VISION 20003/2012
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Die Wahrheit muss gesagt werden

Artikel drucken Gedanken zur Pfarrgemeinderatswahl in Stützenhofen

Die Entscheidung der Erzdiözese Wien, die Wahl eines Pfarrgemeinderats, der in einer eingetragenen Partnerschaft mit einem Mann zusammenlebt, zu bestätigen, hat große Ver­un­sicherung unter vielen Gläubi­gen hervorgerufen. In den letz­ten Wochen wurden wir oft in einschlägige Gespräche ver­wickelt. So standen wir vor der Frage: Sollen wir das Thema aufgreifen? Schließ­lich geht es um eine bischöfliche Entscheidung, der Bedeutung zukommt, da sie von einem Nachfolger der Apostel, dem wir Respekt schulden, getroffen wurde. Andererseits handelt es sich um eine Entscheidung, die in einer mehr als deutlichen Spannung zur Lehre der Kirche und zu klaren Rechtsnormen steht. Weil wir uns dem Auftrag verschrieben ha­ben, Christen Orientierung zu bieten, sei der Versuch unternommen, die Argumente abzuwägen.

Rückblick
In Stützenhofen, im Gebiet der Erzdiözese Wien gelegen, wird bei der Pfarrgemeinderatswahl am 18. März 2012 mit großer Mehrheit ein junger Mann gewählt, der in einer eingetragenen Partnerschaft lebt. Für die Medien ein gefundenes Fressen, steht das Ergebnis doch im Widerspruch zur Pfarrgemeinderatsordnung, die festhält: „Mitglieder des PGR können nur Katholiken sein, die (…) sich zur Glaubenslehre und Ordnung der Kirche bekennen…“ (Punkt IV)
Auf dieses Spannungsfeld angesprochen, äußert der Leiter des Amtes für Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation der Erzdiözese am 21. März: „Prinzipiell gilt aber: Gleichgeschlechtlich empfindende Menschen gehören zur Kirche wie alle anderen Katholiken auch. Das gilt natürlich auch in diesem Fall (…) Wir können uns aber auch nicht darüber hinwegsetzen, dass die aus dem Evangelium abgeleiteten Lebensregeln der Kirche gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht gutheißen und sich das Lehramt der Kirche eindeutig auch gegen eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaften ausgesprochen hat. Zu berücksichtigen ist auch, dass das Amt des Pfarrgemeinderats ein spezifischer kirchlicher Dienst ist. Für diesen gelten auch spezifische Voraussetzungen. Dazu zählt auch das Einverständnis mit der Glaubenslehre und der Ordnung der Kirche.“
Damit war eigentlich alles Wesentliche gesagt: Eingetragene Partnerschaft und Mitgliedschaft im PGR sind unvereinbar.
Im Gefolge kam es zu einer Begegnung zwischen dem Wiener Erzbischof, dem Stützenhofener Pfarrgemeinderat und dessen Partner. Nach diesem Gespräch trat der Bischofsrat der Erzdiözese zusammen, um den Fall zu beraten. Danach hieß es in der Erklärung des Erzbischofs u. a.: „So gibt es auch unter den Pfarrgemeinderäten viele, deren Lebensentwürfe nicht in allem den Idealen der Kirche entsprechen. Im Blick auf ihr jeweiliges Lebenszeugnis in seiner Gesamtheit und auf ihr Bemühen um ein Leben aus dem Glauben freut sich die Kirche über ihr Engagement. Damit stellt sie die Ideale nicht in Frage. (…).

Bei dem persönlichen Gespräch, das ich mit Herrn Stangl führen konnte, war ich von seiner gläubigen Haltung, seiner Bescheidenheit und seiner gelebten Dienstbereitschaft sehr beeindruckt. (…)

Wir haben heute im Bischofsrat den komplexen Fall Stützenhofen eingehend beraten und einhellig folgenden Beschluss gefasst:

1. Die Diözesanleitung erhebt keinen Einspruch gegen die Wahl und ihr Ergebnis…“
Am Palmsonntag im Fernsehen bestätigte der Erzbischof die Entscheidung: Der Mann habe ihn „menschlich, persönlich, christlich sehr beeindruckt“. Und: „Wir haben Regeln, aber zuerst geht es um den Menschen. Christus hat uns aufgefordert, den Menschen zu achten. Der Mensch geht vor.“

