Ehen sind heute in der Zerreißprobe: gesellschaftlich nicht gestützt, als lebenslanges Zusammenleben infrage gestellt, durch berufliche Überforderung belastet. Wie können christliche Ehen dennoch gelingen? Im folgenden sieben gute, hilfreiche Gewohnheiten:
Dem anderen
Freude bereiten
Ein glückliches Ehepaar wird füreinander zum Geschenk und zur Gabe, um dem anderen kleine und große Freuden zu bereiten und nicht Sorge oder Schmerz. Das klingt einfach, in der Praxis erweist sich dies aber als schwer. Ist das, was ich sage und tue, eine Freude für den anderen? Darin konkretisiert sich die „amor benevolentiae“, die „Liebe des Wohlwollens“. Die Aufmerksamkeit für den anderen ist ein Schlüssel zu seinem Herzen.
Ein junger Mann hat sich für seine Verlobte folgendes einfallen lassen: Als sie für ein Monat am anderen Ende der Welt in Australien beim Weltjugendtag war, hat er es ausgetüftelt und organisiert, daß sie jeden Tag einen Brief und ein Geschenk erhielt: Von nützlichen Taschentüchern und Hustenzuckerln bis zu Badeschlapfen und hochgeistlicher Lektüre war alles dabei. Jeden Tag ein kleines Geschenk.
Hier kann man seiner Phantasie und Kreativität freien Lauf lassen. Wer diese Aufmerksamkeit bis zum Lebensende durchhält, wird ein volles Maß der Liebe erreichen.
Wohltuende Riten
Bräuche der Liebe und der Freundschaft pflegen. Bräuche, Riten und Gesten in der Liebe stärken die Beziehung, denn Gesten wecken Gefühle und besiegeln Absichten. Das beginnt bei der Art und Weise, wie man sich begrüßt. Wenn jemand abends nach Hause kommt, zuerst den Hund begrüßt, dann den Computer und den Fernseher einschaltet, und seine Frau mit einem „Was gibt's heut zum Essen? Ich muß schnell machen, weil ich noch eine Versammlung habe“ begrüßt, wird das wohl nicht zu vertiefter Freundschaft führen.
Ein Ehepaar hat ihr Begrüßungszeremoniell von seinem Hund abgeschaut, der sie immer mit solch offensichtlicher Freude begrüßt hat, daß er an ihnen hochsprang. So haben sie ebenso begonnen, sich „springend“ zu begrüßen und so ihrer Freude Ausdruck zu verleihen - zum Entzücken ihrer Kinder.
Es gilt, eine Welt der Symbole zu kreieren, die immer neu von den sichtbaren Gesten zur inneren Liebe hinüberführt und diese zum Ausdruck bringt. Dazu gehören auch Riten wie Komplimente, jeden Tag miteinander zu telefonieren, die Geburts- und Jahrestage zu feiern…
Offen und ehrlich miteinander reden
Glückliche Eheleute schaffen einen sicheren Raum, wo sie so sein dürfen, wie sie wirklich sind; wo sie ohne Furcht ihre Gefühle, ihre Wünsche, ihre Erwartungen, ihre Probleme, ihre Frustrationen und alles, was sie im Herzen haben, aussprechen können. Was für eine Gnade, in seiner Schwachheit und Zerbrechlichkeit vom anderen angenommen zu werden!
Ein silbernes Hochzeitspaar hat mir einmal anvertraut, was das Schönste und das Schwerste in den 25 Jahren Ehe war. Das Schönste: daß ein jeder durch den anderen zu sich selbst gefunden hat und mehr er selbst geworden ist. Und das Schwerste: die Askese, all die Kenntnis der Schwachheit und Verwundbarkeit des anderen nicht zu gebrauchen, um ihn zu verletzen.
Das faßt Ehe sehr gut zusammen! Zur Gewohnheit des guten Wortes gehören auch die Versprechen, die man macht und hält und die so das Vertrauen stärken. Gehaltene Versprechen vermitteln das Gefühl: „Ich kann auf dein Wort zählen. Ich kann mich auf dich verlassen.“
Geschickt in der Kommunikation sein
Bei schwierigen Angelegenheiten heißt es, geschickt und schlau in der Kommunikation zu sein. Gerade in den heiklen Fällen finden glückliche Ehepartner geschickte Wege, wie sie im (Streit-)Gespräch alles sagen können und ganz angehört werden, um die Dinge dann gemeinsam zu lösen. Bei ganz „heißen“ Themen kann man symbolisch einen Gegenstand in die Hand nehmen, was dann bedeutet: „Jetzt redet der eine, und der andere hört zu.“ Nach einer festgelegten Zeit tauscht man dann.
Ich weiß von einem Ehepaar, das auf ihren Nachtkästchen Kerzen aufgestellt hat, und wenn es etwas gibt, was man nur schwer ansprechen kann, dann zünden sie die Kerze des anderen an. So weiß dieser vor dem Schlafengehen, es gibt etwas zwischen ihnen, und bittet seinerseits um das Gespräch, was wiederum das Aussprechen der heiklen Dinge erleichtert. Gewaltfreie Kommunikation ist ein echter, geistlicher Bekehrungsweg.
Sich ständig dem anderen zuwenden
Um ein zeitgenössisches Bild zu gebrauchen, könnte man sagen: füreinander immer online sein und sich nicht voneinander abwenden. Glückliche Eheleute finden immer neue Mittel, um emotional miteinander verbunden zu bleiben. „Get connected“! Dies schafft wahre Intimität.
