In “Humanae vitae" stellte Papst Paul VI. klar: Weil die sexuelle Hingabe Ausdruck einer Liebe ist, die aufs Ganze geht, darf sie die Fruchtbarkeit nicht ausblenden. 9 Jahre später traf die Glaubenskongregation eine weitere wichtige Klarstellung...
Das Dokument der Glaubenskongregation “Donum vitae", verfaßt von Kardinal Joseph Ratzinger, jetzt Benedikt XVI., stellte 1987 im wesentlichen folgendes fest: Auch die Lebensspendung darf nicht vom Akt der gegenseitigen Hingabe getrennt werden. Denn wo das geschieht, findet eine Entpersonalisierung, eine Entmenschlichung statt. Dann wird das Leben zur Ware, ein Mittel zu einem Zweck. Man wird es zerstören, wegwerfen. Und genau das ist eingetreten.
Blicken wir uns um, was heute geschieht: Da geht etwa eine Frau, die keine Kinder bekommen kann, in eine Klinik, die künstliche Befruchtungen durchführt. Woher kommen die Eizellen, die befruchtet werden sollen? Zum Beispiel von Studentinnen. Sie sind beliebte Lieferantinnen. Kürzlich sah ich ein Plakat, auf dem 8.000 Dollar für eine Spende geboten wurden. “Du kannst dir dein Studiengeld verdienen, indem du unfruchtbaren Eltern hilfst, Kinder zu bekommen", lautete der Text. Oder sie stammen von abgetriebenen Mädchen. Denn das ungeborene Kind mit acht Wochen ist schon mit allen im Leib der Frau angelegten Eizellen ausgestattet. Da man sie nutzen kann, geschieht dies auch.
Ist der Mann hingegen unfruchtbar, wird auf Samen zurückgegriffen, den meist Studenten liefern, die man dazu animiert. So haben wir in den USA Samen- und Eizellenbanken.
Allerdings: Spendest du Samen oder Eizellen, dann mußt du auch deinen sozialen Status angeben, deine Intelligenz testen und ein Persönlichkeitsprofil anfertigen lassen. Unfruchtbare Eltern suchen sich dann aus, welche Art von Genen sie haben wollen.
Das Ergebnis? Dann trägt z.B. eine unfruchtbare Frau ein Kind aus, dessen biologische Mutter (ein abgetriebenes Mädchen) schon tot war, bevor das Kind gezeugt wurde, und dessen Vater (ein Student) nicht einmal weiß, daß er Vater wird. Und das nennen wir dann Fortschritt!
All diese Fälle erklärt “Donum vitae" zu unerlaubten Handlungen. Zurecht. Denn mittlerweile ist ein ganzes System entstanden: die Abtreibungsklinik versorgt die Klinik, die künstliche Befruchtungen durchführt. Dort wiederum werden meist ein Dutzend Eizellen befruchtet, um eine unfruchtbare Frau zu behandeln. Von diesen werden dann vier Kinder eingepflanzt in der Hoffnung, daß wenigstens eines sich einnistet. Die übrigen werden tiefgefroren, um im Falle eines Fehlschlags des Versuchs zum Einsatz zu kommen. Natürlich werden die Kinder vor dem Einpflanzen getestet, um festzustellen, ob sie genetisch unbedenklich sind. Besteht ein Kind den Test nicht, wird es getötet.
Angenommen, alle vier eingepflanzten Kinder nisten sich ein. Was dann? In medizinischen Handbüchern liest man, in diesem Fall sei eine selektive Reduktion anzuwenden: Um die 12. Schwangerschaftswoche bringt man drei der vier Kinder gezielt durch Herzstich um. Schließlich hatte die Mutter ja nur ein Kind in Auftrag gegeben. Und so verkommen Kinder zur Ware.
Nehmen wir einen weiteren Fall an: Nach zwei Fehlschlägen will die Mutter nicht mehr weitermachen. Was geschieht mit den tiefgefrorenen Kindern? An ihnen haben die Forschungslabors der Stammzellforschung großes Interesse. Was geschieht dort? Etwa fünf Tage nach der Zeugung wird den Kindern - man nennt sie Blastozysten - eine Stammzelle entnommen. Sie sind wissenschaftlich von größtem Interesse, weil sich aus ihnen im Prinzip beliebige Organe züchten lassen. In Verbindung mit dem therapeutischen Klonen will man so Ersatzorgane züchten, die vom Empfänger nicht abgestoßen werden. In Kalifornien wurden vor kurzem 3 Milliarden Dollar an Steuergeldern für diese Forschung lockergemacht.
Was geschieht jedoch bei dieser Zellentnahme? Das Kind stirbt dabei. Man erzeugt also ein Kind, läßt es fünf Tage leben, entnimmt ihm dann eine Zelle und tötet es, um ein Organ zu produzieren, damit jemand länger lebt.
So entsteht eine ganze lebensverwertende Industrie: Die Abtreibungsklinik löst die medizinischen, sozialen, finanziellen Probleme der schwangeren Frau durch Abtreibung und liefert das Material für die künstliche Befruchtung; in der einschlägigen Klinik versucht man dann, das Problem unfruchtbarer Eltern zu lösen, und erzeugt so viele Kinder wie möglich - obwohl man sie gar nicht einpflanzt, dann aber an Forschungslabors in Universitäten und Pharmafirmen liefern wird. Und von dort beziehen wir dann Produkte: Mittel, etwa um die Gesichtshaut zu straffen...
