Ein heikles Thema, ein Dauerbrenner in den Medien: Da müsse die Kirche endlich etwas ändern, fordern unisono alle Kritiker. Christoph Haider, Pfarrer im Tiroler Oberhofen, gelingt es wunderbar, die Lehre der Kirche einfühlsam, ohne Abstriche an der Wahrheit darzustellen.
Jesus erstellte einige klare Vorgaben zum Thema Ehe, die wir als grundlegend und zeitlos gültig interpretieren müssen. In zwei inhaltliche Richtungen gehen die Worte Jesu. Erstens: Auf der Ehe ruht das Copyright des Schöpfers. Bei der Ehe geht es um Mann und Frau und um das Sich-Aneinander-Binden der beiden: „Am Anfang der Schöpfung hat Gott sie als Mann und Frau geschaffen“ (Mk 10,6).
Zweitens: Ist das „Ein-Fleisch-Werden“ innerhalb des Ehebundes einmal vollzogen, hat keine Macht der Welt mehr Verfügungsgewalt über diese Verbindung: „Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“ (Mt 19,6).
Aufschlussreich für uns Christen heute ist die spontane Reaktion der Jünger damals. Als Jesus ihnen seine Ansichten zur Ehe mitteilte, mussten seine Jünger zunächst einmal ordentlich schlucken. Zuhause angekommen, befragten sie Jesus noch einmal. Als Jesus bei seinen Aussagen blieb, ließen sich seine Jünger dazu hinreißen, sehr emotional und typisch männlich zu reagieren: „Wenn das die Stellung des Mannes in der Ehe ist, dann ist es nicht gut zu heiraten“ (Mt 19,10).
Was hatte Jesus gesagt, dass es die Gemüter seiner Jünger derart erregte? „Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch. Auch eine Frau begeht Ehebruch, wenn sie ihren Mann aus der Ehe entlässt und einen anderen heiratet“ (Mk 10,11-12). In der Bergpredigt steht noch ein Nachsatz: „… und wer eine Frau heiratet, die aus der Ehe entlassen worden ist, begeht Ehebruch“ (Mt 5,32; auch Lk 16,18). Indem die Evangelisten Markus, Matthäus und Lukas im Prinzip alle dieselbe Aussage überliefern, zeigen sie, dass Jesus in der Frage der Ehescheidung keinen Spielraum offen ließ. Die Kirche hat keine Befugnis, sich über dieses göttliche Gebot hinwegzusetzen.
Für zwei Getaufte, die sich „im Herrn“ das Jawort geben, gilt, was der Apostel Paulus sagt: Wenn Mann und Frau einander so lieben, wie Christus uns geliebt hat, dann ist das ein „sakramentales Zeichen“ (Eph 5,32). Die Hingabe eines gläubigen Mannes an seine Frau und umgekehrt ist ein Zeichen für die göttliche Liebe und die Treue des Erlösers. Das ist eine starke Sache!
Von der Bedeutung des Sakramentes her leuchtet es ein, dass die Kirche auch im 21. Jahrhundert von der Unauflöslichkeit der Ehe nicht abrücken kann. Ein geschiedenes Ehesakrament wäre ein Widerspruch in sich. Statt eines sakramentalen Zeichens wäre es ein Antizeichen.
Wenden wir uns der seelsorglichen Praxis zu: Ich sitze bei einem Taufgespräch mit einem sehr netten Paar. Sie sind nicht verheiratet. Standesamtlich wollen sie eines Tages heiraten. Kirchlich können sie nicht. Die beiden sind keine 30 Jahre alt. Was ist die Vorgeschichte? Er war bereits kirchlich verheiratet. Nach nur wenigen Monaten wurde seine Frau untreu. Schon länger lebt sie mit einem anderen Mann zusammen. Inzwischen sind sie geschieden.
Im Gespräch zeige ich Verständnis. Als Mensch und Seelsorger kann ich nachempfinden, dass dieser verlassene Partner keinen Ruf verspürte, schon in jungen Jahren für den Rest seines Lebens allein zu bleiben. Sein Lebensentwurf heißt Ehe, die aber ist kaputt. Allmählich hat sich eine neue Beziehung angebahnt. Aus der ist jetzt das Kind hervorgegangen. Die beiden machen den Eindruck, miteinander eine stabile Beziehung aufbauen zu können. Auch der Glaube ist ihnen wichtig.
