VISION 20001/2008
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Heimwärts

Artikel drucken Gedanken über den eigenen Tod (Von Maria Loley)

Hoffnung, die wirklich tragfähig ist, muß eine über den Tod hinausgehende Perspektive haben. Wie fest der Halt ist, den eine solche Vision dem eigenen Leben geben kann, zeigt das folgende Zeugnis.

Einige Male habe ich in meinem Leben erfahren, daß Gott mich nicht im Stich läßt. Diese Gewißheit wurde mir stets in todesnahen Situationen geschenkt, aus denen ich gerettet wurde, um hier im Diesseits weiterleben zu dürfen.

Durch diese Erlebnisse hat sich in mir die Überzeugung: “Ich bin nie im Stich gelassen." enorm gefestigt. Das ist die Hoffnung, die mich trägt. Sie vermittelt mir einen tiefen Frieden und die Erfahrung einer Geborgenheit, die im Grunde genommen durch nichts wirklich infrage gestellt werden kann.

Was bedeutet dies nun aber für meine jetzige Situation, wo ich mich schließlich eindeutig in meiner letzten Lebensphase befinde? Klarerweise ist mir bewußt, daß mein Tod nicht allzu ferne ist. Das irdische Überleben kann also nicht der ausschlaggebende Maßstab für das Geborgensein in Gott sein.

Jetzt bekommt die Gewißheit, von Ihm gehalten zu sein, eine neue Dimension. Sie bereitet mich für das Heimgehen zu Gott vor: Über dem Dunkel des Todes breitet sich in mir immer stärker ein Licht aus. Und so gehe ich nicht etwa einem Absinken ins Nichts entgegen, sondern in mir wächst sehr stark das Bewußtsein, daß ich dabei bin heimzugehen.

Eine Schriftstelle aus den Abschiedsreden kommt mir dabei häufig ins Gedächtnis. Jesus sagt da, daß Er zum Vater geht, um uns dort eine Wohnung zu bereiten. Und dann “komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin." (Joh 14,3)

Diese Verheißung bereitet mir eine unwahrscheinlich große Freude - dort zu sein, wo Jesus ist! Von diesem Wort geht die Gewißheit einer unermeßlichen Freude aus. Sie strahlt zusammen mit der weiteren Gewißheit, nicht im Stich gelassen zu sein, in mein diesseitiges Leben herein. Damit wird dieses Heimgehen eine Erfahrung des alltäglichen Lebens. Ich gehe ständig auf den Herrn zu.

Diese Sicherheit hilft mir auch, halbwegs mit den Beschwerden zurechtzukommen, die sich auf diesem Heimweg einstellen. Das Leben nimmt eben in konkreten Schritten ab: das Gehen wird schlechter, die Stimme (die Singstimme) nimmt ab, ich sehe immer weniger gut, das Gleichgewicht funktioniert nicht... Diese Erfahrung des Abnehmens der eigenen Fähigkeiten ist sehr mühsam - immer wieder mühsam. Aber das gehört nun einmal zum Heimgehen dazu.

In Phasen, in denen dieser Abbau recht schwer zu verkraften ist, klage ich beim Herrn. Wohlgemerkt: Ich beklage mich nicht! Ich klage Ihm. Und Er reagiert gütig und mild. “Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen." (Mt 11,28)

Genau das passiert. Und zwar: immer wieder und ganz konkret. Ich erinnere mich da an eine bestimmte Situation: Damals hatte ich mehrere Wunden im Mund - sehr schmerzhafte. Nach der Kommunion habe ich Jesus gesagt: “Es tut so weh!" Und da machte ich plötzlich die Erfahrung: Er legt Seine Wange auf meine! Welche Stärkung! Noch heute bin tief davon berührt.

Die jetzige Zeit wachsender Mühsal, abnehmender Körperkräfte ist einerseits sicher ein Verlusterlebnis. Andererseits geschieht dieser Abbauprozeß nur irgendwie an der Oberfläche. Ich erlebe nämlich gerade auch in meiner jetzigen Lebensphase durchaus eine Weiterentwicklung. Ich möchte beinahe sagen, daß es sich bei diesem Geschehen sogar um einen Gewinn handelt.

Dieser besteht darin, daß ich Jesus näherkomme. Wenn ich verschiedene Möglichkeiten, die mir bisher zur Verfügung standen, aufgebe, so bekommt Er neue Möglichkeiten, mich zu beschenken. Wo ich bereit bin, Fähigkeiten abzugeben, wächst in mir die Fähigkeit, neue Gnaden zu empfangen.

Und so mache ich die Erfahrung, daß mir Jesus insgesamt fortgesetzt näher kommt. Zwischen Ihm und mir wächst ein immer innigeres Miteinanderleben. Allerdings kann ich diese Nähe Jesu nicht wirklich gut beschreiben. Man kann sie zwar erfahren, aber nicht wirklich beschreiben. Wer sie erfährt, weiß darum.

Wenn ich ehrlich bin, ist immer noch ein gewisses Restverlangen in mir, Vorträge zu halten - obwohl ich genau weiß, daß ich es eigentlich nicht mehr kann. Aber die Erinnerung, daß diese Tätigkeit schön war, ist in mir sehr lebendig. Und all das übergebe ich dem Herrn immer wieder von neuem.

Sehr oft denke ich an folgende tröstlichen Worte des Herrn: “Ich werde den Vater bitten und Er wird euch einen anderen Beistand geben..." Und Jesus schließt dieses Versprechen mit der Zusage, er werde für immer bei uns bleiben... (Joh 14,16). An dieser Zusicherung - Jesus hat sie im Angesicht Seines bevorstehenden qualvollen Todes gemacht -, daß wir den Heiligen Geist empfangen, kann ich einfach nicht zweifeln. Er hat es gesagt - und das ist für mich eine absolut feststehende Gewißheit. Es kommt nur darauf an, daß wir unser Inneres öffnen und Ihn eintreten lassen. Daher bete ich täglich mit großem Vertrauen zum Heiligen Geist.

Erst kürzlich habe ich im Matthäus-Evangelium von der Heilung der zwei Blinden gelesen. Jesus fragt sie: “Glaubt ihr, daß ich das tun kann?" Und sie: “Ja, Herr." Worauf er sagt: “So, wie ihr glaubt, geschehe euch." - und sie sehen. Es kommt also darauf an: Glaube ich Ihm? Und um diesen Glauben bitte ich Ihn immer wieder. Und dieser Glaube vertieft sich jetzt in mir. Das ist das große Geschenk in dieser Zeit des Abnehmens des physischen Lebens. Ich freue mich auf das Heimgehen. Es wird ein großes Staunen sein - von Angesicht zu Angesicht.

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