Wir haben die Autorin gebeten, über die Bedeutung des Glaubens zu schreiben. Sehr persönlich sollte es sein. Und genauso ist es geworden: ein frohes, strahlendes Zeugnis eines zur Reife gelangten Glaubens.
Wie gern komme ich der Bitte nach, über das Jahr des Glaubens zu schreiben, wünsche ich mir doch, es möchten sich andere Menschen von meinem Glück anstecken lassen. Ich lebe nämlich, nun im 88. Lebensjahr, in der mich ständig begleitenden Freude, angekommen zu sein, ja, die kostbare Blume, die verborgen tief im verwunschenen Wald, immer grünend blüht, gefunden zu haben. Jesus Christ ist ihr Name. In ihrer Nähe habe ich Wohnung beziehen dürfen, und dort finde ich nun alles erfüllt, was ich mir so schön nie habe erträumen können: Heller Himmel und sternenklare Nacht, sanftes Wehen des Windes im grün leuchtenden Blattwerk und Vogelgesang ohne Ende.
Das klingt schwärmerisch, aber es entspricht meinem Lebensgefühl. Es ist alles gut. Ich werde zwar in absehbarer Zeit hier abgeholt werden, und dann werde ich wohl etwas tief Überraschendes, unvorstellbar Herrliches erleben. Im Hindenken darauf ist auch bereits ein wenig sehnende Neugier, so etwas wie erwartungsvolle Vorfreude darauf vorhanden. Aber es ist ohne antreibende Sehnsucht.
Schon hier, schon jetzt ist in mir im Grund unter allem mühselig Alltäglichen eine glückliche Gelassenheit. Sich in der Nähe des Eigentlichen, des Zentrums zu fühlen, liegt am Duft der wunderbaren Pflanze. In Wellen erreicht mich deren überströmende Schönheit in Gestalt ihrer Kraft. Sie heißt Wahrheit.
Alle meine Sinne bestätigen mir jeden Tag neu in unterschiedlichster Vielfalt die Unfasslichkeit eines still machenden Wissens: Ja, es ist wahr, dieser Schatz inmitten des Seins ist der Weg, die Wahrheit und das Leben – total. In dieser Atmosphäre darf ich atmen, darf ich hören, schmecken, riechen, sehen. Ich darf das bestaunen, ich darf die kostbare Pflanze sogar genau anschauen und dann entdecke ich immer neue Knospen, neue, mehr, immer mehr, je länger ich hinlausche. Wie ist mir dieses Glaubensglück zuteil geworden?
Als Kind – und lange auch noch als Erwachsene wie ein Kind – bin ich durch den Wald mit Namen Leben gelaufen, sehnsüchtig wohl von Anfang an, aber zunächst sogar ohne Einsicht, was ich suchte, und es gab viele, mich anziehende Stationen an den Rändern. Immer aber, in welcher Schmiede ich auch landete, entstand das drängende Gefühl, dort nicht weiter verweilen zu dürfen. Dazwischen standen gleißende Stationen, deren Unechtheit mich aber meist ziemlich rasch auf Distanz gehen ließ. Bei manchen war sogar Flucht nötig, weil mich allein ein unguter Geruch hinter den anlockenden Fassaden Fallen ahnen ließ. Stattdessen zog es mich immer mehr in die Waldestiefe, viele Tiere kamen mir ganz nah, und sie lehrten mich, die Vielfalt der Schöpfung zu verstehen.
Man möge nicht meinen, ich sei nun altersbedingt mittlerweile ziemlich abgehoben, aber das entspricht nicht meiner Glaubenssituation. Ich habe in diesen Metaphern nur aufzeigen wollen, dass mein Weg mir durch die vielen Dornen und Disteln in Diktatur, Krieg, Nachkriegszeit und dann – angestoßen durch die Erfahrungen in der psychotherapeutischen Praxis – mir vor allem durch das Verstehen mythischer Bildersprache, wie sie in den Träumen der Patienten, aber auch in der Bibel zuhause ist, als eine Annäherung an die Wahrheit vorgegeben wurde. Als mir so der Herr – Ihn noch gar nicht erkennend wie den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus – begegnete und mich zu lehren begann, konnte Annäherung sukzessiv direkt geschehen.
Nein, ich hatte dabei kein umwerfendes Gefühlserlebnis, wie das viele Heilige berichten, mein Glauben wuchs als Frucht begeisternder Entdeckungen. Und der Schlüssel dazu lag vor allem im Aufspringen der Glaubensgeheimnisse durch das Verstehen ihrer Bildhaftigkeit, durch das Erkennen, dass in jeder einzelnen der biblischen Perlen Gültigkeit enthalten ist für die Allgemeinheit geschichtlicher Entwicklungen ebenso bedeutsam, wie das Zutreffen auf die Gegebenheiten jedes einzelnen Menschen.
Ich begann, das unfasslich Wunderbare in der Erschaffung dieses Kunstwerkes Gottes auf dem Planeten Erde zu erahnen, und was mit der Erschaffung der Krone der Schöpfung, dem Menschen, gemeint ist. Diese Einsicht war für mich wie eine Ankunft im gelobten Land, wie ein begeistertes Laufen durch all die vielfältigen biblischen Gefilde.
