VISION 20006/2012
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Nur die lebenslange Ehe macht Sinn

Artikel drucken Die sakramentale Ehe als Zeichen der Hoffnung (Christof Gaspari)

Findet irgendwo eine Hochzeit statt, die Braut im weißen Kleid mit Sträußchen in der Hand, die Hochzeitsgesellschaft festlich gekleidet, in der Kirche oder am Standesamt: dann laufen die Leute zusammen, ein Lächeln erhellt die Gesichter, Tränen werden zerdrückt… In uns allen steckt die Sehnsucht, dass die treue Liebe von Mann und Frau gelingen möge.

Da kommt nicht wirklichkeitsfremde Romantik zum Ausdruck, sondern es tritt die Ursehnsucht des Menschen zutage: ein Leben lang zu lieben und geliebt zu werden. Und die Ehe ist der ideale Raum, diese Sehnsucht zu befriedigen. Sie entspricht der Berufung des Menschen, wie wir sie dem Schöpfungsbericht entnehmen: Der Mensch, nach dem Abbild Gottes geschaffen, tritt als Mann und Frau auf: verschieden, aber absolut gleichwertig. Und diese beiden binden sich aneinander, um eins zu werden. Paulus spricht von einem tiefen Geheimnis, weil in dieser Bindung das Wesen Gottes in der Schöpfung abgebildet wird.
Mann und Frau sind also verschieden. Das wird zwar von der vorherrschenden Gender-Ideologie geleugnet, beziehungsweise als bedeutungslos erklärt. Aber je mehr diesbezüglich geforscht wird, umso offenkundiger wird diese an sich banale Einsicht, die schon jedem Kleinkind einleuchtet. Die Verschiedenheit ist ja sogar in der genetischen Information jeder Körperzelle verankert, sie äußert sich in der deutlich unterschiedlichen hormonellen Steuerung des Organismus, sie ist am Körperbau, an den Sexualorganen, an der unterschiedlichen Gehirnstruktur, der verschiedenartigen Funktionsweise des Herz-Kreislauf-Systems abzulesen… Ja, der Ruf nach einer geschlechtsspezifischen Medizin wird laut.
Abgesehen von der körperlichen Ausstattung beobachtet man markante Unterschiede von Mann und Frau bei der Aufnahme und dem Umgang mit Information. Sie nehmen ihre Umwelt nicht in derselben Weise wahr. Frauen sind eher akustisch, Männer visuell ansprechbar, Frauen denken eher in Beziehungen, Männer in Gegenständen und Ordnungen. Daher auch das größere weibliche Interesse für Personen und die männliche Vorliebe für Funktionales. Männer und Frauen unterrichten denselben Gegenstand anders, sie erleben dasselbe Geschehen anders…
Ich belasse es bei diesen Hinweisen. In meinem Buch Eins plus eins ist eins (Herold 1985) habe ich eine umfassende Darstellung dieser geschlechtstypischen Besonderheiten gegeben. Sie machen deutlich, dass es eben zwei deutlich unterschiedliche Weisen gibt, als Mensch zu leben: eben als Frau oder als Mann. Und diese Besonderheit ist ein großer Schatz, den es gilt, im ehelichen Miteinander fruchtbar zu machen. Denn Mann und Frau sind füreinander besonders.
Natürlich ist die Verschiedenheit auch Quelle von Missverständnissen, von Problemen. Welches Paar hat nicht diese Erfahrung gemacht! Die Andersartigkeit des Partners stellt ja das jeweils eigene Selbstverständnis, das jeder gern als Maß aller Dinge ansieht, in Frage. Und das erzeugt eine gewisse Verunsicherung. Wer sich aber der Begegnung mit dem Anderen stellt, hat die Chance, sich für Neues zu öffnen und die bei ihm weniger entwickelten Facetten zu entfalten. Wieviel durfte ich in den 45 Jahren unserer Ehe von meiner Frau lernen! (Und wie sehr auch umgekehrt: Anm. der Ehefrau beim Korriegieren.)
Dieser Vorgang der Öffnung für die Besonderheit des Anderen setzt aber voraus, dass man ihn für absolut gleichwertig hält und die Andersartigkeit nicht herablassend als Minderwertigkeit interpretiert – nach dem Motto: typisch weiblich! Der Mann ist herausgefordert, in der Frau einen ebenbürtigen Partner zu sehen, und die Frau ist gut beraten, sich vom gängigen Klischee, Männer seien alle Machos, zu befreien.
Für uns Christen ist die Sache eigentlich klar und sie stellte in den Anfängen des Christentums auch die sensationelle Neuheit im Zusammenleben dar: Die Frau ist – im Gegensatz zu den Usancen im Heidentum – dem Mann absolut gleichgestellt. Tatsächlich gibt es ja keine tiefere Verankerung für diese Wahrheit als die Botschaft im Buch Genesis: Der Mann ist Ebenbild Gottes und die Frau ist Ebenbild Gottes – absolut gleichwertig.
Das Wissen um die Gleichwertigkeit allein reicht jedoch nicht. Es geht darum, sich auf Dauer der Geschlechtspolarität auszusetzen. Erst dann kann sie fruchtbar werden. Daher ist die unbedingte gegenseitige Annahme in der Ehe von so zentraler Bedeutung. Bei der Eheschließung geht es darum, aus freien Stücken und unbedingt ja zum Anderen zu sagen. Und dieses Ja gilt es, ein Leben lang zu erneuern, besonders in Krisenzeiten, die wohl die meisten Ehen durchleben.
