Es gibt Begegnungen im Leben, die man nicht so leicht wieder vergessen kann. Eine solche Begegnung hatte ich vor einigen Jahren mit einem Brautpaar bei einem Trauungsgespräch.
Es waren zwei ausgesprochen reife Menschen, die mir gegenüber saßen, beide in akademischen Berufen tätig. Im Gespräch äußerten sie sehr lebhaft den Wunsch, ich möchte als Priester bei der Trauung über die Treue predigen, das sei für sie ganz zentral und eminent wichtig. Sie erklärten, dass ihre beiden Eltern geschieden seien und sie daher aus eigener Erfahrung wüssten, was das für ein leidvolles Drama für Eltern und Kinder sei, ein Trauma, das noch heute seinen Schatten auf ihr Leben werfe.
Auch seien schon mehrere Paare aus ihrem Freundeskreis bereits getrennt oder geschieden, und jedes Mal wäre die Trennung auch für sie ein großer Schmerz gewesen, denn durch ein solches Auseinandergehen werde auch eine Freundschaft oft empfindlich in Mitleidenschaft gezogen. Darum wäre ihnen so wichtig, dass ich bei der Trauung die Treue zum Thema mache, denn einander ein Leben lang treu zu bleiben, das sei ihr erklärtes Ziel. Auch möchten sie ihren Willen dazu gegenüber ihren Freunden zum Ausdruck bringen.
Ich freute mich sehr über dieses Paar, denn es kommt nicht oft vor, dass ein Brautpaar so entschieden den Willen zur Treue zum Ausdruck bringt. Ich versprach ihnen, ganz in ihrem Sinne bei der Trauung zu predigen. Die Trauung sollte in etwa einem halben Jahr stattfinden. Als nun der Termin der Trauung näher rückte und ich mich an die Predigtvorbereitung machte, erreichte uns im Pfarreibüro die Nachricht, die Trauung könne nicht stattfinden, das Paar habe sich getrennt…
Dieses Paar ist mir noch heute in lebhafter Erinnerung, obwohl die Begegnung schon Jahre zurück liegt. Nie hätte ich das für möglich gehalten, ich war vom echten Willen der beiden überzeugt, überzeugt auch, dass sie einer glücklichen Ehe entgegen gehen würden.
Doch in all den den Jahren seither habe ich erlebt, dass es vielen Brautpaaren ähnlich ergangen ist. Wie viele haben sich trauen lassen, weil sie sich vollkommen sicher waren – ja, sie schworen es sich gegenseitig, einander treu zu bleiben – und dann kam alles ganz anders. Wie viele haben an den Traum ihrer Liebe geglaubt und dieser endete in einem Albtraum. In wie vielen Beziehungen ist schon bald das Licht, die Wärme ausgegangen, ist es unbehaglich und kalt, ja frostig in ihrem Haus geworden!
Gestern war ich zu Besuch bei einem liebenswürdigen älteren Ehepaar. Es war ein kalter Tag. Und als ich ins Haus eintrat, kam mir eine heimelige Wärme entgegen und der bezaubernde Geruch von brennendem Holz. „Sie haben es schön warm“, sage ich zur Frau, „haben Sie denn ein Feuer angemacht?“ – „Ja, kommen Sie, sehen Sie, wir haben in der Stube ein Cheminee. Wissen Sie, jetzt, in der Übergangszeit vom Herbst zum Winter, da ist man froh, wenn man ein Feuer anmachen kann, wenn noch nicht geheizt wird. Hat man einmal kalte Füße, braucht man sich nur in die Nähe des Feuers zu setzen und schon bald hat man wieder warm. Mein Mann und ich sitzen oft beim Feuer. Er liest Zeitung, ich stricke für unsere Enkelkinder. Das ist eine wunderbare Sache, so ein Feuer im Haus…“
Dieses Bild vom Feuer hat sich mir aufgedrängt, während ich diesen Artikel schreibe: Es möchte sich als Gleichnis anbieten. Es gibt nämlich ein schönes Wort, das zwar nicht in den kanonischen Evangelien steht, aber in der Tradition als echtes Jesuswort angesehen wird. Überliefert wird es uns von Origenes: „Wer mir nahe ist, der ist dem Feuer nahe.“
