Die Jägerwirtin vom Fuschlsee hätte eine besondere Gabe, Menschen anzusprechen und ihnen zu helfen, einen ersten Schritt auf Gott zu zu machen, hatte mir Weihbischof Laun erzählt. Sie wäre sicher ein gutes Portrait für VISION, meinte er. Eine gute Gelegenheit an den Fuschlsee zu fahren, dachten wir uns, ins schöne verschneite Salzkammergut. Der Jägerwirt liegt etwas abseits in ruhiger malerischer Umgebung.
Die Jägerwirtin, Katharina Zopf, eine gut aussehende, schon auf Anhieb sympathische dreifache Mutter erwachsener Kinder, kam uns schon an der Haustüre entgegen. Im „ur“gemütlichen Haus– man merkt sofort, hier leben und arbeiten gläubige Menschen – erzählt mir Katharina ganz unkompliziert aus ihrem Leben. Wir verstehen uns auf Anhieb gut.
Sie wird am 21. Mai 1960 geboren. Vier Mädchen haben die Eltern. Auf dem Anwesen leben auch noch Großeltern und eine Urgroßmutter. Eine schöne Kindheit, sehr behütet habe sie erlebt, erinnert sich Katharina. Von den Eltern sei sie christlich erzogen worden. Ab und zu kommt auch die andere Großmutter auf Besuch. Sie betet abends für die Mädchen und besprengt sie mit Weihwasser. Die Mädchen finden das lustig, da die ganze Mauer vom Weihwasser naß wird. Heute ist sich Katharina so recht bewußt, was für ein Segen es für Kinder bedeutet, wenn die Eltern und Großeltern für sie beten, „was da für ein Weg grundgelegt wird“.
Auch heute leben drei Generationen unter einem Dach und bewirtschaften miteinander den Jägerwirt. Die pflegebedürftige Mutter des Hausherrn wird mitversorgt. Auch die Enkelkinder wollten nicht, daß die Großmutter ins Heim gehen muß. Zwei von Katharinas Kindern leben nicht mehr im Haus: Lukas, 21, ein gelernter Koch ist in Mayrhofen auf Saisonarbeit und Josef, 25, lebt in Abersee. Nur die 17jährige Katharina ist noch zu Hause und hilft viel mit.
Mein Gegenüber erinnert sich an die Zeit zurück, als sie selbst 17 war: Damals beginnt sie den Glauben, den sie von daheim mitbekommen hatte, kritisch zu hinterfragen. Sie nimmt es mit der Lehre der Kirche nicht mehr so genau. Manche Sonntage geht sie in die Messe, andere werden ausgelassen. Ganz läßt sie aber nicht los: So sagt sie eines Tages in einer leeren Kirche zum Kreuz hingewendet: „Wenn es Dich gibt, will ich Dich finden.“
Ihre Ausbildung: Vier Jahre Volksschule in Fuschl, vier Jahre Hauptschule in St. Gilgen und anschließend eine Büro- und Verwaltungsschule in Salzburg. In den Ferien arbeitet sie wie ihre drei Schwestern im elterlichen Betrieb mit. Aus der ursprünglichen Jausenstation wird ein Gasthof, der laufend vergrößert wird.
Mit ihrem ersten Liebeskummer geht sie – trotz aller Zweifel – in die Kirche: „Für mich war sie der große Anker geblieben, an dem man sich festmachen darf,“ meint sie rückblickend. Der Pater, der die Verzweiflung des Mädchens bei der Beichte erkennt, nimmt sich nachher für sie Zeit: „P. Ubald hat mich damals total aufgefangen,“ erinnert sie sich dankbar an den mittlerweile verstorbenen Priester, der sie von da an auf einem neuen Weg begleiten wird.
Was das Neue ist, illustriert eine Geschichte: Mit 19 serviert sie im Lokal. Ein Gruppe von Burschen schimpft über Kirche und Glauben. Dem Mädchen ist das nicht recht, aber sie traut sich nichts zu sagen. Als sie beim Kreuz vorbeikommt, meint sie zum Gekreuzigten hin: „Ich würde Dich ja gerne verteidigen, aber ich trau’ mich nicht.“ Als einer der Burschen zahlen will und ihr statt zwei 100-Schillingscheinen einen Hunderter und einen Tausender gibt, ohne es zu bemerken, reicht sie ihm den Tausender zurück mit den Worten: „Wäre ich kein Christ, wärst du jetzt um 900 Schilling ärmer.“ Betretenes Schweigen in der Runde und das Thema Glaube wird fallengelassen.
