VISION 20004/2008
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Höchste Zeit, den Kurs zu ändern

Artikel drucken Katholiken sollten die Soziallehre studieren

Unsere letzten Päpste sind durchwegs “grün", behauptet Patrice de Plunkett, Autor eines Buches über die Beziehung von Ökologie und christlichem Glauben. Auszug aus einem Interview:

Ist der Fortschritt, den unser Zeitalter so feiert, naturwidrig?

Patrice de Plunkett: Fortschritt ist ein zweideutiges Wort. Die Errungenschaften der Wissenschaften sind vorteilhaft, wenn man sie in rechter Weise nutzt! Allerdings wir seit dem 17.-18. Jahrhundert unter dem Eindruck der Idee einer “Macht-Wissenschaft" und der Vorstellung, die Natur sei eine “Maschine", die dem Menschen (auch er eine “Maschine") ausgeliefert ist, damit er sie grenzenlos ausbeute. Dieses Fortschrittskonzept ist das der Aufklärung. Es hat sich gegen die christliche Sichtweise durchgesetzt. Im Gefolge war es das Leitbild des 19. Jahrhunderts und der industriellen Revolution. Diese hat die Arbeiter zu Sklaven und die Natur zur Baustelle gemacht. Im 21. Jahrhundert sehen wir nun, wie dieses Konzept an Grenzen stößt: Die Natur ist bereits so ausgebeutet, daß ihre Ressourcen abnehmen. Sie gerät aus dem Gleichgewicht. Zwar gibt es Leute, die meinen, die Technologie werde das Natürliche ersetzen können. Aber das ist reine Utopie. Der Mensch kommt ohne die Biosphäre - er ist ja ein Teil von ihr - nicht aus. Er muß einfach seinen Lebensstil und seine Vorstellungen vom Leben ändern: Der wahre Fortschritt wird darin bestehen, die wirtschaftliche Tätigkeit auf ein menschliches Maß zurückzuführen, sich von der Tyrannei des Profitstrebens zu befreien, den Mythos vom unbegrenzten Produktionswachstum aufzugeben. Das ist ohnedies wegen der Erschöpfung der Erdölreserven unumgänglich. Übrigens stehen diese Tyrannei und dieser Mythos im Widerspruch zu den Lehren der Heiligen Schrift.

Wie steht es mit den Zweifeln über die Klimaerwärmung?

de Plunkett: Man hat davon gehört, daß es unter den Wissenschaftlern unterschiedliche Meinungen zum Thema Erwärmung gäbe. Das ist falsch. Die Klimatologen allein sind bis auf weiteres in dieser Frage kompetent. Und sie sind sich einig: Seit Beginn des 20. Jahrhunderts erwärmt sich das Klima, und seit Beginn der achtziger Jahre sogar exponentiell. Jene, die das leugnen, sind jedenfalls nicht Klimatologen. Ebenfalls unzutreffend ist es zu behaupten, die Klimatologen hätten Zweifel über die Rolle der Wirtschaft bei dieser Erwärmung. Ohne diesen Effekt gäbe es die Erwärmung nicht. Sie hängt zusammen mit der weltweiten Verbreitung der Industrialisierung! Keine Frage: Es gibt kleine Gruppen, die das bestreiten. Aber ohne polemisieren zu wollen, halte ich fest: Newsweek und der US-Senat haben diese Gruppen im Jahr 2007 identifiziert: Sie stehen im Sold der Öl-Multis. Wenn es also heißt, die Wissenschaft sei in der Klimafrage uneins, dann weiß man, woher das kommt.

Selbst unter Katholiken gab es Vorbehalte aus Angst vor einer Politisierung der Ökologie. Nun sprechen Sie von “grünen" Päpsten! Johannes Paul II. hat man schon vieles nachgesagt - aber nicht unbedingt das!

de Plunkett: In dieser Frage sind die Katholiken gespalten. Einige nehmen die seit 20 Jahren von Rom und den Bischöfen kommenden Weisungen (sie sind deutlich und gut begründet) in Sachen Ökologie wahr: Erinnert sei an den flammenden Appell Johannes Paul II. zum Weltfriedenstag 1990. Oder die Ansprache Benedikt XVI. an die Jungen in Loretto am 2. September 2007 (beide nebenan). Andere Katholiken stellen sich da taub. Paradoxerweise sind es vor allem jene, die sich als besonders treu empfinden: Das ist eine Art Selbstbedienung. Man nimmt das, was einem zusagt, den Rest hört man nicht. Man sollte aber auf das Lehramt hören: Und wenn die Lehre der eigenen weltlichen Privatmeinung widersprechen sollte, dann zögern Sie nicht: ändern Sie Ihre Meinung. Als Beispiel dafür - ich bitte um Entschuldigung - nehmen Sie meine eigene Entwicklung in ökologischen Fragen. Das hat mich früher kaum berührt. Geändert hat sich das, als ich auf die Kirche zu hören begann...

Ist die Ökologie vom Sozialen zu trennen, grob gesprochen vom “Menschlichen"?

de Plunkett: Die radikale Ökologie (die an die Wurzel geht) hält die Bereiche nicht auseinander. Gesellschaft und Umwelt hängen mit dem Wirtschaftsmodell zusammen. Miteinander bestimmen sie die menschliche Gesellschaft. Will man die Schäden am Menschen und an der Natur heilen, muß man das Wirtschaftssystem ändern, so wie das Benedikt XVI. am 12. November 2006 gefordert hat. Das kann nur die Politik bewerkstelligen. Die Politik allerdings leitet sich vom Menschenbild ab, von der Sozialphilosophie. Und beide entstammen der Welt des Geistes, stehen in Beziehung zum Geistigen! Das alles steht miteinander in Beziehung. Daher ist die Ökologie auch Teil der Soziallehre der Kirche, die alle Katholiken studieren sollten...

Auszug aus einem Interivew in Zenit.org (franz. Ausgabe) v. 27.5.08.
Der Autor ist Journalist und Autor von L'Écologie - De la bible à nos jours.

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