VISION 20005/2009
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Gott oder Mammon: Es gilt zu wählen

Artikel drucken Gedanken zur Wirtschaftskrise

Die Welt steckt in der größten Wirtschaftskrise seit dem 2. Weltkrieg. Unsummen haben die Staaten in die Rettung von Finanzeinrichtungen und Großunternehmen gesteckt. Sie werden die grundlegenden Probleme unseres Wirtschaftens nicht lösen. Im folgenden Überlegungen zum Thema aus christlicher Sicht.
Für eine Kredit-
Entziehungskur
Die derzeitige Krise ist von der massiven und weitverbreiteten überzogenen Verschuldung der westlichen Wirtschaften ausgelöst worden. Man muß nur die Schulden der privaten und öffentlichen Haushalte, insbesondere in den USA, zusammenrechnen. Die Bruttoverschuldung des US-Bundeshaushaltes dürfte bei 75% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen und sie nimmt rapide zu.
Was die Verschuldung der privaten Haushalte anbelangt, so dürfte sie ein BIP und jene der Unternehmen zwei BIP ausmachen. Die Gesamtverschuldung der USA beläuft sich also auf 3,5 Mal das BIP der größten Volkswirtschaft!
In Europa ist das Verschuldungsniveau unterschiedlich und niedriger, dennoch aber beachtlich: Im Durchschnitt beträgt es zwei bis 2,5 Mal das BIP. Das heißt, daß die von unserer Arbeit geschaffenen Werte nicht ausreichen, die Schulden zu vernünftigen Konditionen zurückzuzahlen. Daher die zahlreichen, in den letzten Jahrzehnten entwickelten Mechanismen, um die Schulden zu verteilen und ihre Fälligkeit hinauszuzögern.
Die seit einem Jahr anhaltende gigantische Übertragung von Risken auf die Staaten sind nur eine Notlösung: Das Problem wird nur verlagert. Die Krise mit einer weiter wachsenden Verschuldung lösen zu wollen, heißt nichts anderes als einen Drogensüchtigen durch Zuführung weiterer Drogen zu behandeln, wo er doch einer Entziehungskur bedürfte…
Ich übe Kritik an Krediten, die einfach für Ausgaben aufgenommen werden: für laufende Ausgaben der Staaten, wie der Privaten, für Spekulationen, usw… Diese seit Jahrzehnten praktizierte Art, Kredite zu nutzen, hat die gesamte Gesellschaft auf Abwege gebracht. Dafür zahlen wir heute den Preis. Dazu gehören die Budgetdefizite der öffentlichen Haushalte ebenso wie der private Konsumkredit.
Indem er unsere Gelüste anstachelt und sie unstillbar werden läßt, führt der Konsumkredit jene, die sich in seinem Netz fangen lassen, in die Sklaverei. An deren Ende steht die Überschuldung.
Man muß die Ketten dieser Sklaverei sprengen. Das bedeutet: Kredit-Entziehungskur. Die Krise wird dann heilsam sein, wenn sie uns zu der Einsicht führt, daß die Verschuldung nicht auf Kosten der Eigenmittel als übliches Finanzierungsmittel unserer Aktivitäten betrieben werden darf - auch wenn dies dazu führt, unseren Lebensstil zu ändern.

François de Lacoste Lareymondie
Der Autor ist Generalsekretär der Gruppe „CIC Banques“.

