VISION 20001/2008
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Hoffnung und Optimismus

Artikel drucken Eine wichtige Unterscheidung (Von Wolfram Schrems)

Es geht aufwärts - ist so etwas wie ein Dogma der Moderne. Daher ist Optimismus eine ihrer Grundtugenden. Er wird oft mit der Hoffnung verwechselt, steht tatsächlich aber geradezu im Widerspruch zu dieser christlichen Tugend.

Durch das Rundschreiben Spe Salvi hat Papst Benedikt die Tugend der Hoffnung wieder stärker ins Bewußtsein der Gläubigen gerückt. Wir leben in einer dunklen und verworrenen Zeit. Somit haben wir genügend Anlaß, uns mit größerer Aufmerksamkeit auf die Hoffnung zu besinnen. Dazu einige Klärungen. Worauf bezieht sich die christlich verstandene Hoffnung? Sagen wir es geradeheraus: Die Hoffnung des Gläubigen bezieht sich darauf, am Ende nicht verdammt zu werden, sondern die ewige Erfüllung zu erreichen. Die Hoffnung ist die Antwort des Christen auf die Zusage Gottes, ihm das Heil schenken zu wollen. Somit besitzt der Gläubige das Heil schon in gewisser Hinsicht (vgl. Röm 8, 24), kann es aber auch noch verlieren (vgl. Hebr 3, 12).

Die Hoffnung steht fest in der Überzeugung, daß Gott bei denen, die Ihn lieben, alles zum Guten führt (vgl. Röm 8, 28) und ihnen das bereitet, was kein Auge gesehen hat und in keines Menschen Herz gedrungen ist (vgl. 1 Kor 2, 9). Das heißt, daß der hoffende Christ im Vollzug seines Lebens den Willen Gottes sucht, ihn nach bestem Wissen und Gewissen erfüllt, sich ausdrücklich zu Jesus Christus bekennt und mit Hilfe der Kirche und der Sakramente, besonders des Bußsakramentes, aktiv sein Leben ordnet. Die Garantie für die Wahrhaftigkeit der Verheißung des ewigen Lebens ist die Verkündigung, der Tod und die Auferstehung Jesu, also objektive geschichtliche Tatsachen, die von der ganzen Kirche als wahr bezeugt werden. Somit kann die Hoffnung an eine konkrete Wirklichkeit anknüpfen. Sie überschreitet jeden ungeschichtlichen Mythos und selbstausgedachte Ideologien (die ja niemals echte Hoffnung bieten können).

Der Inhalt der Hoffnung, also das, worauf der Gläubige hofft, ist die Begegnung mit Gott, das “letzte Ziel" des Menschen jenseits der Todesschwelle (1 Thess 4, 13ff). Das heißt auch, daß sich die Hoffnung nur in einem übertragenen, uneigentlichen Sinn auf Erfüllungen innerhalb des Lebens bezieht, so gut und wertvoll diese auch sein mögen: Gesundheit, Liebesglück (“sich Hoffnungen machen" meint im alltäglichen Sprachgebrauch geradezu das), gesellschaftliches Ansehen, politische Freiheit, erfüllende Arbeit und wirtschaftlicher Erfolg u. dgl. Das ist, versteht man “Hoffnung" im gerade skizzierten biblischen Sinn, nirgendwo in Aussicht gestellt, geschweige denn garantiert. (Im Gegenteil kann ein nach irdischen Maßstäben “rundum glückliches und zufriedenes Leben", wie man oft sagt, von der Hoffnung geradezu wegführen. Dann wäre das Weltliche an die Stelle Gottes gesetzt und das würde in die Verzweiflung führen.)

