Hoffen - das ist nicht dasselbe wie positiv zu denken, wie es die moderne Gesellschaft uns heute nahelegt. Wir neigen nämlich derzeit dazu, in dieser theologalen Tugend einen Hang zum Optimismus zu sehen. Hier geht es aber nicht um eine Haltung, die mit der Methode Coué verwandt ist, sondern das Wesen der Hoffnung besteht in der vorweggenommenen sicheren Annahme dessen, was Gott uns schenken möchte.
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Die Neuzeit hat uns mit ihrer wissenschaftlichen Entwicklung so mächtige Instrumente in die Hand gegeben, daß der Mensch die Vorstellung entwickelte, er sei selbst seines Glückes Schmied. Gott hätte ausgedient. Das 20. Jahrhundert jedoch mit seinen Millionen von Toten im Ersten Weltkrieg, mit dem Sowjetreich, dem Nationalsozialismus, der Bombe vom Hiroshima hat den Beweis erbracht, daß der wissenschaftliche Fortschritt kein Heilsweg ist. Der Mensch muß seine Entscheidungen durch seine Freiheit und seine Vernunft beherrschen.
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Wie sollen sich die Christen unter diesen Umständen verhalten? Sollen sie sich als Einsiedler auf die Berge zurückziehen, während die Ungläubigen sich in der Ebene zugrunderichten? Da sagt der Papst: nein. All diese Katastrophen rühren daher, daß man den Fixpunkt von außen abgelehnt hat. Dieser ist ja nicht unerreichbar für die Menschheit, da Christus ja Mensch geworden ist. Gerade weil Er ganz anders ist, bringt uns Seine Ähnlichkeit ja etwas. Und daher beschließt der Papst seine Enzyklika auch, indem er uns auf Lern- und Übungsorte der Hoffnung hinweist: auf das Gebet und die Aktion.
Kardinal André Vingt-Trois
Antworten d. Pariser Erzbischofs auf Fragen in “Famille chrétienne" v. 8.-14.12.07