Welchen Rat kann ich als Seelsorger dem Paar geben? Zunächst war mir wichtig, die biblische und kirchliche Lehre unverkürzt mitzuteilen. Wenn es sich bei der Trauung um das echte Ehesakrament gehandelt hat, dann gilt weiterhin: „Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“. Darauf die nachdenkliche Bemerkung des jungen Vaters: „Ja, das ist die Frage. Hat uns damals – die inzwischen geschiedene Frau und mich – Gott verbunden oder nicht?“
Dieser Frage nachzugehen, konnte ich in diesem Fall nur empfehlen. Nach der Darlegung der kirchlichen Lehre ist das sozusagen der erste Versuch für eine Orientierung und Hilfestellung: War die Ehe gültig? Wollten zum Zeitpunkt der Trauung beide Partner eine unauflösliche und treue Verbindung eingehen? Waren sie offen für Kinder? Waren beide Partner wirklich fähig zur Eheführung? Wenn bei diesen Fragen echte Zweifel auftreten, rate ich, die Umstände näher zu prüfen, um zu klären, ob überhaupt eine gültige Ehe vorliegt.
Aufgepasst! Hier geht es nicht um ein Hintertürchen, das sich prominente oder reiche Katholiken leisten können. Das kirchliche Ehenichtigkeitsverfahren ist ein genaues Überprüfen der geschlossenen Ehe, ob sie wirklich eine Ehe im Sinne der Kirche war. Gab es zum Zeitpunkt der Trauung einen wesentlichen Mangel bei einem der Partner, dann war zwar der Schein des Ehesakramentes vorhanden, aber es kam nicht zustande.
Für eine derartige Klärung braucht es natürlich Zeit. Die Wunden sind oft zu frisch, um ausgiebig in der Vergangenheit forschen zu wollen. Im konkreten Fall des Taufgesprächs spürte ich, dass ein solches Verfahren zu früh wäre. Vorerst konnte ich nur raten, geduldig zu bleiben und vor allem eines nicht zu tun: Die Glaubenspraxis zu reduzieren. Wenn die beiden im Gebet mit Gott verbunden bleiben, wird sich der nächste mögliche Schritt zeigen.
Oft sieht die Lage allerdings anders aus. Auf die Frage nach der Gültigkeit der zerbrochenen kirchlichen Ehe kommt die Antwort: „Also, die Trauung selber war in Ordnung. Damals wollten wir beide dasselbe. Wir haben uns halt dann auseinander gelebt.“ Oder: „Mein Partner hat sich in eine andere Richtung entwickelt.“ In solchen Fällen ist davon auszugehen, dass die Unauflöslichkeit der Ehe gilt. Die zweite Verbindung ist und bleibt – objektiv betrachtet – ein Bruch der Ehe.
Was das zerbrochene Ehesakrament anbelangt, haben wir als Kirche keine Vollmacht, von der einmal gegebenen Zusage abzusehen. Was Jesus einen Ehebruch nennt, kann die Kirche nicht segnen, auch nicht privat.
Die Nichtzulassung von wiederverheirateten Geschiedenen und deren neuen Partnern zu den Sakramenten ist keine kirchenrechtliche Sanktion oder Strafe, wie oft fälschlicher Weise gesagt wird, sondern Treue zu Gottes Wort. Das Hindernis auf dem Weg zum Kommunionempfang wird nicht von der Kirche aufgestellt. Es liegt bei den Betroffenen selbst: Ihre Lebensverhältnisse stehen im Widerspruch zu jenem Bund zwischen Christus und der Kirche, den sowohl das Sakrament der Ehe als auch das Sakrament der heiligen Eucharistie sichtbar machen. Das festzustellen und auszusprechen, mutet die Kirche ihren Mitgliedern zu, in der Überzeugung, dass der Mensch zu einem Leben in Wahrheit berufen ist. Sicher kann das zunächst wehtun und unbequem sein. Wenn diese Wahrheit aber in Liebe verkündet und angenommen wird, kann sie zu Heilung, Frieden und innerer Freiheit führen.