In unseren Tagen herrscht die falsche Vorstellung, man müsse zuerst ausprobieren, ob man auch zusammenpasst, bevor man sich in eine Ehe einlässt. Das ist ein Trugschluss. Auf diese Weise entsteht keine Beziehung, in der man sich so geben kann, wie man ist. Da steht jeder unter dem Zwang, die „Schokoladenseiten“ des eigenen Charakters in die Auslage zu stellen und die Schattenseiten möglichst zu verbergen – denn sonst besteht ja die Gefahr, dass sich der Partner „vertschüsst“.
Nur, auf Dauer geht das eben nicht. Wir sind nun einmal gebrochene Existenzen, die mit ihren Schwächen auf das Verständnis der Anderen angewiesen sind. Das Ausprobieren hat mit Liebe wenig zu tun.
In diesem Zusammenhang sei an das Wort Johannes Paul II. bei seinem ersten Besuch in Deutschland erinnert, ein Wort, das man sich immer wieder in Erinnerung rufen sollte: Das wirklich Wichtige im Leben könne man nicht auf Probe machen: man könne nicht auf Probe leben (entweder man lebt oder man ist tot), auf Probe glauben (entweder man bezieht Gott in sein Leben ein oder nicht) und man könne nicht auf Probe lieben (entweder nimmt man den Anderen an oder nicht). Liebe fordert eine Entscheidung.
Ehe macht nur Sinn, wenn sie für das ganze Leben geschlossen wird. Für dieses Leitbild müssen wir Christen kämpfen, dieses Ideal müssen wir, so gut es geht, in unserem Leben umsetzen. Wo es nämlich verwirklicht wird, entsteht die Grundvoraussetzung für die Leben spendende Erfahrung, nach der sich jeder sehnt: Du bist geliebt! Ich nehme dich an, so wie du bist, was immer du tust. Es ist gut, dass du bist. Du bist wertvoll, trotz all deiner Schwächen, trotz deines Versagens – ich stehe zu dir!
Diese Erfahrung braucht im Grunde genommen jeder von uns. Nur so können wir uns entfalten. Und das gilt besonders für die Kinder. Sie haben Anspruch darauf, in einen Raum der Geborgenheit und der Liebe hineingeboren zu werden und darin aufzuwachsen. Wer als Kind solche Liebe und Geborgenheit erleben darf, hat die besten Voraussetzungen für eine geglückte Persönlichkeitsentwicklung mitbekommen. Es ist die Tragik unserer Zeit, dass so vielen Kindern dieses entscheidende Kapital vorenthalten wird: durch viel zu frühe Fremdbetreuung, gescheiterte Beziehungen…
An dieser Stelle ist es angebracht, auf eine Realität Bezug zu nehmen, die im verklärten Blick der Verliebten leicht aus den Augen verloren wird: die Gebrochenheit unserer Existenz, das Nebeneinander von guten und schlechten Anlagen, den Hang zum Guten wie zum Bösen. Mit ihnen gilt es, ein Leben lang zurechtzukommen: mit den eigenen Fehlern und denen des Anderen. Bei nüchterner Betrachtung könnte man das leicht als Überforderung ansehen. Dann kommt man leicht zu der Ansicht: Für besonders Begabte mag die lebenslange Ehe machbar sein, aber der Normalverbraucher könne das einfach nicht schaffen.
Hier bewährt sich der Realitätssinn der Kirche. Sie überschätzt den Menschen nicht, ja sie rechnet mit dessen Schwächen. Darum stattet sie die Eheleute mit einer „Garantie“ für das Gelingen ihrer Beziehung aus: Indem sich die Brautleute das Sakrament der Ehe spenden, beziehen sie den lebendigen Gott als Dritten in ihre Beziehung ein. Er allein kann die Bereitschaft und die Fähigkeit schenken, die eigene Last zu tragen und die des Anderen. Er verleiht die Kraft und die Bereitschaft zu verzeihen, wo wir verletzt wurden, Er ruft uns in Erinnerung, wie wertvoll der Partner ist, wenn wir gerade über seine Fehler stöhnen… Und Er stärkt unsere Hoffnung, dass unser Ehepartner sich ebenso führen lässt. Die Voraussetzung für dieses Wirken ist allerdings: dass wir Gott bis in die Einzelheiten unserer alltäglichen Beziehungen einbeziehen.
In unseren Tagen, in denen die Ehe von der Gesellschaft nicht mehr abgesichert ist, wird offenkundig: Ohne die Einbeziehung Gottes sind Ehen, mangels äußeren Drucks zu deren Aufrechterhaltung, zunehmend zum Scheitern verurteilt. Die hohe Zahl von Scheidungen, das vielfältige Scheitern anderer Partnerschaften belegen es. Umso größer die Herausforderung für uns heute: bei den „Neuheiden“ unserer Tage Erstaunen auszulösen, weil an der Hand Jesu Christi dieses erfüllende Abenteuer gelingen kann.
Daher meine Prognose: In einer neuheidnischen Gesellschaft hat nur die sakramentale Ehe wirklich Zukunft. Alle anderen Formen des geschlechtlichen Zusammenlebens sind zum Scheitern verurteilt und führen in den kulturellen Verfall. Denn sie entsprechen nicht der Wahrheit des Menschen.
Wo ein Paar seine Ehe aber aus dem Sakrament lebt, wird sie zu einem erfüllenden Abenteuer. Wir durften es auf unserem gemeinsamen Weg erfahren, bei dem mich meine Frau begleitet, auf dem ich ihr blind vertrauen kann, sie meine Sorgen, vor allem aber auch meine Freuden teilt, mich tröstet und aufbaut und meine Erfolge mitfeiert…


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