Versuch einer Klarstellung
Die Entscheidung löste zahlreiche Kommentare aus: Der bestätigte Pfarrgemeinderat sprach die Hoffnung aus, dass die Kirche nun „offener“ werde. Christian Högl, Obmann der Homosexuellen Initiative meinte: „So homo hat man keinen österreichischen Bischof je erlebt.“ Die Protestbewegung „Wir sind Kirche“ erklärte: „Diese Entscheidung zeigt Menschlichkeit, Bibeltreue und ist von Vernunft getragen.“ Und Peter Paul Kaspar, Vorstandsmitglied der „ungehorsamen“ Pfarrerinitiative: „Wir (sehen) in Ihrer Entscheidung ein erfreuliches Beispiel, wie ein Bischof in seinem Amt dem Gewissen gehorcht, obwohl das Kirchenrecht oder die römische Weisung Anderes vorsieht. Wir wollen Ihren ‚Ungehorsam‘ gern als die erfreuliche Selbstverantwortung eines – im wörtlichen Sinn – ‚gewissenhaften‘ Amtsträgers ansehen.“
Applaus also bei „Kirchenreformern“ und Kritikern der Lehre. Geäußert wird insbesondere die Hoffnung, die Lehre der Kirche in Sachen ausgelebte Homosexualität werde sich ändern.
Die lehramtlichen Äußerungen sind jedoch eindeutig. Im Dokument Erwägungen zu den Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen der Glaubenskongregation (3.6.03) liest man: „Es gibt keinerlei Fundament dafür, zwischen den homosexuellen Lebensgemeinschaften und dem Plan Gottes über Ehe und Familie Analogien herzustellen, auch nicht in einem weiteren Sinn. Die Ehe ist heilig, während die homosexuellen Beziehungen gegen das natürliche Sittengesetz verstoßen. Denn bei den homosexuellen Handlungen bleibt ,die Weitergabe des Lebens (…) beim Geschlechtsakt ausgeschlossen. Sie entspringen nicht einer wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit. Sie sind in keinem Fall zu billigen.“
Im Weltkatechismus heißt es in Art. 2357 bezüglich der Homosexualität weiters: „Ihre psychische Entstehung ist noch weitgehend ungeklärt. Gestützt auf die Heilige Schrift, die sie als schlimme Abirrung bezeichnet (Vgl. Gen 19, 1-29; Röm 1,24-27; 1 Kor 6,10; 1 Tim 1,10), hat die kirchliche Überlieferung stets erklärt, dass die homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind…“
Damit stellt die Kirche klar, welche Berufung der Mensch – als Mann und Frau erschaffen – in der Schöpfungsordnung hat: Das „Ein-Fleisch-Werden“ ist der Beziehung von Mann und Frau, die sich aneinander binden, vorbehalten (Gen 2,24). Im fruchtbaren Einswerden der beiden sind sie Abbild Gottes (Gen 1,27). Die Kirche wird daher im Interesse der Menschen Abweichungen von der Schöpfungsordnung nie gutheißen können.
Sind damit homosexuell empfindende Personen diskriminiert? Keineswegs. Ihnen wird nur nahegelegt, keusch zu leben – wie allen anderen Menschen auch. Denn allen ist aufgetragen, verantwortungsvoll mit ihrer Sexualität umzugehen, also keusch zu leben. Dass die große Berufung der Sexualität, als Mann und Frau eins zu werden und an der Schöpfung eines neuen Menschen mitzuwirken, ganz aus dem Blick geraten ist, hat dazu geführt, dass Sex quasi zum Konsumgut wurde, auf das jeder Anspruch zu haben meint – was aber der Wahrheit des Menschen widerspricht. Die Bedeutung der Geschlechtlichkeit in Erinnerung zu rufen, bleibt Auftrag der Kirche.
Genau das hat der Wiener Erzbischof in der Chrisam-Messe  dann zwei Tage nach der Stützen­hofen-Entscheidung betont: „Wir verteidigen mit der kirchlichen Lehre nicht ,konfessionelles Sondergut’ der Katholiken, sondern den ,Masterplan‘ des Schöpfers: dass Gott selber den Menschen als Mann und Frau, nach Seinem Bild, geschaffen hat; dass also die Geschlechterdifferenz und ihr Zueinander von Gott gewollt ist; dass er beiden das Gebot gegeben hat ,Wachset und vermehrt euch’ (Gen 1,28, nach jüdischer Tradition das erste Gebot – da in Gen 1!) (…) Hier ist die Grundlage der ganzen christlichen Auffassung von Ehe und Fruchtbarkeit und auch der Überzeugung, dass geschlechtliche Vereinigung nur eingebettet in der Ehe zwischen Mann und Frau der Schöpfungsordnung entspricht.“