Was kirchlich gebundene Menschen so schockiert, ist der Gedanke, dass es bei dieser Nichtzulassung zu den Sakramenten kein „Ende in Sicht“ gibt. Immer wieder kann man hören: „Jeder andere Katholik kann wenigstens durch die Beichte wieder zur heiligen Kommunion Zutritt finden, der wiederverheiratete Geschiedene nicht.“ Dieses Argument ist zu bedenken.
Dazu ist zu sagen: Nicht jede Sünde findet automatisch Vergebung. Immer ist das Bemühen, sich zu bessern, erforderlich. Nehmen wir ein Beispiel: Jemand, der aus reiner Nachlässigkeit nur selten am Sonntag die Messe mitfeiert, will anlässlich der Erstkommunionfeier eines Verwandten die heilige Kommunion empfangen. Darf er das? Zunächst nicht, weil er das Gebot „Du sollst den Tag des Herrn heiligen“ nicht befolgt hat! Erst durch eine aufrichtige Beichte tut sich für ihn die Tür zum Tisch des Herrn wieder auf. Doch auch sie setzt den guten Vorsatz voraus, die gebeichtete Sünde möglichst nicht mehr zu begehen: Er wird sich in Zukunft bemühen müssen, durch die Heiligung des Sonntags das dritte der zehn Gebote einzuhalten. Ausschlaggebend ist also die Bereitschaft zur Veränderung.
Bei einem in nichtsakramentaler zweiter Verbindung Lebenden ist die Situation deshalb schwierig, weil der objektive Zustand des „Ehebrechens“ anhält und auch keine Änderung in Sicht ist.
Möglichkeiten des Entgegenkommens sieht die Kirche im nichtsakramentalen Bereich. Die kirchliche Gemeinschaft bemüht sich, wiederverheirateten Geschiedenen und ihrer neuen Familie in all den Bereichen beizustehen, die nicht unmittelbar die sakramentale Ordnung berühren.
Diese Sorge der Kirche gilt vor allem dann, wenn jemand in seiner neuen Beziehung fest im Glauben steht oder sogar erst durch den neuen Partner zu einer tieferen Gottesbeziehung gefunden hat und wirklich mit der Kirche leben will. In diesem Fall sind Zuspruch und Begleitung besonders wichtig. Persönlich habe ich mir angewöhnt, solchen Paaren zu sagen: „In Bezug auf das Sechste Gebot ist in eurem Leben etwas schiefgelaufen. Das könnt ihr momentan nicht reparieren. Bemüht euch deshalb umso mehr, in den anderen Geboten Gottes besonders treu zu sein. Gott wird dieses Bemühen segnen. Er weiß um eure Situation und wird euch die notwendigen Gnaden nicht vorenthalten.“
Folgender Gedanke steht dahinter: Uns als Kirche sind manchmal die Hände gebunden. Wir sind nur Verwalter der Sakramente und des Segens Gottes. Was uns Jesus nicht in die Hände gelegt hat, können wir auch nicht austeilen. Aber Gott ist größer als unsere gebundenen Hände. Deshalb ist die Hoffnung berechtigt, dass jemand mit „gebundenen Händen“ mehr Segen empfängt als einer, dem alle Heilsmittel offenstehen, der sie aber nur oberflächlich oder unwürdig empfängt. Dieser Gedanke scheint mir seelsorglich sehr wichtig zu sein, weil wiederverheiratete Geschiedene leider oft den Eindruck haben, ihre „Sünde“ sei die einzig schwere. In Wirklichkeit wiegen Sünden gegen die Gottesliebe oder Nächstenliebe genauso schwer.
Können Geschiedene, die in einer neuen Partnerschaft leben, wenigstens kirchliche Segnungen empfangen? Viele Segensformen, die allen Gläubigen offenstehen, können auch von ihnen erbeten werden: Segnung von Kreuz, Kerze, Rosenkranz, Adventkranz, Reisesegen, Krankensegen, Blasiussegen, Primizsegen…
In einer meiner Pfarreien gibt es am ersten Donnerstag jeden Monats die Möglichkeit, den Einzelsegen mit dem Allerheiligsten zu empfangen. Das ist eine besondere Form der Begegnung mit Jesus in der Eucharistie. In der Heiligen Schrift heißt es, dass viele Menschen zu Jesus kamen, um wenigstens „den Saum seines Gewandes berühren zu dürfen“ (Mk 6,56), weil eine heilende Kraft von ihm ausging. Dieses Wort lege ich gerne Leuten nahe, die die eucharistische Kommunion nicht empfangen können. Ich lade sie bewusst ein, in der Anbetung des Allerheiligsten Sakramentes und eben in diesem individuellen Segen die Begegnung mit dem Heiland Jesus zu suchen. Dazu können Gläubige einzeln zum Altar vorkommen und werden dort von mir mit dem Allerheiligsten in der Monstranz persönlich gesegnet.