Mit 22 verliebt sie sich in den Sepp, ihren späteren Mann. Obwohl nicht christlich erzogen, hatte dieser früher einmal den Herrgott um eine christliche Frau gebeten. Wenn Katharina in eine Kirche geht, um für etwas zu beten, bleibt der junge Mann allerdings meist draußen stehen. Es entwickelt sich eine „moderne“ Beziehung, in die das erste Kind, ihr Sohn Josef, ohne Eheschließung hineingeboren wird. Daß diese Beziehung gefestigt wird, ist auch dem Einfluß von P. Ubald zu verdanken: Als Sepp ihn nun seinerseits kennenlernt, beginnt er, Glauben und Kirche ernster zu nehmen – und das Paar beschließt zu heiraten.
Vor der Hochzeit gibt es noch eine Schrecksekunde für Katharina. Als ihr sympathischer Mann später zum Interview dazustößt, erzählt sie mir die Geschichte vergnügt: Das Brautpaar soll zu einem Beichtgespräch zu P. Ubald, der sie trauen wird. Katharina kommt etwas zu spät und findet ihren Bräutigam nicht. „Der Sepp muß dir etwas wichtiges sagen,“ empfängt sie feierlich einer der Patres und führt sie in die Sakristei: Da sitzt der Sepp in einer braunen Kutte und erklärt ihr mit todernstem Gesicht: „Ich hab’s mir überlegt. Ich gehe doch lieber ins Kloster!“ Da das sehr harmonisch wirkende Paar heuer Silberhochzeit feiert, wissen wir wie die Geschichte ausgegangen ist.
Nach der Hochzeit beginnt ein gemeinsamer Glaubensweg, „mit kleinen Schritten zunächst,“ wie die Jägerwirtin betont. Katharina wird Lektorin in der Kirche, wenn es die Arbeit im Gasthof erlaubt, aber stets in der Auferstehungsfeier, die um 5 Uhr Früh gefeiert wird. Da schaut sie allerdings immer, daß sie nicht die Geschichte von Abraham, der seinen Sohn Isaak opfern soll, lesen muß. Die ist ihr nicht geheuer – was wohl viele von uns nachempfinden können. Nach dem zweiten Sohn Lukas kommt Katharina zur Welt. Von Anfang an ist sie oft krank. Schon mit zwei Monaten stellt sich die erste Lungenentzündung ein. „Sie hat alles erwischt und ich war eine hektische, stets besorgte Mutti.“ Wieder einmal ist sie krank: Keuchhusten. Obwohl erst 1,5 Jahre alt, muß sie mehrmals ins Spital deswegen.
Am Karfreitag ist sie jedoch daheim. Es ist viel los im Betrieb und das Kind wird von der Großmutter betreut. Plötzlich, mittags, kommt diese in den Gastraum gestürzt, das Kind auf den Armen: „Die Katharina ist tot, die Katharina ist tot!“, schreit sie. „Für mich war das, als würde mir jemand ein Messer in die Brust stoßen – auch heute noch, wenn ich an den schrecklichen Moment denke…“, erinnert sich die Mutter. In ihrer Panik nimmt sie das Kind, und läuft mit ihm hinaus, schüttelt es, doch das Mädchen bleibt steif, läuft blau an. Da erinnert sie sich an ihre Großmutter, die erzählt hatte, ihre Kinder seien zweimal „in d’Froas g’falln“ (Ohnmacht). Sie hätte sie dann ins kalte Wasser getaucht, um sie wiederzubeleben. Das macht Katharina jetzt. Sie schüttet kaltes Wasser über das Kind. Dieses schnappt nach Luft und ist wieder da.
Mit dem Notarzt geht es ins Spital. Noch im Krankenwagen verliert die Kleine wieder das Bewußtsein. Fieberkrämpfe sagt der Arzt. Im Spital wieder ein Anfall. Sehr bedrohlich. Es stellt sich heraus: Die Kleine hat außer Keuchhusten auch eine doppelte Lungenentzündung. Den Schleim, der sich in der Lunge angesammelt hatte, werde man nicht ganz heraussaugen können, meint der Arzt. Ob das Baby die Nacht überleben werde, sei äußerst fraglich. In dieser Nacht von Karfreitag auf Karsamstag beobachtet Katharina ihre kleine Tochter ständig.
