VISION 20003/2012
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Plötzlich habe ich alles verstanden

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Nach einer geborgenen Kinderzeit in einer kinderreichen jüdischen Familie und den ersten Studienjahren daheim in Straßburg landet Alfons von Ratisbonne, der Sohn einer wohlhabenden, jüdischen Familie zum Studium an der Universität von Paris. Liebenswürdig, verwöhnt, wird er rundherum verehrt, auch wegen des großen Vermögens, das er erbt und das ihm jeden Lebensgenuss gestattet. Aus gesundheitlichen Gründen begibt er sich auf eine Erholungsreise in den Süden. Ende 1841 landet er dabei in Rom, wo ihn ein Jugendfreund, Gustav von Bussières, tagelang durch die Stadt begleitet.
Bei einer Begegnung mit dessen Bruder, einem frommen vom Protestantismus zum katholischen Glauben bekehrten Mann, kommt es zu einer merkwürdigen Situation: Der alles Katholische verachtende jüdische Lebemann Ratisbonne lässt sich überreden, für einige Tage eine wundertätige Medaille um den Hals zu tragen, quasi als Test, ob er auch wirklich ein Freigeist sei. Auch eine Abschrift des Gebets „Gedenke, o gütigste Jungfrau Maria…“ bekommt er mit auf den Weg.
Einige Tage später, am 20. Jänner 1842 kommt es dann in der Kirche St. Andrea delle Fratte, die Ratisbonne kurz nach Mittag betritt und an der ihn nichts Sehenswertes anspricht, zu einer Begegnung mit der Gottesmutter. Was dabei geschah, beschreibt Ratisbonne später folgendermaßen:

Ich war nur einige Augenblicke in der Kirche, als ich mich plötzlich von einer unaussprechlichen Unruhe ergriffen fühlte. Ich hob meine Augen, das ganze Gebäude war vor meinen Blicken verschwunden. Eine einzige Kapelle hatte sozusagen alles Licht in sich vereinigt. Und in der Mitte dieses strahlenden Lichts erschien auf dem Altare groß, glänzend, voll Majestät und Lieblichkeit die Jungfrau Maria, so wie sie auf meiner Medaille ist. Eine unwiderstehliche Gewalt zog mich zu ihr hin. Die heilige Jungfrau winkte mir mit der Hand, ich solle niederknien, und sie schien mir zu sagen: ,So ist’s recht.’ Sie hat nicht mit mir gesprochen, aber ich habe alles verstanden.

Alles, was ich weiß, ist, dass ich beim Eintritt in die Kirche nichts wusste, beim Austritt aus der Kirche ganz klar sah. Ich kann diese plötzliche Veränderung nicht anders ausdrücken, als durch das Bild eines Menschen, den man plötzlich aus einem tiefen Schlaf weckt – oder durch Vergleichen mit einem Blindgeborenen, der auf einmal das Licht erblickt. (…) Ich hatte keine Kenntnis von den Buchstaben der Dogmen, aber ich schaute ihren Sinn und Geist. Ich fühlte sie mehr, als dass ich sie sah, und ich fühlte sie durch die unaussprechlichen Wirkungen, die sie in mir hervorbrachten. Und diese Eindrücke, tausendmal schneller als der Gedanke, tausendmal tiefer als das ernsteste Nachdenken, hatten meine Seele nicht nur aufgeregt, sondern in einem entgegengesetzten Sinne, nach einem entgegengesetzten Leben umgewandelt und umgekehrt.
Zitiert aus dem Buch Siegeszug der Wunderbaren Medaille. Von Werner Durrer. Miriam Verlag 1999. Alfons von Ratisbonne wurde sechs Jahre danach zum Priester geweiht.

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