Segnungen, die sich auf die Partnerschaft beziehen, fallen allerdings nicht in den möglichen Bereich. Sie würden den Eindruck erwecken, dass die nach der gebrochenen Ehe eingegangene neue Verbindung als solche von der Kirche anerkannt wird.
Darf ich davon ausgehen, dass Menschen, die bis hierher gelesen haben, mich und die Kirche auch jetzt nicht belächeln, wenn ich etwas Steiles schreibe? Das Nein zum Kommunionempfang von wiederverheirateten geschiedenen Gläubigen kennt eine Ausnahme bzw. ein mögliches Ende. Wenn Menschen, die in einer neuen Beziehung leben, diese nicht wie eine Ehe, sondern als freundschaftliches Miteinander „wie Bruder und Schwester“ leben.
In diesem Fall haben sie die Möglichkeit, das Sakrament der Beichte und daraufhin auch die heilige Kommunion wieder zu empfangen. Sie zeigen damit große Ehrfurcht vor der Heiligkeit des Ehebundes und zugleich Verantwortung vor den Verpflichtungen ihrer neuen Beziehung. Von älteren Paaren wird diese Lebensform durchaus leichter praktiziert, aber auch jüngere, denen die Liebe zu Christus immer wichtiger wird, ringen sich da und dort zu einer solchen Entscheidung durch.
Liest das jemand, der von Glaube und Kirche nur aus den säkularen Medien Bescheid weiß, wird er dafür kein Verständnis aufbringen oder, wie ich vorhin bemerkte, die Sache mit einem mitleidigen Lächeln abtun. Darf ich dazu noch eine sehr persönliche Meinung äußern? Christen in den Ländern Mitteleuropas kommen mit der Tiefendimension des christlichen Glaubens oft zu wenig in Berührung. Wir erleben es in unseren Breiten leider zu selten, dass jemand von Christus und seiner Liebe so erfüllt sein kann, dass er sich über seine natürlichen Neigungen erhebt.
In vielen Ländern der Welt sind Christen bedroht, ausgegrenzt, sich ihres Lebens nie sicher. Wenn etwa in Afghanistan ein Mitglied einer muslimischen Familie Christ wird, wird ihm von den eigenen Angehörigen häufig das Recht auf Leben abgesprochen. Trotzdem gibt es viele, die Christus den Vorzug geben und für den Glauben große Nachteile in Kauf nehmen.
In unserer Gesellschaft zeigt sich ein völlig anderes Bild. Hier wird die Kirche mehr oder weniger offen ausgelacht, wenn sie z. B. unverheiratete Katholiken bittet, auf die sexuelle Vereinigung vor der Ehe zu verzichten, es geschweige denn für möglich hält, dass Menschen längere Zeit oder dauerhaft ohne sexuelle Kontakte leben können. Aber Christen waren schon immer Menschen, die gegen den Mainstream zu leben versuchten. Deshalb möchte ich die Lebensform „wie Bruder und Schwester“ bewusst bewerben als einen guten Weg, der aus der irregulären Ehesituation eine geordnete katholische Lebensweise werden lässt.
Eine solide Hilfe
„Diese Broschüre stellt für die seelsorgliche Praxis eine solide Hilfe dar,“ schreibt Bischof Klaus Küng in der Einleitung von Berufen zu einem Leben in Wahrheit und Liebe von Christoph Haider. Der hier abgedruckte Auszug bestätigt dieses Urteil treffend.
Berufen zu einem Leben in Wahrheit und Liebe. Von Christoph Haider. 38 Seiten. Bestellungen: Pfarramt St. Nikolaus, Otto-Neururer-Weg 11, A-6406 Oberhofen, www.pfarre.oberhofen.info. Druckkostenbeitrag 2 Euro.