40 Jahre nach “Humanae vitae" wird überdeutlich, daß die Enzyklika ein prophetisches Wort war, ein Appell, der Kostbarkeit des menschlichen Lebens durch verantwortungsvollen Umgang mit der Sexualität Rechnung zu tragen.
Ich war vor einigen Wochen in Afrika. Interessant, wie sie dort einen Vortrag beginnen. Der Vortragende sagt: “Pro life!" - und die Zuhörer antworten: “Life is precious" - das Leben ist kostbar. Der Redner wiederholt: “Pro life!" - und die Zuhörerschaft: “Leben ist ein Geschenk Gottes". Und auf den dritten Zuruf “Pro life!" folgt die Antwort: “Leben ist ein kostbares Geschenk Gottes." Dann beginnt der Vortrag.
Das als Einleitung für die folgenden Gedanken über die Weisheit, die uns durch die Kirche, unsere Mutter über das Leben kundgetan wird. (...) Die Kirche ist erleuchtet mit einer umfassenden Sicht des Menschen. Sie sieht ihn aus dem Blickwinkel des Verstandes, der Sinne und des Glaubens. Und sie ist verpflichtet, diese Wahrheit der Welt zu verkünden. Einseitige Ansätze führen in die Irre, sie mögen noch so aufrichtig sein.
Das schicke ich voraus, wenn wir uns der Enzyklika “Humanae vitae" zuwenden. Ihr erster Schlüsselparagraph ist Absatz 7: “Die Frage der Weitergabe menschlichen Lebens darf - wie jede andere Frage, die das menschliche Leben angeht - nicht nur unter biologischen, psychologischen, demographischen, soziologischen Gesichtspunkten gesehen werden; man muß vielmehr den ganzen Menschen im Auge behalten, die gesamte Aufgabe, zu der er berufen ist; nicht nur seine natürliche und irdische Existenz, sondern auch seine übernatürliche und ewige."
Gerade diesen Zugang haben wir heute nicht. Wir rechtfertigen Empfängnisverhütung, Abtreibung, ja sogar das Töten der Eltern - und führen dafür verschiedene Gründe an: biologische (das Kind ist krank, behindert), finanzielle (man kann sich kein weiteres leisten), demographische (es gibt schon zu viele Menschen), soziologische oder sonstige...
Solche Argumente können nicht Grundlage für Entscheidungen darüber sein, was erlaubt ist und was nicht. Allein die Antwort auf die Frage: wer ist der Mensch, was ist seine Bestimmung?, kann so grundlegende Handlungen bestimmen, kann den Maßstab für richtig und falsch liefern. Deshalb müssen wir uns vor allem der Frage stellen: Wer ist der Mensch?
Diesbezüglich erleuchtet uns die Lehre der Kirche: Der Mensch ist ein Abbild Gottes. Er hat eine Geistseele. Gott ist Geist, Er lebt ewig - und auch der Mensch wird ewig leben. Der Mensch unterscheidet sich von den Engeln dadurch, daß er einen Leib hat, von den Tieren durch den Verstand und seine Geistseele. Der Mensch ist also eine Leib-Seele-Einheit. Er ist eine Person.
Als Mensch zu handeln, bedeutet demnach, daß sich die Geistseele durch den Leib ausdrückt. Leib und Seele müssen in Einheit handeln. Man kann den Leib nicht als einen vom Kern der Persönlichkeit abgelösten Gegenstand betrachten.
Und noch etwas: Was wir sind, das nennen wir unsere Natur. Unser Intellekt gestattet uns, Handlungen zu setzen, die im Einklang mit unserer Natur stehen. Wer gegen seine Natur handelt, macht über kurz oder lang die Erfahrung, daß er sich selbst schadet. Ein einfaches Beispiel: Wenn meine Sehfähigkeit nachläßt, werde ich versuchen, sie mit einer Brille so zu verbessern, daß ich besser sehe. Jeder wird mich für verrückt halten, wenn ich stattdessen versuche, mir mit einem Kugelschreiber ins Auge zu stechen, um besser zu sehen.
Wenden wir diese Gedanken nun auf unser Thema an. Die Veränderungen, die regelmäßig im Körper der Frau - von der Pubertät bis zum Wechsel - stattfinden, sind von Gott in die Natur der Frau gelegt. In ihrem Leib finden hormonelle Veränderungen statt, die den Organismus auf den Empfang eines Kindes vorbereiten, dieses dann so versorgen, daß es bis zur Geburt heranwachsen und auf die Welt kommen kann. Was da geschieht, diese lebensspendende Kraft, die Gott in die Frau gelegt hat, ist ein Wunder, wahrhaft staunenswert.
