VISION 20002/2011
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„Dieser Satz hat mich aus meiner Mittelmäßigkeit gerissen“

Artikel drucken Pater Johannes Paul über Papst Johannes Paul (P. Johannes Paul Chavanne OCist)

Ich kam 1983 zur Welt. Es war das Jahr der ersten Reise Papst Johannes Pauls II. nach Österreich. Insofern war mein Leben schon von Anfang an mit diesem Papst verbunden. Und er war der Papst, der die Kirche leitete, als ich sie kennen und lieben lernte. Das gilt eigentlich für unsere ganze Generation, die man deshalb auch die „Generation Johannes Pauls II“ genannt hat.

Die erste wirkliche Erinnerung an eine Begegnung mit ihm habe ich, als er 1998 in Österreich war. Am Abend des Tages seiner Ankunft in Wien gingen wir als junge Christen zur Nuntiatur, der päpstlichen Botschaft, in der er wohnte, um ihn zu begrüßen und zu sehen, vor allem aber auch, um ihn zu hören und seinen Segen zu empfangen. Wir studierten Sprechchöre ein, die wir begeistert riefen, wie: „Johannes Paul der Zweite, wir stehn an Deiner Seite!“ und „Wir wollen den Papst sehen!“ Tatsächlich kam der Papst nach einiger Zeit auf den Balkon, sprach mit seiner tiefen, sonoren Stimme einige Worte auf Deutsch zu uns, gab uns seinen Segen und wünschte uns zum Abschluß „Gute Nacht!“
Ebenso erinnere ich mich an die große Freiluftmesse mit tausenden Gläubigen auf dem Wiener Heldenplatz. In deren Rahmen wurden Schwester Restituta Kafka, der Kalasantiner Pater Anton Maria Schwartz und der Prämonstratenser Jakob Kern vom Papst seliggesprochen.
Eine weitere Begegnung gab es 2002 beim Weltjugendtag in Toronto/Canada. Ein bereits sehr von Alter und Krankheit gekennzeichneter Papst rief uns zu: „Ihr seid unsere Hoffnung, die jungen Menschen sind unsere Hoffnung. Laßt nicht zu, daß diese Hoffnung stirbt! Setzt euer Leben auf sie!“ und er ermutigte uns, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein.
Einen Satz, der mich tief getroffen hat und in einem gewissen Sinn eine Lebenswende in mir ausgelöst hat, hat Johannes Paul – noch bevor ich geboren wurde – 1981 in Rom gesprochen. Ich habe ihn als 20jähriger Jugendlicher auf einer CD mit Ansprachen von ihm gehört und seitdem immer wieder vor wichtigen Entscheidungen angehört: „Habt keine Angst! Seid nie zufrieden mit Mittelmäßigkeit. Fahrt hinaus auf den See! Dort werft Eure Netze zum Fang aus!“ Dieser Satz hat mich damals deshalb tief bewegt, weil er mich in einer Zeit großer Mittelmäßigkeit traf. Er forderte mich heraus, angstlos und entschlossen mein Leben in die Hand zu nehmen und mich selbst aufzumachen, nach dem zu suchen, was das Leben bedeutet. Mich nicht zufrieden zu geben, mit dem was alle denken, reden und tun und so frei zu werden. So war dieser Satz auch ein Auslöser, mich neu auf die Suche nach Antworten auch auf die religiösen Fragen zu machen. Eine Suche, die mich zu Jesus Christus geführt hat.
Das erste Buch, das ich von Papst Johannes Paul II. gelesen habe, war Die Schwelle der Hoffnung überschreiten. Ich las es 2004. Ein Buch, in dem der Papst sich den Fragen des Journalisten Vittorio Messori stellte. Mich faszinierte darin seine klare Offenheit, in der er auf alle gestellten Fragen – sie waren zu einem großen Teil auch meine Fragen – klar und überzeugend antwortete.
Den Glauben neu entdeckend las ich ebenfalls 2004 die Enzyklika Ecclesia de Eucharistia. Da lernte ich, daß die Kirche von der Eucharistie her aufgebaut wird, in ihr das ganze Mysterium Christi gegenwärtig ist und daß in der Kommunion nicht nur ein jeder von uns Christus empfängt, sondern auch Christus einen jeden von uns empfängt. Im selben Jahr las ich das apostolische Schreiben Familiaris consortio über die Aufgaben der christlichen Familie in der Welt von heute. Ich mußte mich in vielen Vorurteilen, die ich unausgesprochen gegen den Papst und seine Lehre hatte, korrigieren lassen und erkannte in ihm einen wahren Propheten und Verkünder einer Botschaft mit Zukunft. Die Familie ist Grund- und Lebenszelle der Gesellschaft, las ich da, und ohne Familien, wird es keine Zukunft geben.
Sehr lebendig sind mir die letzten Monate seines Pontifikates in Erinnerung. Ein leidender, alter Mann, der noch immer die ganze Last der Verantwortung für die Kirche auf seinen Schultern trug. „Auch Christus ist nicht vom Kreuz gestiegen,“ hat er gesagt. Sein schweigendes, aushaltendes Leiden vor aller Welt war auch Teil seiner Lehre. Die Nachricht seines Todes erschütterte die Welt und vereinte sie für einen kurzen Augenblick in gemeinsamer Trauer. Ich erinnere mich an eine Schweigeminute bei einem Fußball-Ländermatch im Wiener Stadion: Alle Spieler trugen schwarze Armschleifen, 40.000 Fans schwiegen eine Minute lang – in memoria dieses großen Papstes. Sein Begräbnis wurde ein unübersehbares Zeugnis für die Jugendlichkeit und Lebendigkeit der Kirche. Papst Johannes Paul II, dem die Jugend so sehr am Herzen lag versammelte sie noch einmal um sich und so um Christus!
Als ich im August 2006 im Stift Heiligenkreuz als Novize eingekleidet wurde, erhielt ich den Ordensnamen Johannes Paul und damit diesen großen Papst als Namenspatron. Eine große Freude, eine große Ehre, aber auch ein großer Anspruch. Jeden Tag bitte ich diesen Leuchtturm des Glaubens um seine Fürsprache und fühle mich ihm eng verbunden und von ihm begleitet. Einige CDs mit Ansprachen begleiten mich schon seit einiger Zeit. So hoffe ich von ihm stets neu zu lernen, ein mutiger Zeuge für das Evangelium in unserer Zeit zu werden.


P. Johannes Paul Chavanne OCist

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