Jesus hat die „Staffel“ an die Jünger weitergegeben: „Ich habe ihnen“, so bekennt Er im Gebet an den Vater, „deinen Namen bekannt gemacht und werde ihn bekannt machen, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und damit ich in ihnen bin“ (Joh 17,26). Deshalb erfährt der Jünger - und besonders der Apostel - dieselbe Freude Jesu, den Namen und das Antlitz des Vaters zu kennen, und er teilt auch seinen Schmerz darüber, zu sehen, daß Gott nicht erkannt wird, daß seine Liebe nicht erwidert wird. Einerseits rufen wir wie Johannes in seinem ersten Brief mit Freude aus: „Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes und wir sind es!“ Und andererseits stellen wir bitter fest: „Die Welt erkennt uns nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat“ (1 Joh 3,1).
Das ist wahr, und wir Priester machen diese Erfahrung: Die „Welt“ - im johanneischen Sinn des Wortes - versteht den Christen nicht, sie versteht die Diener des Evangeliums nicht. Ein wenig deshalb, weil sie Gott wirklich nicht kennt, und ein wenig, weil sie ihn nicht kennen will. Die Welt will Gott nicht kennen, um durch Seinen Willen nicht gestört zu werden, und daher will sie Seine Diener nicht hören, da sie dadurch in eine Krise geraten könnte. Hier ist auf eine Tatsache zu achten: daß diese „Welt“, im Sinne des Evangeliums verstanden, auch die Kirche bedrängt, ihre Glieder und selbst ihre geweihten Diener ansteckt. Mit diesem Wort „Welt“ meint und beschreibt der heilige Johannes eine Mentalität, eine Denk- und Lebensart, die auch die Kirche verunreinigen kann und sie tatsächlich verunreinigt, und somit erfordert sie stete Wachsamkeit und Reinigung.
Solange Gott nicht in Fülle offenbar geworden sein wird, werden auch seine Kinder noch nicht in Fülle „ihm ähnlich“ sein. Wir sind „in“ der Welt, und wir laufen Gefahr, „von der“ Welt zu sein, „Welt“ im obengenannten Sinn verstanden.
Und in der Tat sind wir es bisweilen. Daher hat Jesus am Schluß nicht für die Welt - wiederum in diesem Sinn -, sondern für Seine Jünger gebetet, damit der Vater sie vor dem Bösen bewahre und auf daß sie frei von der Welt und anders als diese seien, obwohl sie in der Welt leben (vgl. Joh 17,9.15). In jenem Moment am Schluß des Letzten Abendmahles hat Jesus das Weihegebet für die Apostel und Priester aller Zeiten zum Vater erhoben, als er sagte: „Heilige sie in der Wahrheit“ (Joh 17,17).
Und Er fügte hinzu: „Und ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind“ (Joh 17,19).
Priester in der Kirche zu werden heißt, in die Selbsthingabe Christi durch das Sakrament der Weihe einzutreten und dies mit Seinem ganzen Sein zu tun. Jesus hat sein Leben für alle hingegeben, in besonderer Weise jedoch hat er sich für jene geheiligt, die der Vater Ihm gegeben hatte, damit sie in der Wahrheit geheiligt seien, das heißt in Ihm, und in Seinem Namen sprechen und handeln, ihn vertreten, seine heilbringenden Gesten fortsetzen können: das Brot des Lebens brechen und die Sünden nachlassen.
So hat der Gute Hirt sein Leben hingegeben für alle Schafe, er hat es aber in besonderer Weise denen geschenkt und tut dies weiter, die er selbst „in brüderlicher Liebe“ dazu berufen hat und beruft, Ihm im Leben des Hirtendienstes nachzufolgen.
Aus der Predigt Benedikt XVI. bei der Heiligen Messe mit Priesterweihe am 3.5.09 im Petersdom.