In ihrem Monatszyklus ist die Frau nur während einer kurzen Zeit empfängnisbereit. Nach Gottes Plan dauert diese Bereitschaft, die Ovulation, nur einen Tag im ganzen Zyklus. Außerdem sondert die Frau in dieser Phase einen speziellen Schleim ab, in dem der Same des Mannes länger befruchtungsfähig bleibt. Daher kann die Empfängnis innerhalb von 72 Stunden während eines Zyklus stattfinden.
Wann die Ovulation stattfindet, läßt sich durch Zeichen des weiblichen Körpers erkennen. Wichtig ist nun die Erkenntnis: Außerhalb der Ovulationsphase kann die Frau nicht empfangen. Der Mann jedoch ist immer fruchtbar.
Diese Fakten sollten wir nun kurz bedenken: Obwohl die Frau die längste Zeit während des Zyklus unfruchtbar ist, nehmen zahllose Frauen täglich Verhütungspillen. Dies ist genaugenommen völlig unsinnig, denn die tägliche Einnahme der Pille schadet ihnen. Muß man da nicht sagen, daß die Medizin verrückt ist? Und die Frauen, die sich das Tag für Tag antun? Ist das nicht Ausdruck eines weltweiten Mangels an Weisheit?
Der allmächtige Gott hat also der Frau und dem Mann die Macht anvertraut, Leben zu spenden: das Geschenk der Fruchtbarkeit. Was aber sah Er in Seinem Plan vor, wenn es um die Hingabe des einen an den anderen geht? Jedenfalls etwas anderes, als uns vorgegaukelt wird. Denn wer heute im Kino oder im Fernsehen einen Film anschaut, sieht: Ein Bursch trifft ein Mädchen - und schon geben sie sich hin. Sie wissen nicht einmal recht, wer der andere ist.
Nun hat Gott zwar vorgesehen, daß sich Mann und Frau einander im Sexualakt hingeben. Dieser Akt setzt aber eine wahre, ganzheitliche Hingabe an den anderen voraus. In der Sprache des Leibes sagen sie zueinander: ich liebe dich. Was bedeutet das aber? Daß Mann und Frau zunächst an einer Freundschaft bauen, zuerst im Herzen eins zu werden beginnen, dann eine körperliche Anziehung und schließlich den Wunsch zur vollständigen Hingabe an den anderen - inklusive Fruchtbarkeit - wachsen verspüren. Nur so ist der Akt ein Geschenk der Liebe, ein lebensspendendes Geschehen.
So wird offenbar, warum Gott den Menschen als Mann und Frau geschaffen hat: Damit sie Partner, Mitarbeiter Gottes in einem Schöpfungsakt seien, in einem Akt, durch den ein neuer Mensch ins Leben tritt.
Wohlgemerkt: Bei diesem Geschehen handeln nicht nur die Frau und der Mann. Es ist Gott, der an diesem Schöpfungsakt mitwirkt. Denn Gott schafft die Seele des empfangenen Menschen. Und jedes Mal, wenn ein neuer Mensch ins Dasein tritt, verändert sich die Welt - und zwar für alle Zeiten. Noch einmal: Damit neues menschliches Leben entsteht müssen drei mitwirken: der Mann, die Frau und Gott. Wir sprechen von Prokreation.
Wenn nun im Sexualakt der wunderbare Moment eintritt, daß Gott bereit ist, mit dem Menschen zu schaffen, so wird auch offenbar: Das Leben ist ein Geschenk Gottes. Das Leben ist kostbar! Und wir können erkennen, daß Gott die Menschheit noch nicht aufgegeben hat, denn ein neues Kind tritt ins Dasein.
Weil das Leben ein Geschenk ist, gibt es weder reproduktive Rechte, noch das Recht auf ein Kind, kein Recht auf “meinen Bauch", kein Recht auf “meine Entscheidung, my choice". Das ist Unsinn. Das einzige Recht, das es gibt, hat das neue Leben, nämlich beschützt zu werden. Denn das Leben ist unantastbar. Es ist Anlaß zur Dankbarkeit für dieses kostbare Geschenk Gottes.