Halten wir noch einmal fest: Hier handelt es sich nicht um zeitgebundene, von Menschen er­dachte, also revidierbare  Regeln, sondern um eine grundsätzliche Wegweisung zum Heil des Menschen. Wenn in den Bergen Hänge wegen Lawinengefahr mit Skifahrverbot belegt werden, geschieht das auch nicht, um den Touristen den Spaß zu verderben, sondern um ihnen auf sicheren Wegen eine genussvolle Talfahrt zu ermöglichen. Gleiches gilt für Gottes Gebote: Sie sind Pfade zum Leben. Diese Tatsache hätte die Entscheidung in Sachen Stützenhofen leiten müssen. Die erste Stellungnahme der Erzdiözese lag auf dieser Linie.
Eine weitere Feststellung: Es besteht ein gravierender Unterschied zwischen dem Begehen von Sünden, das als Irrweg erkannt, gebeichtet und bereut wird, von dem man sich abwenden will, in das man trotzdem zurückfällt – und dem öffentlichen Bekenntnis zu einem Verhalten, das die Kirche als Sünde bezeichnet. Beides kann man nicht unter „nicht in allem den Idealen der Kirche entsprechen“ subsumieren. Ersteres betrifft uns leider alle, letzteres verdunkelt das Zeugnis der Kirche, verhindert, dass deren Ideale erkannt werden können.
Erteilt man nun jemandem eine Ausnahmegenehmigung vom Anstreben des Ideals – im Zuge der Wahlbestätigung war leider nie von einem Appell, die eingetragene Partnerschaft zu verlassen, die Rede –, so tut man auch dem Betreffenden nichts Gutes: Er ist versucht, das Ideal als für ihn irrelevant anzusehen.
Das Wort vom Vorrang des Menschen vor der Regel scheint mir daher im konkreten Fall fehl am Platz. Denn was soll der junge Stützenhofener Pfarrgemeinderat aus dieser Entscheidung für sein Verhalten lernen, wenn ihm öffentlich attestiert wird, seine homosexuelle Partnerschaft sei in Einklang zu bringen mit einer beeindruckenden gläubigen Haltung? Ist das Ansporn den Irrweg zu verlassen? Überdies wird ihm ein Dienst mit Vorbildfunktion anvertraut – wie soll er sich da zurechtfinden? Und was sollen sich jene homosexuell empfindenden Menschen denken, die sich schwer, aber doch an die Lehre halten? Und erst die vielen Jugendlichen, wenn auch die Kirche in einem publizistisch so hochgespielten Fall nicht zu ihrem Ideal zu stehen scheint? Entsteht da nicht der Eindruck, selbst dieses letzte Bollwerk gegen den Zeitgeist schwenke auf den Weg ein, der von allen weltlichen Kanzeln verkündet wird?
Typisch dafür folgendes Zitat aus der von der Regierung herausgegebenen skandalösen Aufklärungsbroschüre Love, Sex und so: „Viele Burschen verlieben sich in Mädchen, manche in Burschen. Viele Mädchen verlieben sich in Burschen, manche in Mädchen. Manche einmal in ein Mädchen und einmal in einen Burschen. Deine Sehnsucht, deine Gefühle und deine Lust gehören dir. So wie du sie empfindest (…). Vielleicht hast du gerade Gefühle für Personen des eigenen Geschlechts. Das ist okay. Du musst dich nicht entscheiden…“ !!
In diesen heiß umkämpften Fragen ist die Kirche aufgerufen, klar Position zu beziehen  – auch wenn diese Botschaft am Empfänger abzugleiten scheint. Papst Johannes Paul II. hat sinngemäß folgenden wichtigen Satz geprägt: Die Wahrheit muss gesagt werden, ganz gleich, ob sie angenommen wird oder nicht. Sie habe nämlich ein eigenes Charisma: Sie begleitet den, dem sie gesagt wird – und kommt ihm dann zu Hilfe, wenn er sie nötig hat.
Wir dürfen da dem Wirken des Heiligen Geistes voll vertrauen. Er lässt all diese misslichen Ereignisse zu­, damit wir alle die heillose Unordnung unserer Lebensweise erkennen und umkehren und führt uns so im Jahr des Glaubens, das im Herbst beginnt, zu einem vertieften Glauben.

Christof Gaspari

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