Die Nacht geht vorbei und das Mädchen lebt noch. Am nächsten Tag versucht Sepp, seine Frau davon zu überzeugen, sie müsse sich daheim um die Söhne kümmern. Die stehen nämlich unter Schock. Er würde bei der Tochter bleiben. Und dann fügt er hinzu: „Wenn Er uns jetzt die Katharina nimmt, mußt du sie auslassen. Sie ist nur Sein Geschenk.“ „Heute verstehe ich ihn, damals hat mir dieser Satz sehr weh getan,“ erklärt mir Katharina.
Sie fährt also heim und verspricht dem Herrn, eine Kapelle beim Haus bauen zu lassen, falls die Tochter gesund würde. Da sie in der Nacht sowieso nicht schlafen kann, geht sie zur Auferstehungsfeier und liest wieder einige der Lesungen. Diesmal allerdings die Geschichte von Abraham, der voll Gottvertrauen bereit ist, seinen Sohn Gott zurückzugeben. „Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich gewußt: Wir haben nichts in der Hand. Alles ist Geschenk. Das Leben ist etwas so Besonderes. Wir können es nicht halten. Ich hab’ einen tiefen Frieden geschenkt bekommen, eine große Freiheit verspürt – wirklich eine Auferstehung.“
Nach der Messe fährt sie ins Krankenhaus und sieht alles mit anderen Augen. „Ich war ganz ruhig, nicht mehr so ängstlich besorgt.“ Das Kind ist noch wochenlang krank, die Lunge total verschleimt. Am 29. April kommt ihr Seelenführer zu ihnen. Heute sei der Namenstag der Kleinen: das Fest der hl. Katharina v. Siena. Er spendet dem Kind die Krankensalbung – und kurz darauf löst sich plötzlich der Schleim: „So groß wie eine Pizza,“ schildert die Mutter anschaulich. Von da an geht es steil bergauf, nicht nur für die kleine Katharina, sondern auch für die große.
„Der Blick auf den Herrn wird ein ganz anderer. Diese Erfahrung mit Ihm hat mich so geprägt und gestärkt, daß ich ab da Dinge zu tun gelernt habe, zu denen ich früher nicht fähig gewesen wäre. Ich konnte nun offen für meine Glaubensüberzeugungen einstehen. Vorher wäre ich dazu zu egoistisch gewesen. Ich mußte wohl gerüttelt werden. Gott ist vor uns, hinter uns, neben uns,“ erklärt sie überzeugt.
Eigentlich hatte die Katharina damals nicht in den elterlichen Betrieb einsteigen wollen. Sie wollte nur Hausfrau und Mutter sein. Nun stellt es sich jedoch heraus, daß die anderen Schwestern alle wegziehen: eine wird Bäuerin, die beiden anderen verlassen das Haus, um zu studieren. Die Eltern sind nun ganz auf ihre Hilfe angewiesen. Sollen sie bleiben? Ist das Gottes Wille? Sie bleiben.
Ihr Mann übersiedelt mit seiner Zimmermannstätigkeit ins Haus, das vergrößert wird. Immer wieder bitten sie Gott: „Laß uns erfahren, was aus dem Haus werden soll.“ Und tatsächlich erkennen sie in den nächsten Jahren immer deutlicher, wie der Herr sie führt, was Sein Plan für sie ist. Der Bau einer Kapelle spielt dabei ein wichtige Rolle: Zum 40. Geburtstag wünscht sich die Gastwirtin die Ziegel für dieses Werk. Viele Freunde wirken dann am Bau der Kapelle mit. Sie bekommt Reliquien geschenkt: von der hl. Erentrudis vom Nonnberg, von Pater Pio, Br. Konrad und der seligen Anna Schäffer. 2004 ist die Einweihung. „Die Kapelle ist für viele Menschen, die es hierher verschlägt, zu einer lebendigen Quelle geworden,“ faßt Katharina ihre Erfahrungen seither zusammen. Denn von nun an sind sie und ihr Mann bemüht, die Freude und Liebe, die ihnen geschenkt wird, weiterzugeben.
„Die letzten 10 Jahre läßt der Herr mich wirklich spüren, wenn jemand zu Ihm hingeführt werden soll,“ erklärt mir die Wirtin. Und da gibt es viele Geschichten von Bekehrungen und Versöhnungen, die sich hier abgespielt haben. Da ist das Ehepaar aus der Steiermark: Zum Hochzeitstag hatte der Mann in einem 4-Stern-Hotel direkt am See gebucht. Weil seine Frau aber lieber an einen ruhigeren Ort fahren will, schauen sie sich im Verkehrsbüro um: „Familiäre Atmosphäre“, heißt es da bei einem Gasthof. Das gefällt der Frau und so landet das Paar beim Jägerwirt.