Die Kirche sagt uns nun: Wird das Leben bei diesem Akt - obwohl Gott Leben schenken könnte - gezielt ausgeschlossen, dann wird wider die Natur des Geschehens gehandelt. Dann wird der Akt zur Handlung gegen dessen ursprünglichen Sinn, die Konzeption. Die Verhütungspille macht die vollständige Hingabe unmöglich und die Sterilisation beraubt den Akt seines tiefen Sinnes. Es ist, wie wenn wir mit dem Kugelschreiber ins Auge stechen, um die Sehkraft zu erhöhen. All das ist wider die Vernunft - und unmoralisch, ein Übel, gegen die Natur des Menschen und den Plan Gottes. Als Volk gehen wir daran zugrunde.
Wir stehen hier vor derselben Situation wie immer: Es ist Satan, der uns sagt: Tu, was du willst, es gibt keine Grenzen! Und das Ergebnis? Über kurz oder lang gibt es in Europa keine Menschen mehr.
Bevor die Verhütungspille auf dem Markt war, zielte der eheliche Akt auf Liebe und Leben im Einklang mit Gott. Die Verhütungsmentalität hat den eigentlichen Sinn der Sexualität verändert, den Ehevertrag seines zentralen Anliegens beraubt. Sie macht die Ganzhingabe des einen an den anderen - inklusive der Gabe der Fruchtbarkeit - unmöglich. Dieses Geschenk wird bewußt verworfen - was die Natur der Ehe verändert.
Gottes Weisheit hat diesen Akt lustvoll sein lassen, damit der Mensch sich auf ihn einläßt. Ähnlich ist es ja mit dem Essen: Wir brauchen es zum Leben, und es macht Freude. Wer den Appetit verliert, muß künstlich ernährt werden. Wem es aber nur um den Essensgenuß geht, ißt nicht mehr, um zu leben, sondern lebt, um zu essen. Er verliert das Maß.
Damit andere leben können, hat Gott den Sexualakt eingerichtet und genußvoll sein lassen. Wird nun aber der Genuß allein gesehen und die Gelegenheit, Leben zu schenken, ausgeschaltet, dann beginnt der Mensch für den Genuß zu leben. Wo also Gott und das Leben aus dem Sexualakt eliminiert werden, ändert sich dessen Charakter. Genuß wird so zu seinem einzigen Inhalt, getrennt von Gott, Liebe und Leben.
Die Folgen der Kontrazeption sind weitreichend: Sobald man Gott und das Leben ausschaltet, verliert man jedes Argument gegen die Homosexualität. Denn es gibt nur eine einzige Grundlage, auf der man sagen kann, Homosexualität sei ungeordnet: daß man eine vorgegebene Ordnung für die Sexualität anerkennt.
Wird der Akt vollständiger Hingabe in Liebe zu einer Handlung, die primär auf Lust zielt, so wird auch das Konzept der Familie, die von Gott vorgesehene Form der Zeugung, des Gebärens, des Großziehens von Leben in einem liebevollen Umfeld in Frage gestellt. Dann wird der andere nämlich zum Objekt der eigenen Befriedigung - und damit austauschbar. Denn wo es heißt: Ich liebe dich, dort kann man weder das Ich noch das Du austauschen. Wo es aber heißt: Ich liebe den Genuß, dort kann jeder ersetzt werden.
“Humanae vitae" drückt die Weisheit Gottes aus. Die Liebe zwischen Mann und Frau ist ein Abbild der Liebe Christi zu Seiner Kirche, ein “großes Geheimnis", wie der Apostel Paulus sagt. Mann und Frau verwalten damit eines der sieben Sakramente. Ihnen ist nicht nur das Geschenk des Lebens und die gegenseitige Hingabe anvertraut, sondern die Hingabe Christi an den anderen. Wer diese Konstellation angreift, greift also das Fundament an. 40 Jahre nach “Humanae vitae" sehen wir die Folgen der Ablehnung dieser Enzyklika. Es droht die Zerstörung von Gottes wunderbarem Plan: die Ablehnung und Auflösung der Ehe, die Anerkennung der Homosexualität, der Pornographie, das Schrumpfen der Bevölkerung in den reichsten Ländern der Welt.
Die vom Autor gegründete Bewegung “Helpers of God's Precious Infants" hat weltweit durch ihren Gebets- und Beratungsdienst vor Abreibungskliniken einer Unzahl von ungeborenen Kindern das Leben gerettet (allein in Österreich rund 10.000) und zur Schließung zahlreicher Abtreibungsstätten beigetragen.
Dieser Beitrag ist der redaktionell überarbeiteter Auszug aus einem Vortrag am 6.12.07 im Lebenszentrum Wien.