Zwei ausführliche Leserbriefe geben uns die Gelegenheit, auf das wichtige Thema der Todesfeststellung zurückzukommen. Heute, da so dringender Bedarf an Ersatzorganen für Transplantationen herrscht, ist es von entscheidender Bedeutung, ob die Organentnahme an Toten oder Lebenden stattfindet.
Ein unumkehrbarer Sterbeprozess
Zum Beitrag „Der Hirntod ist nicht der natürliche Tod“ (VISION 2/12, S. 6-7) möchte ich als Arzt gerne einige Überlegungen beitragen.
Ich bin auch der Meinung, dass der Hirntod nicht gleichzusetzen ist mit dem Tod eines Menschen, aber es sollte bedacht werden, dass ein Hirntoter sich in einem sehr fortgeschrittenen und unumkehrbaren Sterbeprozess befindet, der lediglich durch Einsatz intensivmedizinischer Maßnahmen eine gewisse Zeit hinausgezögert werden kann.
Wenn sie von Fällen berichten, in denen Hirntote wieder in ein normales Leben zurückgekehrt sind, kann das einzig und allein daran liegen, dass die Diagnose falsch gestellt wurde, was aber ein anderes Thema ist. Ein totes Organ kann seine Funktion definitiv nicht mehr aufnehmen.
Ein hirntoter Mensch kann nicht mehr atmen und wird es auch nie mehr können. Die Atemfunktion wird nur über Maschinen aufrechterhalten. Die Kreislauffunktion muss in der Regel durch Medikamente unterstützt werden. Ein Abschalten der Beatmungsmaschine führt innerhalb weniger Minuten auch zu einem Herz-Kreislaufstillstand. Theoretisch dürfte ein hirntoter Mensch keinerlei Bewusstsein mehr besitzen, Schmerzen nicht mehr wahrnehmen, auch wenn Reflexe erhalten sind.
Ich denke, es wird nie gelingen, den Zeitpunkt, an dem ein Mensch „wirklich“ tot ist, exakt zu erfassen. Für mich als gläubigen Menschen ist dies der Zeitpunkt, an dem sich die Seele vom Körper trennt – aber wie das feststellen? Trotz aller Kritik an der Gleichsetzung von Hirntod und Tod eines Menschen, sollte meines Erachtens der Aspekt der Nächstenliebe beim Thema Organspende nicht vergessen werden. Tausende Menschen warten auf ein Organ, weil sie selbst unmittelbar vom Tod bedroht sind (z.B. bei Herz-, Lungen-, Lebertransplantationen) oder eine massiv eingeschränkte Lebensqualität haben (im Falle einer schweren Niereninsuffizienz mit Notwendigkeit zur Dialyse). Ist es nicht ein Akt größter Nächstenliebe, sein eigenes Leben, das wohlgemerkt nur kurze Zeit, mit Hilfe von Apparaten aufrechterhalten werden kann, für einen anderen Menschen zu geben, damit dieser leben kann?
Sicherlich führt die Organentnahme eines Menschen zu dessen Tod, aber auch hier nicht zwangsläufig unmittelbar die Organentnahme, sondern das Beenden der Beatmung, das Beenden der kreislaufstützenden Medikation nach erfolgter Explantation. Auch ohne Nieren und ohne Leber lässt sich das Leben bekanntlich eine gewisse Zeit aufrechterhalten.
Wenn man so will, werden einem Menschen, dessen wichtigstes Organ, nämlich das Gehirn, das irreversibel zerstört ist und selbst niemals ersetzt werden kann, ein oder mehrere Organe, die ebenso lebensnotwendig sind, entnommen. Auch die Kirche findet es meines Wissens, so wie es auch in der Ärzteschaft breiter Konsens ist, ethisch nicht verwerflich, bei einem hirntoten Menschen die Beatmung zu beenden.
Der natürliche Sterbevorgang wird hierbei nicht künstlich herbeigeführt, es handelt sich also keineswegs wie oft fälschlich angenommen um eine Form aktiver Sterbehilfe, sondern umgekehrt, eine künstliche Unterbrechung des Sterbens wird beendet. Man sollte nicht vergessen, ein Hirntoter ist ein sterbender Mensch. Der Tod wird nur einige Zeit hinausgezögert, um vielleicht anderen Menschen damit zu helfen.