Blicke, Gesten und Taten zeigen, daß der andere wahr-genommen wird. Es dreht sich um die Qualität der Anwesenheit: „Du bist unter allen sichtbaren Dingen die Priorität Nummer eins!“ Daraus folgt wie von selbst der Wunsch, Dinge miteinander zu unternehmen, die beiden Freude bereiten: miteinander kochen und essen, Kaffeetrinken, das Gläschen Wein am Abend, gemeinsame Spaziergänge, Musik hören, philosophieren, die Heilige Schrift lesen…
So bleibt man einander zugewandt. Eine gute Tat führt zur nächsten. Eine Unterlassung zieht aber auch eine andere nach sich. Hingegen Freiheit, die sich in solch achtsamer Zuwendung an den anderen bindet, verbindet zu einem Bund, und darin besteht wesentlich die eheliche Liebe.
Eine gemeinsame Vision entwickeln
Es ist wichtig, das gemeinsame Leben von einer gemeinsamen Vision inspirieren zu lassen. Glückliche Eheleute bereichern ihre Beziehung indem sie gemeinsame Pläne schmieden, grandiose Projekte miteinander teilen und sich immer neu auf dieselben Ziele ausrichten.
Auf der Dreifaltigkeitsikone Andrej Rublevs sieht man die drei einander liebend zugewandt, wie im beratenden Gespräch. Das Tischgespräch der Heiligen Dreifaltigkeit ist die Rettung der Welt. Auch das Tischgespräch von christlichen Eheleuten sollte von der Rettung der Welt handeln, mit den nachfolgenden konkreten Taten.
In diesem Sinn kann man die Werke der Barmherzigkeit pflegen, Kranke besuchen, einer trauernden Familie beistehen oder für eine Mutter nach der Geburt des ersten Kindes kochen…
Wenn Eheleute starke Erfahrungen miteinander teilen, besonders im Dienst des Reiches Gottes, wird auch ihre innere Verbindung stark. Mit Titus kann man das so zusammenfassen: „Denn die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten... Wir warten auf die selige Erfüllung unserer Hoffnung: auf das Erscheinen der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Retters Christus Jesus. Er hat sich für uns hingegeben, um uns von aller Schuld zu erlösen und sich ein reines Volk zu schaffen, das ihm als sein besonderes Eigentum gehört und voll Eifer danach strebt, das Gute zu tun“ (Tit 2,11-14).
Die Sonntags- und Festkultur ist daher ein wichtiger Freiraum, um die großen Visionen immer neu konkret zu machen. Mit Maria möchte ich sagen: „Was er euch sagt, das tut“ (Joh 2,5)!
Das gemeinsame Gebet durchhalten
Beten verbindet mit Gott und untereinander. Im Gebet öffnet man sich für den immer größeren Gott und macht so auch die Erfahrung, daß die Beziehung zueinander nicht alles ist: Glückliche Eheleute wissen sich von einer Transzendenz umgeben, und das macht die Begrenztheit dieser Welt und auch ihrer Beziehung erträglich. Die Erfahrung der Grenzen in der Liebe kann dann sogar ein Sprungbrett werden, um jene Liebe zu entdecken, die unbegrenzt ist, die immer gibt, die immer verzeiht, die alles erträgt, die ewig ist.
„Liebe zielt auf Ewigkeit. Ja, Liebe ist ,Ekstase', aber Ekstase nicht im Sinn des rauschhaften Augenblicks, sondern Ekstase als ständiger Weg aus dem in sich verschlossenen Ich zur Freigabe des Ich, zur Hingabe und so gerade zur Selbstfindung, ja, zur Findung Gottes: ,Wer sein Leben zu bewahren sucht, wird es verlieren; wer es dagegen verliert, wird es gewinnen' (Lk 17,33)“ (Papst Benedikt XVI., Enzyklika Deus caritas est, 6).
Das Buch Tobit zeigt uns, daß Tobit und Sara miteinander beten, bevor sie sich einander leiblich schenken (Tob 8,1-9). Es ist ein wunderschönes Gebet der Dankbarkeit füreinander, für Gottes geniale Idee, Mann und Frau erschaffen zu haben.
Die Intimität mit Gott führt auch zu einer ganz neuen Intimität mit dem Herzen des anderen, die sich wiederum in der sexuellen Hingabe ausdrückt. Das ist die wahre Verbindung von Spiritualität und Sexualität in der Ehe. Gott ist nicht Rivale, sondern Quelle der Freude und auch der Grund der Fruchtbarkeit. Ein Ehepaar, das miteinander betet, bleibt vereint und empfängt von Gott alle benötigten Gnaden.
Wer jeden Tag ein Gesetzchen Rosenkranz für den andern betet, wird die Erfahrung machen, daß Maria über die Einheit der Herzen wacht - auch in Krisenzeiten!
Diese praktische Weisheit der sieben guten Gewohnheiten scheint gering zu sein, so wenig und gleichzeitig so kostbar wie Wasser. Wer sich diese, für alle in Reichweite liegenden Ratschläge zur Gewohnheit macht, wird sehen, wie die „Ehekrüge“ fortwährend bis zum Rand gefüllt bleiben. Und Jesus wird das Wasser in den köstlichen Wein seiner Gnade, seiner Liebe, seines Lebens in Fülle verwandeln.
„Ehekriege“ hingegen werden einem erspart bleiben. Manchmal wird man beim Praktizieren der Gewohnheiten ins Schwitzen kommen wie die Diener der Hochzeit von Kana, die immer wieder zum Brunnen laufen und schöpfen mußten. Doch der Geschmack des neuen Weines, den Jesus schenkt, entschädigt für diese Mühe und schenkt inmitten der Mühe tiefes Glück. So möchte ich allen zurufen: „Füllt ihr die Krüge; der Herr wird euch mit Gnade erfüllen!“
Der Autor war Prior der Gemeinschaft vom hl. Johannes in Marchegg.
Auszug aus seinem Vortrag im Juni 2009 beim Familienfest in Marchegg.