VISION 20003/2008
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Die schönsten Ostern unseres Lebens

Artikel drucken Folgenreiche Begegnung vor dem Beichstuhl

Meine Frau und ich, wir verbrachten einen dreiwöchigen Kuraufenthalt in Bad Tatzmannsdorf, der auch die gesamte Karwoche einschloß. Weil wir der Meinung waren, nicht nur der Körper, auch die Seele sollte ein umfassendes Training erhalten, haben wir die Zeit für viel gemeinsames Gebet, das Lesen geistlicher Bücher, die Teilnahme an der Werktagsmesse und Exerzitien im Alltag genutzt. Natürlich haben wir auch die gesamte Karwochenliturgie mitgefeiert. Außerdem hatte ich mir vorgenommen, ein Beichtgespräch einzuplanen.

Am Freitag vor dem Palmsonntag fand in der Pfarrkiche eine sehr gut gestaltete Bußandacht statt. Sie war verhältnismäßig gut besucht. An deren Ende teilte der Pfarrer mit, anschließend sei Beichtmöglichkeit, beim Nachbarpfarrer. Da der Andrang nicht allzu groß zu sein schien, begab ich mich in die Nähe des Beichtstuhls, wo wir, eine ältere Frau und ich, auf den Beichtpriester warteten.

Da sah ich in einiger Entfernung eine junge Frau, die irgendwie unsicher und unschlüssig zu sein schien. Ich ging auf sie zu und fragte sie, ob sie etwas suche, ob ich ihr helfen könne. Da entwickelte sich ein längeres Gespräch, das schon fast einer Beichte glich: Der Vater habe schon vor längerer Zeit die Familie verlassen und Frau und zwei Töchter verstört zurückgelassen. Die Ehefrau sei in ein schwarzes Loch gefallen, die Tochter fühle sich als schwarzes Schaf...

Sie würde ja eventuell ganz gerne beichten gehen, aber sie wisse nicht, wie das gehe. Und Gott sei doch ein strafender Gott, der ihr nicht verzeihen könne. Der Priester würde sie wohl zusammenschimpfen und hinausjagen. 30 Jahre sei sie bei keiner Beichte gewesen.

Ich versuchte, ihr Mut zu machen. Der Priester würde sie bestimmt nicht beschimpfen und wegjagen schon gar nicht. Gerade kommende Woche würden wir doch feiern, daß Jesus für uns gestorben ist und uns dadurch aus unseren Sünden und Verstrickungen befreit hat. Gerade sie würde die besten Voraussetzungen für eine gute Beichte mitbringen und der Priester werde ihr bestimmt helfen.

Inzwischen kam die ältere Frau aus dem Beichtstuhl heraus. Ich fragte meine Gesprächspartnerin, ob sie hineingehen wolle. “Nein, zuerst Sie!" Als ich nach etwa einer halben Stunde herauskam, stand sie immer noch da. Nun ermutigte ich sie, sagte ihr, es sei ein ruhiger, netter Priester. “Es wird sicher alles gut gehen." - Und darauf ging sie hinein.

Eigentlich wollten meine Frau, die auf mich gewartet hatte, und ich schon die Kirche verlassen, entschlossen uns dann aber zu bleiben und für den Priester und die Frau zu beten.

Nach einer Dreiviertel Stunde kam sie heraus und verließ rasch die Kirche...

Einige Tage später fand in einem Kaffehaus ein Pilotprojekt der Pfarre statt: ein Gespräch “Über Gott und die Welt" mit katholischen und evangelischen Pfarrer. Wir beschlossen hinzugehen. Und siehe da: Plötzlich kam von einem Nebentisch eine Frau auf uns zu und begrüßte uns überschwenglich. Es war unsere “Freundin".

Als sich auch der evangelische Pfarrer zu uns setzte, war mir das - ehrlich gesagt - nicht ganz geheuer: zwei Katholiken vom Land, ein junger evangelischer Pfarrer, unsere überschwengliche Frau, die von ihrer Beichte, von der Lossprechung erzählte und daß sie jetzt zur Kommunion gehen dürfe. Ich schickte also ein Stoßgebet zum Heiligen Geist.

Und tatsächlich wurde es ein sehr offenes, freundschaftliches und tiefes Gespräch. Beim Heimgehen haben wir vereinbart, uns wieder zu treffen.

In diesen Kartagen ist sie nicht von unserer Seite gewichen, sie konnte ihr ganzes Herz ausschütten.

Im Rückblick muß ich sagen: Noch nie habe ich einen Menschen so intensiv jeden Satz und jede Handlung der Karwochenliturgie mitfeiern gesehen. Was für ein Geschenk für uns beide, meine Frau und mich!

Und so waren diese Ostern für uns drei wohl die berührendsten und schönsten unseres bisherigen Lebens.

Joseph

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