Oktober 2006: Sr. Marie-Catherine Kingbo gründet die „Fraternität der Dienerinnen Christi“. Die neue Gemeinschaft besteht zunächst nur aus zwei Personen: Marie-Catherine und eine junge Frau aus dem Senegal (siehe Portrait 1/09). Seither ist die Gemeinschaft rapid gewachsen. Heute umfasst sie 17 Frauen: die Oberin, 5 Schwestern, 6 Novizinnen und 5 Postulantinnen. Was die jungen Frauen anlockt? Die Herausforderung, den Ärmsten unter den Armen helfen zu können, mitten unter Muslimen Zeugnis für Jesus Christus zu geben…
Kannst Du etwas über die Erfolge Eurer Mission unter den Muslimen erzählen?
Sr. Marie-Catherine Kingbo: Erfolge – da ist zunächst der Umstand, dass sie auf uns zukommen. Und dabei geht es ihnen vor allem darum, dass wir den Frauen in den Dörfern helfen, etwa mit Mikrokrediten. Gut angenommen werden auch unsere Ernährungsprogramme. Durch diese Werke sind sie mit uns vertraut worden und jetzt nehmen sie auch an, was wir ihnen über das Zusammenleben von Mann und Frau weitergeben. Das hat Früchte getragen: Sie verstehen einander besser, arbeiten besser zusammen… Im weiteren Gefolge hat das dazu geführt, dass sie auch uns Katholiken größere Achtung entgegenbringen. Für uns steht im persönlichen Umgang mit unserer Umgebung die Person im Zentrum – und nicht deren Glauben.
Wollt Ihr also durch Eure Werke den Muslimen das wahre Antlitz Christi nahe bringen?
Sr. Marie-Catherine: Genau. Sie bekommen mit, dass wir ihnen diese Hilfe bringen, weil wir Christen sind. Dazu ein Beispiel, das mich sehr berührt hat: Wir hatten zu Weihnachten ein Mahl für die Dörfer organisiert – für mindestens 500 Leute. Einmal muss man schließlich ordentlich essen dürfen. Bevor wir auseinander gegangen sind, kamen einige Frauen auf mich zu: „Komm mal“, haben sie gesagt, „wir wollen dir danken.“ Ich bin also mitgegangen, habe gedacht, wir würden miteinander tanzen. Aber nein: Da waren etwa 15 Mädchen, 11-12 Jahre alt, die singend das Leben Christi erzählt haben. Das ist uns wirklich unter die Haut gegangen. Wir hatten ihnen noch nichts von Jesus erzählt gehabt.
Direkt von Jesus zu sprechen, ist also schwierig?
Sr. Marie-Catherine: Ja. Wenn wir allerdings beten, dann sprechen wir Jesus selbstverständlich als Sohn Gottes an. Bei den Begegnungen, die wir mit Muslimen haben, beten sie – aber auch wir. Dabei bekommen sie mit, was uns wichtig ist. Und dann gibt es einige wenige, die Fragen stellen. Aber das kommt selten vor. Unsere Mission besteht also in den Werken und in unserem Leben aus dem Glauben, den wir nicht verstecken. Wir stellen für sie gewissermaßen die Kirche dar. Und es ist interessant: Ich habe noch nie gehört, dass in den Dörfern etwas Kritisches über die Kirche gesagt worden wäre.
Wäre es für einen Muslim schwierig, den Glauben zu wechseln?
Sr. Marie-Catherine: Diese Freiheit haben sie nicht. Hätten sie diese, so gäbe es gar nicht so wenige Bekehrungen. Aber da gibt es Ängste, Repressalien, starken gesellschaftlichen Druck. Wir haben einen Fall erlebt: Da ist der Betreffende von der Familie ausgestoßen, enterbt worden. Eines ist jedenfalls offenkundig: Die meisten Muslime sind fatalistisch. Sie laden alles Gott auf die Schultern. Kommt es zu einem Unfall – dann war es eben Gott. Wird ein Kind krank – dann will das Gott eben so. Einmal war ich in einem der Dörfer: alles verdreckt, überall Unrat – und viele Malariafälle. Als ich sie fragte, woher die viele Malaria käme, hieß es: von Gott.
Bietet das nicht eine Gelegenheit, ein anderes Gottesbild vorzustellen?
Sr. Marie-Catherine: Man muss sie sensibilisieren und ihnen sagen, dass Gott das Übel nicht will, es nicht geschaffen hat. Man muss ihnen einen Gott vor Augen stellen, der voller Güte ist, voller Liebe, ein Gott, der will, dass Mann und Frau sich gut verstehen. Mir ist es einfach enorm wichtig, ihnen vor Augen zu führen, wie wir Gott sehen, wie Er sich geoffenbart hat: als Gott der Liebe, der Seine Kinder liebt, der Gutes tut und der mit uns rechnet, um Seine Schöpfung fortzuführen.
Kommt man damit bei ihnen an?