Mit Jubel entdeckte ich durch die intensive Beschäftigung mit den biblischen Aussagen unter manchen Monumenten des Glaubens geheimnisvoll Verborgenes, nun Begreifbares, das mir zuvor gänzlich unverständlich gewesen war. Welches Paradies ist gemeint? Was ist das für eine Frucht, die, sich einzuverleiben, Gott verbot – allen Menschen und jedem Einzelnen für alle Zeit? Was verbietet mir der Herr auf diese Weise? Dass Er mich in Seinem Schutzraum mit einer fast vollkommenen Freiheit beschenkt, die ihre Grenze allein darin hat, die Ordnung dieses Seines Schutzraums einzuhalten. Dass dieser herrlich weite Spielraum ein Maß hat, dessen Konkretionen Er durch eine Vielzahl hoch bedeutungsvoller Aussagen im Offenbarungsbuch vermittelt.
So vieles war dort für mich, einem in umfänglichen Bildungsinstitutionen verkopften Menschen zunächst unverständlich gewesen, so dass man es am liebsten – weil scheinbar veraltet – entsorgt hätte. Erst allmählich verstand ich, wie töricht meine kecke Fehleinschätzung lediglich an meiner unzureichenden Kenntnis gelegen hatte und dass stattdessen die Wahrheit der biblischen Aussage ehern und deshalb unaufgebbar ist.
Deshalb begriff ich jetzt in Entdeckerfreude, dass meine Aufgabe darin zu bestehen habe, die Bedeutung der biblischen Bildersprache für mich durch Entschlüsselung zu ertasten. Alle Geschichten der Bibel enthalten Gottes Wahrheit. Alles geht mich unmittelbar an, alles zeigt mir den richtigen Weg auf und kennzeichnet den falschen.
Dabei war für mich eine stufenweise Annäherung notwendig. So musste ich z. B. erst einmal begreifen, dass ich nicht dazu bestimmt bin, als eine bedeutungslose Nichtigkeit ausgesetzt zu werden, sondern dass Gott mithilfe einer königlich liebevollen Frau, meiner Mutter, mir, wie dem Moses, von ihr gezogen aus dem Wasser der Geburt, Leben, das einen persönlichen Auftrag des Schöpfers enthielt, verliehen wurde. Dass mir das Verschlungenwerden vom Urfisch nicht erspart wurde, als ich mir aus mangelndem Selbstwertgefühl anmaßte, in die falsche Richtung zu laufen.
Aber auch, wie notwendig es heute für mich ist, über mich selbst zu lachen, wenn ich in die Versuchung gerate, mit Gott zu schmollen, weil Ninive immer noch nicht untergegangen ist, obgleich Er es doch war, der mich dort hinschickte, um den Leuten zu sagen, dass sie in 40 Tagen untergehen würden.
Wie werden wir auch immer wieder zurechtgerückt, wenn unsere Natur – Paulus nennt es das Fleisch – uns mal wieder zu beherrschen beginnt und uns auch noch den Balken im eigenen Auge mal wieder übersehen lässt.
Nachdem ich in meinem Umfeld die Möglichkeit zu all der Verruchtheit erlebt hatte, die uns Menschen doch auch in der Rohheit unserer Urnatur nahe liegt, nachdem ich den Widersacher, den Durcheinanderwerfer mit all seinen Unterteufeln – auf jeden einzelnen besonderen angesetzt – in unserer Gesellschaft wüten sah wie einen brüllenden Löwen, konnte ich auch mit einem Seufzer der Erleichterung als gnädiges Geschenk unseres leisen Gottes erkennen, warum er die Mater ecclesia gegründet und ebenso geschaffen hatte wie das Petrusamt als einen heiligmäßigen Felsen in all den Brandungen und Tsunamis unserer Fehlentscheidungen.
Der Kirche gelingt Glaubensbündelung durch unterscheidende Eindeutigkeit und Klarheit der Linien, die Fassung des über alle Maßen kostbaren Diamanten Jesus Christus im Ritus sich steigender Anbetung. Mithilfe direkter Übermittlung des Heiligen Geistes durfte ich eintreten in einen großmächtig von Glaubenshand erbauten ewigen Dom und mich vorbereiten lassen auf den Eintritt in die heilige Stadt, wie uns das als Sieg des Glaubens am Schluss des Offenbarungsbuches geschildert wird.
Erfasst von dem Geschenk der erfahrbaren Ausgestaltung 2000-jährigen Ringens der Menschen um Verwirklichung ihres Lebenssinnes bin ich deshalb vor 25 Jahren vom Herrn dazu geführt worden, die Leiterstufen des Glaubens als Katholik anzustreben. Die Freude am Geschenk der Kommunion, die Einsicht in die Notwendigkeit einer päpstlichen Autorität, die unserer menschlichen Schwachheit aufhilft, sowie die Unaufgebbarkeit der heiligen Mutter Maria im Heilsgeschehen, waren die vorausgegangenen Einsichten.
Nicht umsonst wird Maria von Christus selbst vom Kreuz herab an Johannes und damit als Mutter aller Gläubigen an uns delegiert. Leidensgefährtin, Trösterin, Fürsprecherin ist sie seitdem für mich, reine Magd, hohes Vorbild, mit deren Hilfe aus meinem Leiden an meiner Unzulänglichkeit und an der gefallenen Welt ein hinan hebender Impuls werden kann, damit ich das Ausstrecken nach dem, was sich Gott von mir erhofft, durchhaltend zu erfüllen versuchen kann.
Alles lässt sich verstehen, in seiner umfassenden Bedeutsamkeit, was uns der Herr durch Seine geheime Offenbarung zeigt. Dankbarkeit und unbändige Freude erbringt der Glaube, in der Nähe des all-einen Vaters und in Seiner Wahrheit leben zu dürfen.