Jesus - das Feuer! Und das ist dann auch die Antwort auf die bedrückende Frage, warum oft in so kurzer Zeit das Licht in der Ehe ausgeht, die Heiterkeit, die Wärme, der Wille zur Treue, warum so viele – auch kirchlich geschlossene Ehen – oft schon nach wenigen Jahren ein betrübliches Bild abgeben. Das Feuer ist ihnen ausgegangen. Das Feuer der Liebe Gottes – Jesus Christus – brennt nicht mehr in ihrem Haus – oder es ist erstickt. So findet sich kein Ort mehr in ihrem Haus, wo sie sich hinsetzen und aufwärmen können. Jeder weiß es im Grunde, ob Vater, Mutter, Priester, Ordensfrau, Ordensmann: Wir können nicht treu sein aus uns heraus. Wir können nicht lieben aus uns heraus. Wir können nicht wahr sein im Reden und Tun aus uns heraus. Wir können es nur, wenn das Feuer des Geistes Christi in unseren Herzen und in unserem Hause lebendig brennt: „Ohne mich könnt ihr nichts tun!“ (Joh 15,5)
Niemand glaube, niemand gebe sich der Selbsttäuschung hin, er könne eine christliche Ehe führen, der Jesus Christus nicht ins Zentrum seines Lebens stellt, für den Jesus Christus nicht das A und O, das glühende, lebendige Strahlungszentrum seines Lebens ist. Wer glaubt, mit ein bisschen Religion auszukommen, seine Kinder christlich erziehen zu können, der weiß nicht, wie gewaltig er sich täuscht, gerade in unserer Zeit!
Wir leben in einer so ausgesprochen unterkühlten Zeit, ja in sibirischer Kälte, so dass kein Vater, keine Mutter seine Kinder mehr zu Gott führen kann, wenn sie den Herrn nicht aus ganzem Herzen lieben, aus ganzem Gemüte, aus allen ihren Kräften. Vom seligen Franz Jägerstätter und seiner Frau Franziska wissen wir, dass sie in der äußerst schwierigen Zeit des Nationalsozialismus täglich miteinander gebetet und die Heilige Schrift gelesen haben. Und das gab ihnen die Kraft, das innere Feuer, den Weg der Heiligen zu gehen und ihren drei Kindern ein wahrhaft christliches Vorbild zu sein.
Wir müssen Holz anlegen, liebe Christen! Und Holz anlegen heißt konkret für Eltern:
1. Nehmt euch immer genügend Zeit füreinander; lasst nicht von den „Sorgen der Welt, dem trügerischen Reichtum und der Gier nach all den anderen Dingen“ (Mk 4,19) das Feuer der Liebe ersticken.
2. Gebt dem täglichen Gebet und der täglichen Lesung der Heligen Schrift, der Betrachtung und der Vertiefung des Glaubens einen festen Platz, erkämpft ihn euch unter allen Umständen.
3. Liebt die in Petrus geeinte Kirche Jesus Christi, haltet zu ihr, und seid lebendige Glieder dieser Kirche.
4. Sucht Gemeinschaft mit anderen christlichen Ehepaaren, vor allem mit geistlichen Gemeinschaften, die sich die Heiligkeit der Ehe zum Ziel gesetzt haben. Auch Kinder brauchen solche Gemeinschaft mit andern gläubigen Familien, damit sie sich nicht ganz allein vorkommen.
Was wirklich wichtig ist im Leben, das erkennen Menschen nie tiefer als im Angesicht des Todes. So schreibt am 27. November 1944, wenige Wochen vor seiner Hinrichtung in Plötzensee, Ewald von Kleist-Schmenzin an seine Frau und Kinder (er stand im Widerstand gegen den Nationalsozialismus):
„Werdet ihr einmal ganz mittellos dastehen in diesen furchtbaren Zeiten? Gott allein weiß es. Aber ein Vermächtnis kann ich Euch hinterlassen, das unvergänglich ist und mehr als alles irdische Gut: ‚Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes.‘ Dieses Wort lasst Leitstern Eures ganzen Lebens sein, dann kann Euch nichts Böses widerfahren, dann werdet ihr selig werden. Und das ist mein Vermächtnis, mein letzter Wille, dass Ihr Euer ganzes Leben Gott vor Augen und im Herzen haben sollt, in Glauben, Vertrauen, Gehorsam und Liebe. Gott sollen wir lieben über alles.“