Noch zwei mögliche Inhalte der Hoffnung gibt es, die vom Glauben her nicht gemeint sind, nämlich im Bereich der Weltpolitik und der Kirche: Viele Menschen hoffen ja auf Frieden und eine gerechte Weltordnung. Die christlich bestimmte Hoffnung rechnet aber genau damit nicht (vgl. Mk 13, 2 Thess 2, 3ff). Wir sehen jetzt schon, daß die internationalen Strukturen, etwa die Europäische Union, immer stärker diktatorisch in die Staaten eingreifen und Freiheit und christliches Bekenntnis immer mehr einschränken. Die Politik hat die Aufgabe, das private und soziale Leben der Menschen zu beschützen und zu fördern, aber nicht, utopische “Hoffnungen" zu machen. Und sollte eine internationale Organisation oder ein pseudo-messianischer Politiker “weltweiten Frieden" versprechen oder gar zustande bringen, darf man nicht vergessen, daß auch in einer totalen Tyrannis sozusagen “Friede" herrscht. Das ist jedenfalls kein Gegenstand christlicher Hoffnung. Was andererseits die Kirche anlangt, so bezieht sich die christliche Hoffnung nicht darauf, daß sie eine große und erfolgreiche Einrichtung bleibt. Oder daß sie in unseren Heimatländern weiterexistieren wird. Von Jesus ist nur der Bestand der Gesamtkirche unter Petrus und seinen Nachfolgern garantiert (Mt 16, 18).

In welchen Gegenden die Kirche dann noch bestehen und wie viele Gläubige sie noch umfassen wird, darüber brauchen wir uns weder Kopfzerbrechen noch auch Illusionen zu machen (vgl. Lk 18, 8). Das alles soll aber unsere je persönliche Hoffnung auf ewige Erfüllung nicht beeinträchtigen. Klingt das nicht alles recht pessimistisch? Dazu eine Begriffsklärung (für die ich dem katholischen Philosophen Josef Pieper meinen Dank abstatte): “Optimismus" und “Pessimismus" bezeichnen zunächst einmal Gefühlszustände. Diese führen sich auf viele Einflüsse zurück: Erbanlagen, Erziehung, Erfahrung u. dgl. Manche Menschen haben von Natur aus ein heiteres Gemüt, andere nicht. Das ist aber, vergleichbar mit Körpergröße und Haarfarbe, eine gewissermaßen “zufällige" Tatsache.

Etwas ganz anderes ist, wenn jemand den Optimismus gleichsam als weltanschauliche Meinung kultiviert, etwa in dem Sinn einer Annahme, daß alles gut weitergehen oder gut zu Ende gehen wird, daß die Zukunft automatisch Gutes bringe usw. Hinter solchen Formen von Optimismus steckt immer ein gewisser Selbstbetrug, besonders wenn er aus esoterischen und politischen (nämlich totalitären) Ideen gespeist ist (wenn ein solcher Optimist nicht überhaupt ein sehr oberflächlicher Mensch ist). Manch einer verkündigt laut “Lebensqualität" und “Lebenskunst" - und doch weiß seine Seele zutiefst, daß sie auf diesem Weg nichts zu hoffen hat. Wer mit Gott nicht im reinen ist, dem hilft kein “positives Denken". Optimismus und Verzweiflung gehen sehr wohl oft Hand in Hand.

Im Gegenzug sehen wir, daß es Menschen gibt, die Unglück getroffen hat, die schwer an der Situation der Welt tragen (vgl. 1 Joh 5, 19), die in vielem gescheitert sind, immer wieder zurückgeworfen, verlassen, verraten und verleumdet wurden, in vieler Hinsicht “Pech" hatten und daher jede Berechtigung haben, “pessimistisch" zu sein - und doch im Innersten von der Hoffnung getragen sind, daß sie auf dem richtigen Weg sind, dem schmalen und steilen, der ins ewige Leben führt. Hier ist kein platter Optimismus, sondern die Überzeugung, daß die Widrigkeiten zu einem Leben des Glaubens gehören, aber daß es eben wirklich Gott ist, mit dem sie es zu tun haben. Das gibt auch wieder Kraft zum Weitermachen. Fassen wir also zusammen: Die Hoffnung gibt uns die Energie, uns auf das verheißene Ziel hin, die Freude bei Gott, auszustrecken. Sie bewahrt uns vor der Dominanz des Vorläufigen und Vergänglichen, vor falschen Heilsversprechen, aber auch vor dem Versinken in den vielen Katastrophen der Welt.

Die Hoffnung schützt uns vor dem Irrtum, irdisches Glück und weltliche Wohlfahrt als höchstes Gut zu betrachten - und bei dessen Verlust zu verzweifeln. Und endlich schließt sie die Verzweiflung selbst aus, eine der mächtigsten Waffen des Teufels. Nehmen wir das Rundschreiben unseres Papstes zum Anlaß, wieder tiefer in das Geheimnis der Hoffnung einzudringen.

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