Aber man muß bedenken: Die Lieferanten dieser “Wohltaten" sind getötete, ungeborene Kinder! Welche verheerende Bedrohung für unsere Zivilisation! Menschen werden entmenschlicht, zur Ware degradiert. Das gab es bisher noch nie: Im Namen des Fortschritts und der Wissenschaft experimentieren wir mit Menschen, beuten sie aus - und die gesamte Menschheit schaut teilnahmslos zu!
Der Grund: Leben wird außerhalb der Familie gezeugt und entwickelt. Daher identifiziert sich auch niemand mit diesen Kindern. Ja, man nimmt gar nicht zur Kenntnis, daß sie existieren. Das geht so weit, daß man sogar Hybriden konstruiert, Mischungen von menschlichem und tierischem Leben!
Um das richtig zu verstehen, ist es wichtig, folgendes zu sehen: Viele der an diesem Geschehen Beteiligten glauben nicht an Gott, sondern an die Evolution. Für sie ist jede Veränderung Fortschritt. Denn die Natur selektiert jeweils den Stärkeren und eliminiert die Schwachen. Viele Forscher sind nun überzeugt - und zwar mit geradezu “religiöser" Inbrunst -, daß sie berufen seien, die Evolution auf intelligente Weise voranzutreiben, helfen sie der Natur ja, unvollkommenes auszumerzen. Daher auch keinerlei Hemmungen, bei der Beseitigung genetisch “nicht perfekter" Kinder vor der künstlichen Befruchtung.
Weit und breit ist der Sinn dafür verloren gegangen, daß ungeborene Kinder eine unsterbliche Seele haben, in Gottes Augen kostbar sind. Da gibt es weit und breit keinen Vater, keine Mutter, die für diese Kinder kämpfen. Weil wir die Zeugung von der liebevollen Umarmung getrennt haben, sind wir Barbaren geworden. Wenn wir die Liebe vom Leben trennen, werden wir zu Heiden. Der verstorbene Heilige Vater, Johannes Paul II. hat uns das vorausgesagt: Werden Wissenschaft und Technik nicht von der jüdisch-christlichen moralischen Tradition geleitet und in ihrem Tatendrang begrenzt, entgehen wir dem Schicksal nicht, daß das 21. Jahrhundert zu einem Zeitalter der Barbarei wird. Wir sind mit einer neuen Art des Totalitarismus konfrontiert.
Fassen wir zusammen: Paul VI. sagt, das Einswerden von Mann und Frau dürfe nicht gezielt das lebensspendende Wirken Gottes ausschalten. Und Kardinal Ratzinger ergänzt: Menschliches Leben darf nicht abseits menschlicher Liebe und sexueller Beziehung gezeugt werden. Menschliches Leben hat seinen Ort in der Familie, wo es willkommen geheißen und umsorgt werden soll, ohne daß die Existenz durch Tests infrage gestellt werden darf.
Wenn wir nicht für diese Wahrheit kämpfen, wird die Vorstellung, daß es lebensunwertes Leben gibt, dazu führen, daß die Wissenschaft versuchen wird, eine “perfekte" Rasse zu züchten. Dann wird alles eliminiert, was dem Maß nicht entspricht.
Hier muß die Kirche Widerstand leisten. Tun wir das nicht, so kommt die Zeit, in der unser eigenes Leben nicht mehr annehmbar erscheint: die Kultur des Todes. Sie geht aus der Hand von Menschen hervor, die Gott spielen wollen, die von einem quasi-religiösen Drang beseelt sind, die Menschheit zu vervollkommnen. Das ist Gott gegenüber blasphemisch. Es zerstört die Familie und die Kirche. Hier muß Widerstand geleistet werden.
Der erste Schritt dazu ist die Information über diese Entwicklung. Weiters gilt es, die Macht des Gebetes zu mobilisieren, damit Gottes Macht durch unsere Schwachheit wirken kann. Die Kirche muß da Widerstand leisten - gelegen oder ungelegen.
Das muß durch eine Verkündigung ohne Abstriche geschehen. Ohne Angst muß die Weisheit Gottes bezüglich des entstehenden Lebens, der Ehe, der Familie verkündet werden. Das Schweigen der lehrenden Kirche während der letzten 40 Jahre muß gebrochen werden. Wir müssen diese Wahrheit hinausschreien, “Humane vitae" und “Donum vitae" bekanntmachen und die Heiligkeit des Lebens im Plan Gottes verkünden, damit die unfaßbare Würde des von Gott gerufenen Menschen erkannt wird: Jedes Leben ist kostbar, jedes ist ein Geschenk Gottes, ein kostbares Geschenk Gottes. Es muß umsorgt und geschätzt werden.
Die Antwort ist also: Gebet, Buße, Verkündigung der Wahrheit und Zeugnis für sie. Wenn wir das tun, wird sich alles ändern.
Redaktionell stark überarbeiteter Auszug aus einem Vortrag zum Thema “40 Jahre Humane vitae" am 6.12.07 im Lebenszentrum Wien, aufgezeichnet für K-TV von Franz Gangl.