Vermeide die Begehrlichkeit

Das Wirtschaften ist ein Weise, wie der Mensch den Sinn in seinem Leben zu verwirklichen sucht: das Einswerden mit Gott und die Einheit des ganzen Menschengeschlechts. Die Marktwirtschaft - sie ruht auf der Freiheit, etwas zu unternehmen und Leistungen auszutauschen - kann dazu beitragen dieses Anliegen zu verwirklichen. Sie ist an sich weder moralisch, noch unmoralisch. Sie wird dazu erst je nach dem, was wir - jeder für sich und alle gemeinsam - anpeilen.
Eine erste moralische Regel lautet: Vermeide die Begehrlichkeit. Der heilige Paulus sagt sogar, dieses Gebot fasse die anderen zusammen: „Du sollst nicht begehren!“ (Röm 7,7) Wenn nun aber die Dynamik unserer Wirtschaft wesentlich auf der fortgesetzten Erregung unseres Verlangens nach Konsumgütern beruht, sollte uns das zu denken geben!
Allerdings ist unser Verlangen nicht nur negativ. Es ist auch Ausdruck unserer Persönlichkeit, dessen, was uns im Leben wichtig ist. Das heißt aber, daß wir es auf all das ausrichten, was wir wirklich wollen und nicht auf Dinge, die wir nur allzu leicht vergötzen.
Eine zweite Regel könnte sein; sich nicht von „den Strukturen der Sünde“, in denen wir leben, täuschen lassen. Zum Teil entschuldigen sie das Verhalten der Glieder unserer Gesellschaft. Wir müssen es aber für möglich und auch für gut halten, diese Strukturen umzustürzen, sie zu verändern. Wir dürfen nicht so tun, als wären wir in ihnen gefangen.
Wir brauchen eine quasi mystische Sicht des menschlichen Lebens und aller menschlichen Aktivitäten. Durch sie müssen wir das anpeilen, wozu wir berufen sind: das Einswerden mit Gott und die Einheit untereinander. Für das Wirtschaften bedeutet dies: Austausch und Begegnung von Menschen.
Daraus leiten sich für uns Christen zwei weitere Regeln ab, die wir allen vorschlagen können: die Liebe zu den Armen und die Unvereinbarkeit, Gott und dem Geld zu dienen. „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40), sagt uns der Herr. Nicht zu vergessen: Danach werden wir gerichtet werden. Die Armen müssen im Zentrum, nicht am Rande unseres Lebens stehen, das gilt auch für das gesellschaftliche Leben. Die Kirche darf sich nicht damit abfinden, daß es in der Gesellschaft Arme gibt. Von da kann eine wahre Dynamik des wirtschaftlichen und sozialen Lebens ausgehen.
Und schließlich: „Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon.“ (Lk 16,13) Das Geld ist ein Unterpfand der Freiheit und Sicherheit; es ermöglicht uns, jene Güter zu erwerben, deren wir und unsere Lieben bedürfen. Aber wir dürfen die Faszination nicht unterschätzen, die das Geld auf uns ausübt.

Éric de Moulins-Beaufort
Der Autor ist Weihbischof der Erzdiözese Paris.


Suche nach den zehn Gerechten
Die Christen haben kein alternatives Modell vorzuschlagen. Ihre Aufgabe ist es, immer von neuem die Richtung zu weisen, die unabdingbaren ethischen Voraussetzungen in Erinnerung zu rufen. (…) Bei einer Begegnung mit Priestern der Diözese Rom im vergangenen Februar äußerte der Papst die Vorstellung, daß die Habgier des Menschen als eine der hauptsächlichen Ursachen für die Krise anzusehen ist. Sie hat klarerweise ihre Wurzeln in der Ursünde.
Für den Papst geht es daher um den Egoismus des Menschen, liegt die Wurzel im Geiz, von dem wir alle angekränkelt sind. Und dieser verdunkelt den Verstand. Der Papst hält fest, „daß es guter ökonomischer Modelle bedarf“, er fügt aber auch hinzu, „daß diese allein in der Welt keine Gerechtigkeit schaffen können“. Um zu ergänzen: „Nur mit gerechten Menschen läßt sich Gerechtigkeit schaffen.“
In diesem Zusammenhang nimmt er Bezug auf das Gespräch von Abraham mit Gott, als dieser die Stadt zerstören will. Er erinnert daran, daß zehn Gerechte ausreichen, damit die Stadt erhalten bleibt. Und der Papst ergänzt: „Wenn es heute an diesen zehn Gerechten mangelt, wird die Gesellschaft nicht überleben - selbst mit der gesamten Wirtschaftslehre der Welt.“ Daher „müssen wir alles unternehmen, um wenigstens diese zehn Gerechten - wenn möglich aber viele mehr - heranzubilden und bereitzustellen.“
Die Umkehr der Herzen und Bildung des Verstandes - das sind die großen Heilmittel, die die Kirche vorschlägt. Alles ist zu unternehmen, damit es wenigstens diese zehn Gerechten gibt. Daß der Kapitalismus moralisch wird, setzt voraus, daß die „Kapitalisten“, also wir alle, moralisch werden.

Jean-Yves Naudet
Der Autor ist Professor für Ökonomie der Universität Aix-Marseille-III.
Die Texte sind„Famille Chrétienne“ Nr. 1634 entnommen.

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