Sr. Marie-Catherine: Sie können diese Botschaft annehmen, wenn die Christen dafür Zeugnis geben. Wenn im Leben der Christen erfahrbar wird, dass Gott eben ein Gott der Liebe ist, hilft das den Muslimen, Gott ebenfalls so zu sehen. Was wir an den Muslimen schätzen, ist ihr Respekt vor Gott und die Regelmäßigkeit, mit der sie beten. Das fünfmalige tägliche Gebet, daran halten sie sich wirklich. Noch etwas ist auffallend: Sie nehmen den Koran buchstabengetreu. Und das kann ziemlich bedrohlich werden…
Man hört aber oft, dass die Muslime den Koran eigentlich gar nicht recht kennen…
Sr. Marie-Catherine: Es stimmt: Viele wissen nicht, was im Koran steht. Aber in den Koranschulen – und da gehen schon Vierjährige hin – lernen sie Passagen auswendig und wiederholen sie, ohne sie wirklich zu verstehen. Das führt bei ihnen nicht zu wirklicher Glaubensvertiefung. Aber einige Stellen bleiben ihnen in Erinnerung.
Derzeit seid Ihr bei den Imamen recht gut angeschrieben. Sollte Euer Einfluss auf Eure Umgebung aber zunehmen – fürchtet Ihr dann nicht, dass sie sich gegen Euch wenden könnten?
Sr. Marie-Catherine: Ich glaube nicht. Denn wir haben ja einen positiven Einfluss auf das Leben in den Dörfern. Was wir den Frauen an Möglichkeiten eröffnen, kommt ja allen zugute. Derzeit jedenfalls kommen die Imame auf uns zu mit der Bitte, etwas für ihre Frauen zu tun. Sie sehen einfach die positiven Wirkungen unserer Tätigkeit. Sie selbst wollen ja auch vorankommen. Sonst hilft ihnen ja niemand. Vielleicht ändern sich die Dinge, wenn wir einmal eine Schule eingerichtet haben werden. Aber derzeit machen wir uns da keine Gedanken, weil die Imame dankbar und kooperationsbereit sind.
Inwiefern können wir hier in Europa im Umgang mit dem Islam und den Muslimen von Euren Erfahrungen profitieren?
Sr. Marie-Catherine: Mein erster Appell an Euch Christen: Lebt Euren Glauben! Gebt Zeugnis von Eurem Glauben! Bleibt im Glauben treu und beharrlich! Wirklich gläubige Christen werden von den Muslimen respektiert. Das ist Europas gravierender Fehler: dass es seinen Glauben vernachlässigt, die Kirche dauernd kritisiert. Wir in Afrika bedauern auch enorm, wie sich die Auseinandersetzungen in der Kirche abspielen, den mangelnden Respekt gegenüber dem Papst, der Autorität, der Tradition. Wir Afrikaner anerkennen den Heiligen Vater als Autorität, ganz selbstverständlich. Das bedeutet keineswegs einen blinden Gehorsam, wohl aber wohlwollende Annahme seiner Autorität. Das fehlt Europa leider sehr. In der Beziehung zum Islam sollte sich Europa auch klarmachen: Viele Muslime sind überzeugt von ihrer Religion – und sie wollen andere überzeugen. Wie sollen da Europäer, die selbst keinen festen eigenen Stand haben, bestehen?
Was sind Eure derzeitigen Projekte?
Sr. Marie-Catherine: Die Einrichtung einer Schule und eines Internats für Mädchen. Was derzeit sehr gut läuft, sind unsere Kurse für junge Leute und unser Versorgungszentrum in Dan Bako, wo wir jedes Mal 800 unterernährte Babys und Kleinkinder betreuen. Das ist bei der derzeitigen Hungersnot ein besonders wichtiger Dienst. Dank der Spenden, die wir aus Deutschland, Österreich und Frankreich bekommen haben, können wir ab Mitte Mai, wenn die Hungersnot ihrem Höhepunkt zustreben wird, Lebensmittel, die wir in besseren Zeiten angekauft haben, zur Linderung der ärgsten Not verteilen. Wir rechnen, dass wir zwischen 500 und 700 Familien auf diese helfen können.
Du hast von den Kursen für Jugendliche gesprochen. Was geschieht da?
Sr. Marie-Catherine: Da geht es vor allem um die allzu frühen Zwangsheiraten und deren Folgen. In diesem Rahmen sprechen wir auch viel darüber, was Liebe eigentlich wirklich ist, vor allem aber kommt da auch zur Sprache, was die Christen unter Ehe verstehen. Wir reden dann über den gegenseitigen Respekt in der Ehe, der Sexualität und auch über Fragen der Hygiene. Diese Tagungen waren sehr gesegnet, haben reiche Frucht gebracht. Frauen haben uns erzählt, dass seit Beginn dieser Kurse, die Zwangsheiraten und Verheiratung von Kindern weitgehend aufgehört haben.
Deutlich angestiegen ist unter den Mädchen auch das Interesse an Fortbildung. In einem der Dörfer werden wir daher ab Oktober Näh- und Weiterbildungskurse starten. Sobald wir dafür wieder Mittel auftreiben können, werden wir sie wieder – so wie es ja der Wunsch der Leute ist – aufnehmen.
Insgesamt führen wir ein wirklich strapaziöses Leben mit viel Arbeit, bei extremen Temperaturen von bis zu 50 Grad, konfrontiert mit Leid – aber wir sind dennoch glücklich und zufrieden. Wir sind stolz darauf, im Dienst Christi zu stehen, lieben und dienen zu dürfen. Was für eine Gnade! Was für eine Freude! Mission ist so gesehen eine Freude, die wir mit den Menschen, zu denen wir gesandt sind, teilen.
Das Gespräch hat Alexa Gaspari geführt. Spenden für das Projekt: Raika Mutters BLZ: 36281, Kt. Nr. 30080972, Sparbuch Maradi.