VISION 20001/2008
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Benigna Consolata Ferrero

Artikel drucken Botschaft an uns (Von Urs Keusch)

Vor einigen Tagen schrieb mir eine ältere Frau: “In unserer Kindheit und Jugendzeit vermittelte man uns das Bild eines strengen und strafenden Gottes. Wie befreiend war es, als wir später hörten: Gott ist die Liebe, und wie staunt man über den Barmherzigen Jesus, den wir durch Schwester Faustyna kennen lernen durften!"

Viele Menschen, vielleicht ganze Generationen von Gläubigen, haben am Bild eines strengen und strafenden Gottes mehr oder weniger gelitten - und leiden heute noch. Sie fanden nicht den Weg zum Vertrauen in die Liebe und Barmherzigkeit Gottes, wie ihn die hl. Theresia vom Kinde Jesu für sich neu entdeckt und ihn in ihren Schriften der Kirche als “kleinen Weg" strahlend und hinreißend vor Augen geführt hat. Mit dem Beispiel der hl. Theresia, später mit der Botschaft der hl. Faustyna Kowalska, wurde ein neuer pfingstlicher Aufbruch an Vertrauen und Liebe in die Kirche getragen.

Nun wissen viele katholische Christen nicht, daß es bereits vor Sr. Faustyna einen solchen Aufbruch in der Kirche gegeben hat, der sich vor allem nach dem 1. Weltkrieg wie ein Lauffeuer über die Erde verbreitete (Europa, USA, Mexiko, Brasilien, Chile, Alaska, Ceylon, Madeira, Malta, bis nach China). Er ging von einer Schwester aus, die Jesus an verschiedenen Stellen “Apostolin meiner Barmherzigkeit" oder “Sekretärin meines Herzens" nannte, Titel, die Jesus auch Sr. Faustyna zugesprochen hatte. Es war Sr. Benigna Consolata Ferrero, die - wie Theresia von Lisieux - sehr jung im Rufe der Heiligkeit starb, nämlich mit 31 Jahren (5.8.1885-1.9.1916). Schon wenige Jahre nach ihrem Tod sind hunderte von Gebetserhörungen eingegangen, der Seligsprechungsprozeß wurde schon 1925 eröffnet.

Maria Consolata Ferrero wurde als drittes von 4 Kindern in einem vermögenden Hause in Turin geboren. Nach einer gediegenen Schulausbildung und Tätigkeit zu Hause, trat sie mit 22 Jahren in das Kloster des Ordens der Heimsuchung Mariens in Como (Oberitalien) ein. Maria Consolata, so hieß sie vor ihrem Klostereintritt, wuchs in einer liebevollen, herzlichen und von wahrer Frömmigkeit geprägten Familienatmosphäre auf. Das Herz des Erlösers war der “Feuerherd der Liebe" für die ganze Familie, und wurde es für Maria Consolata immer mehr! Sie war ein aufgewecktes Kind, empfindsam und zartfühlend, aber hatte gleichzeitig einen starken, ja, etwas eigensinnigen Charakter.

Schon als Kind machte sich bei ihr eine starke religiöse Neigung bemerkbar und ein ebenso starkes Ergriffensein von den Schönheiten der Schöpfung, wie wir es auch bei Theresia von Lisieux kennen. Vom 17, Lebensjahr an vernimmt Maria Consolata in ihrem Innern die Stimme des Herrn. Jesus macht ihr Mitteilungen, die sie im Auftrag ihres Beichtvaters in Hefte schreiben muß. Schon am Anfang dieses mystischen Weges “teilte ihr Jesus das Verständnis jenes geheimnisvollen, unstillbaren ,Mich dürstet' mit, Seines Durstes nach Seelen, den so wenige verstehen", wie der Biograph schreibt. Es ist jener Durst, der auch für die hl. Theresia von Lisieux und später für Mutter Teresa von so zentraler Bedeutung war.

Jesus führt seine Freundin immer tiefer in Seine Liebe ein, in die Sehnsucht Seines Herzens nach Liebe. Es ist die Sehnsucht nach der Liebe der Menschen.

Maria Consolata geht unbeirrt den steilen Weg der Selbstüberwindung, den Jesus sie lehrt: er wird immer mehr zu einem Weg der Liebe und des Vertrauens in die “zärtliche Barmherzigkeit unseres Gottes" (Lk 1,78). Es ist “der kleine Weg" voll Hoffnung und Liebe für alle, die Gott herzlich lieben wollen.

Viele Aufzeichnungen von Sr. Benigna könnten in den Schriften der hl. Theresia von Lisieux oder der seligen Mutter Teresa stehen (letztere hat ihre Schriften gekannt). Alles kreist um die Sehnsucht der gekreuzigten Liebe nach Seelen, der Sehnsucht des Herzens eines Mensch gewordenen Gottes.

