinder zu kriegen, sie zu lieben, und in ihren Gesichtern Gott zu erkennen. Sie sind immer ein Zeichen der Hoffnung für die Welt.”
Und was die Familie anbelangt, so sei sie eine Schule des Lebens, erklärt der Seelsorger. Dort würden Werte erprobt und überprüft. Wie dankbar sei er seiner Familie, bei der er geborgen war und die ihn in frohen und schweren Zeiten getragen hat. Afrikaner sind Familienmenschen. Sie haben kein Vertrauen in staatliche Einrichtungen. Keinesfalls würden sie diesen ihr wertvollstes Gut anvertrauen: die Kinder. Klar, daß er daher – politisch unkorrekt – die Art ablehnt, in der man hierzulande schon mit Kleinstkindern herumjongliert, sie als Objekte der Betreuung mal hier und mal dort deponiert.
Dazu ein eindeutiges afrikanisches Sprichwort: „Abwesenheit läßt ein Kind nicht gedeihen.“ Der geldgierige Staat freue sich über die Steuern von Doppelverdienern, meint Ike, doch wie schaut es dann zu Hause aus, wenn die Eltern abwesend sind? Mehr Vertrauen in die Familien statt anonyme staatliche Nester wünscht er uns und ein Netz von Familien, die einander unterstützen. In mancher Hinsicht können wir von Afrika lernen.
Hat Afrika etwa tiefere Wurzeln, auch im Glauben? Wenn man Prof. Ike zuhört, kommen einem solche Gedanken, etwa wenn er sagt: „Das Christentum hat uns zu unserer Identität geführt und alles gereinigt, vor allem von den zum Teil angstmachenden, dämonischen Urreligionen. Wir stehen im hellen Licht der Wahrheit.“
Wie reich ist doch das arme Nigeria: reich an Lebensfreude, an Kindern, Familien und an Priestern. Ja, an Priestern: Der Mangel an Priestern in Europa sei kein Grund, nach falschen Lösungen zu suchen: wie Frauen als Priester, Abschaffung des Zölibats, meint der Monsignore. „Das würde der Kirche, dem weltweiten Volk Gottes, nur Probleme bereiten.“ In der Kirche müsse man teilen, einander helfen. „Die Katholiken sind, in welchem Land auch immer, Mitglieder einer einzigen Kirche.“
Wie sehr diese Aussage stimmt, hat Dr. Ike deutlich durch sein Beispiel, seine Anwesenheit, seine Vorträge und Interviews in Österreich bewiesen. Er hat uns die Augen geöffnet für Wahrheiten, die wir aus den Augen verloren haben, für Gefahren, für die wir blind geworden sind, er hat uns aber auch gezeigt, daß es viel Grund zur Freude gibt.
Nicht einmal die Pollenallergie, die ihn bei unserem letzten Treffen sichtlich beeinträchtigt hat, konnte seinen Humor zum Erliegen bringen: „Tun Sie etwas gegen den Heuschnupfen?” frage ich ihn. „Ja“ antwortet er mit einem Anflug von Lächeln, „ich fliege morgen heim nach Nigeria.“