Dr. Jörg Ascherl, Schabmünchen
Organe werden Lebenden entnommen
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie auf eine Korrektur in der Überzeile zum Artikel über Gehirntod hinweisen: Das Wort „Sterbende“ wäre durch „Lebende“ zu ersetzen. In einem Leserbrief in der Tagespost vom 22. März habe ich nämlich aufgezeigt, dass der Hirntote keineswegs immer ein „Sterbender“ ist. Vielmehr sind in allen mir bekannt gewordenen Fällen, in denen nach einer Hirntod-„Diagnose“ die Organe nicht entnommen werden durften, diese Schwerkranken durch die richtige Behandlung völlig geheilt worden.
Es ist mir bisher kein Fall bekannt geworden, in dem bei richtiger Behandlung der Patient allein am Hirntod gestorben wäre, obwohl ihm die Organe nicht entnommen wurden. Wenn die Organe jedoch entnommen wurden, ist der Patient unwiderruflich tot. Man kann dann natürlich nicht mehr wissen, ob er überleben hätte können oder nicht.
In diesem Leserbrief habe ich auch den „Link“ angegeben (www.kathtube.com/player.php?id=25682), mit dem man eine Dokumentation in Polen auf einem Video finden kann, die eine junge Frau betrifft, bei der Hirntod „diagnostiziert“ wurde.
Das Video zeigt den ganzen Vorgang mit dem Versuch der Chefärztin der Klinik, den Vater des Mädchens zu überreden, die Organentnahme zu erlauben. Es ist erschreckend, mit welchen Methoden und unwahren Behauptungen dem Vater erklärt wird, dass das Mädchen nur mehr ein „pflanzliches“ Leben hat und menschlich schon tot ist. Das Lebensrecht des Mädchens wird im Interesse der Organbeschaffung völlig ignoriert.
Die Chefärztin war wütend, als die Eltern des Mädchens verlangten, dass ihre Tochter zur Klinik des Dr. Talar überstellt wird, aber sie haben es durchgesetzt und damit das Leben ihrer Tochter retten können.
Gerade junge Menschen, die sonst gesund sind, haben bei einem als Hirntod bezeichneten Schädel-Hirn-Trauma große Überlebenschancen, wie inzwischen zahlreiche Beispiele zeigen. Es ist erschütternd, wie die Transplantationsmedizin im Interesse der Organbeschaffung alle inzwischen gewonnenen Erkenntnisse ignoriert und sogar die Deutsche Bischofskonferenz mit der Ermutigung zur Organspende die massenhaften Tötungen durch Organentnahme unterstützt.
Univ. Prof. Dr. Wolfgang Waldstein, Salzburg
Eigentlich pietätlos
Je intensiver man sich mit der Frage des Übergangs vom Leben in den Tod beschäftigt, umso klarer wird, dass der derzeitige Zugang, den Todeszeitpunkt mit der Feststellung der „unumkehrbaren“ Funktionsuntüchtigkeit des Gehirns gleichzusetzen (Gehirntod), falsch – und daher korrekturbedürftig ist. Kritisch anzumerken ist zunächst: Die Aussage, das Gehirn sei endgültig funktionsuntüchtig ist genau genommen eine Prognose. Sie ist, wie jede Vorhersage, zwangsläufig irrtumsanfällig und abhängig vom begrenzten Wissen über den Organismus, von der Präzision der verfügbaren Apparate (die den Ausfall registrieren), vom Stand der Technik, von der Sorgfalt, Lauterkeit und Selbstlosigkeit der diagnostizierenden Personen… In einer Zeit, in der ökonomische Aspekte im Spitalswesen an Bedeutung gewinnen, ist all das sehr problematisch.
Eigentlich hat die Todesfeststellung nur dem jeweils betroffenen Person zu dienen. Sie muss in deren Interesse so sicher, wie möglich, sein. Lieber einen späten als einen zu frühen Zeitpunkt festlegen. Ihn möglichst früh anzusetzen, weil andere Interesse an den Organen des Betroffenen haben, ist unmenschlich.
Vor allem aber ist zu bedenken: Das Sterben ist eine alles entscheidende Phase des menschlichen Lebens. Da geht es um das ewige Heil des Betroffenen. Was da vor allem nottut? Eine liebevolle Begleitung, viel Gebet, Zuspruch, Ermutigung – und nicht Spekulationen über eine mögliche Fremdnutzung der Organe des Sterbenden. Welche Pietätlosigkeit hat da um sich gegriffen!
CG