Einmal fragt Benigna Consolata ihren Herrn: “Was findest Du denn eigentlich an den Seelen, daß es scheint, Du könntest ohne sie nicht leben? Du bist doch unendlich selig in Dir selbst, Du hast die Engel!" Darauf antwortet ihr Jesus in der in ihren Schriften so typisch vertrauten, liebevollen, ja, zärtlichen Art: “Liebe Benigna! Das ist wahr, was du sagst, alles ist wahr! Aber es ist auch wahr, daß ich ein menschliches Herz habe und daß ich die Menschen liebe. Ich habe es dir bereits gesagt, aber ich sage es dir noch einmal, damit du es niederschreibst, meine kleine Sekretärin. Ich werde dafür sorgen, daß es gelesen wird, damit man an meine ganz maßlose Liebe glaubt. Es sind ja meine Brüder, die Menschen, es sind ja meine Brüder!"

Die Verheißung hat sich erfüllt: Nach ihrem Tode (1916) sind auf Empfehlung vieler Bischöfe ihre Kleinschriften - man schätzt zu Millionen - in die Welt hinausgegangen und haben einen unermeßlichen Segen an Hoffnung in die Welt getragen.

Viele Menschen, niedergebeugt von der Angst vor einem gerechten Gott, konnten diese Last ablegen und sich der Hand des liebenden Gottes anvertrauen, der von sich sagt: “Lernt von mir, ich bin sanft und demütig von Herzen." (Mt 11,29)

Wir wissen auch, daß eine Lebensbeschreibung von Benigna Consolata die Lieblingslektüre der Heiligen Faustyna gewesen war! Wir lesen in Faustynas Tagebuch Stellen, die sich fast wörtlich in den Schriften von Benigna Consolata finden, etwa: “Ich bereite das Werk meiner Erbarmungen vor. Ich will eine neue Auferstehung der menschlichen Gesellschaft, und dieses Werk soll sich durch die Liebe vollziehen."

Einmal sagte Jesus zu Benigna Consolata: “Ich suche nichts so sehr, als immer Barmherzigkeit zu üben. Wenn ich von meiner Gerechtigkeit Gebrauch machen muß, so ist es mir, als müßte ich gegen den Strom schwimmen; ich muß mir Gewalt antun."

1914, als der 1. Weltkrieg ausbricht, wenden sich die Vorgesetzten an Sr. Benigna Consolata, sie möge doch “durch ihre Gebete das Ende dieser furchtbaren Geißel herbeiführen". Benigna Consolata fleht Jesus inständig an, doch dieser gibt ihr mit “zärtlichen Trostworten" zu verstehen, “der Krieg sei keine Strafe der göttlichen Gerechtigkeit, sonst hätte die ganze Welt ihrer vielen Sünden wegen schon vernichtet werden müssen - sondern er sei eine Strafe aus Barmherzigkeit zur Rettung vieler Seelen, die sonst ewig verloren gegangen wären."

Eine “Strafe" aus Barmherzigkeit, also nichts als Barmherzigkeit! Man kann solche Worte nicht tief genug in sein Glaubensbewußtsein aufnehmen. Der von der Liebe Gottes erleuchtete Blick, mit dem wir auf die Ereignisse der Welt schauen - mögen sie noch so erschütternd und schrecklich sein! - , wird uns immer wieder die unergründliche barmherzige Liebe Gottes erkennen lassen.

Diesen österlichen Blick zu üben, die Ereignisse in der Welt und im persönlichen Leben im Lichte der barmherzigen Liebe Gottes zu sehen, sie in ihrer Tiefe zu sehen, von Gottes österlicher Barmherzigkeit her: das war die Sendung dieser wunderbaren und in ihrer Güte und Milde so hinreißenden Frau, zu der Jesus wiederholt sagte:

“Schreibe, liebe Benigna, Apostolin meines Erbarmens, schreibe, daß es mein Hauptwunsch ist, die Menschen möchten erkennen, daß ich ganz Liebe bin und daß es der größte Schmerz ist, den man meinem Herzen bereiten kann, wenn man an meiner Güte zweifelt. Mein Herz erbarmt sich nicht nur, nein, es freut sich, je mehr man ihm zur Wiedergutmachung überläßt... Rufe laut hinaus, damit alle es hören, daß ich Hunger und Durst habe, ja, daß ich vergehe vor Verlangen, Eingang zu finden in die Herzen meiner Geschöpfe. Ich weile im Sakrament meiner Liebe für meine Geschöpfe, und wie wenig wissen sie dies zu schätzen."

Benigna Consolata Ferrero, die - wie Mutter Teresa - mit jeder Faser und mit jeder Regung ihres Herzens und ihrer Hände, mit jedem Wort, mit jedem Blick und Lächeln, durch unzählige Anfechtungen und Dunkelheiten hindurch, den unendlichen Durst des Herzens ihres gekreuzigten Bräutigams stillen wollte, sollte das in den letzten Wochen ihres Lebens und Sterbens in einer Weise tun müssen, wie es uns auch in der Biographie der hl. Theresia von Lisieux berichtet wird - und uns sprachlos macht und erschüttert.

“Der Heiland ließ mich erkennen, daß auch meine Krankheit eine Mission habe", sagte die 31jährige. “Sie war in ein Meer von äußeren und inneren Leiden versenkt", schreibt der Biograph. Am Herz-Jesu-Freitag um 15 Uhr, dem 1. September 1916, “nach großen physischen und moralischen Leiden, schlug endlich für sie die Stunde der Erlösung". Preis dem Herrn!

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