Mit einem Hymnus aus dem 8./9. Jahrhundert grüßt die Kirche seit mehr als 1.000 Jahren Maria, die Mutter des Herrn, als “Meeresstern": Ave maris stella. Menschliches Leben bedeutet Unterwegssein. Zu welchem Ziel? Wie finden wir die Straße des Lebens? Es erscheint wie eine Fahrt auf dem oft dunklen und stürmischen Meer der Geschichte, in der wir Ausschau halten nach den Gestirnen, die uns den Weg zeigen. Die wahren Sternbilder unseres Lebens sind die Menschen, die recht zu leben wußten. Sie sind Lichter der Hoffnung. Gewiß, Jesus Christus ist das Licht selber, die Sonne, die über allen Dunkelheiten der Geschichte aufgegangen ist.
Aber wir brauchen, um zu ihm zu finden, auch die nahen Lichter - die Menschen, die Licht von seinem Licht schenken und so Orientierung bieten auf unserer Fahrt. Und welcher Mensch könnte uns mehr als Maria Stern der Hoffnung sein - sie, die mit ihrem Ja Gott selbst die Tür geöffnet hat in unsere Welt; sie, die zur lebendigen Bundeslade wurde, in der Gott Fleisch annahm, einer von uns geworden ist, unter uns “zeltete" ?
Darum rufen wir zu ihr: Heilige Maria, du gehörtest zu jenen demütigen und großen Seelen in Israel, die - wie Simeon - “auf den Trost Israels warteten", wie Anna auf die “Erlösung Jerusalems" hofften. Du lebtest in den heiligen Schriften Israels, die von der Hoffnung sprachen - von der Verheißung, die Abraham und seinen Nachkommen geschenkt war. So verstehen wir das heilige Erschrecken, das dich überfiel, als der Engel Gottes in deine Stube trat und dir sagte, du sollest den gebären, auf den Israel hoffte, auf den die Welt wartete. Durch dich, durch dein Ja hindurch sollte die Hoffnung der Jahrtausende Wirklichkeit werden, hineintreten in diese Welt und ihre Geschichte. Du hast dich der Größe dieses Auftrags gebeugt und ja gesagt: “Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe nach deinem Wort".
Papst Benedikt XVI.
Auszug aus “Spe salvi" (aus den Abschnitten 49,50)