Katharina spürt: die beiden hat der Herr geschickt. Das Jubelpaar und das Ehepaar Zopf kommen sich bei Gesprächen näher. Es entwickelt sich eine Freundschaft. Die Steirer kommen wieder. Bei Gesprächen erzählt das Ehepaar von seinen Sorgen: Der Sohn sei geschieden. Die Enkelin pendle zwischen Vater und Mutter, ist unglücklich. Ob eine Versöhnung zwischen Sohn und Schwiegertochter vorstellbar sei, fragt Katharina. Unmöglich, meint die Frau. Der Sohn hätte eine nette Freundin, mit der er sich sehr gut verstehe. Ob sie trotzdem bereit sei, jedes Mal, wenn sie kommt, mit ihr gemeinsam in der Kapelle für die Ehe ihres Sohnes zu beten? „Gott kann aus dem größten Scherbenhaufen etwas machen, man soll Ihn nicht unterschätzen,“ fügt sie hinzu. Ohne wirklich daran zu glauben stimmt die Frau zu.
Es vergehen ein paar Jahre (!), in denen die zwei Frauen für das Anliegen beten. Zu Katharinas Überraschung kommt das Ehepaar eines Tages mit dem Sohn und dessen Freundin auf Urlaub. Es ergeben sich gute Gespräche. Und am Ende des Urlaubs geht das junge Paar mit Katharina in die Kapelle. Nach einem kurzen Gebet läßt sie die beiden allein mit dem Herrgott. Ein paar Tage später ruft die Steirerin an und erzählt: Die Freundin habe ihren Sohn verlassen.
Zunächst erscheint die Situation chaotisch. Niemand ist so recht glücklich. Was wird jetzt? Dann aber kommen zwischen den geschiedenen Eheleuten immer, wenn die Tochter zwischen den Eltern hin und herpendelt, Gespräche in Gang. Und schließlich finden die beiden wieder zueinander. Ein neuer gemeinsamer Weg beginnt. Als die junge Familie auf Urlaub zum Jägerwirt kommt, führt des Ehemannes erster Weg ihn direkt in die Kapelle. Hier hatte die Wende ihren Anfang genommen.
Die Freundin, die das Opfer gebracht hatte, wird von der Jägerwirtin im Gebet nicht vergessen. Auch sie soll ihr Glück finden. Katharina vertraut darauf, daß der Herr auch für sie sorgen wird: „Ich habe gelernt, daß ich total darauf vertrauen kann, daß Er unsere Bitten hört.“ Die Fürsprache der Heiligen und Seligen, deren Reliquien in der Kapelle aufbewahrt sind, tragen wohl dazu bei.
Noch eine ähnliche Geschichte hat sich hier abgespielt: Die Freundin eines reichen Münchner Bauunternehmers kommt nämlich nach Gesprächen in der Kapelle darauf, daß ihre Situation als Wochenendfreundin neben der Ehefrau des Freundes eigentlich nicht ihr Weg sein kann. Sie verläßt den Verehrer, der ihr darauf erbost den Rat gibt: „Du brauchst einen Psychiater.“
Kein Wunder, daß bei solchen Ereignissen Anfechtungen kommen. Der Widersacher tritt auf den Plan. Dann erlebt die Jägerwirtin, wie Ängste sie bedrängen, sie spürt, daß das Geschehen hier den Zorn des Bösen heraufbeschwört. Dann sucht sie Zuflucht beim Herrn: „Ich weiß einfach, daß ich mich nicht ins Bockshorn jagen lassen darf. Gott hat mit jedem von uns einen Plan, zu dem wir jederzeit stehen können. Trotzdem ist es nicht immer einfach das Richtige durchzuziehen, obwohl ich darauf vertrauen kann, daß das Licht immer stärker als die Finsternis ist,“ gesteht sie nachdenklich.
Viele von uns vergessen das und verleugnen aus Angst vor Nachteilen, vor den Massenmedien oder der Meinung anderer den, der die Wahrheit ist. „Aufrecht dazu stehen, auch wenn man manchmal am Boden liegt,“ so anschaulich und nur scheinbar widersprüchlich würde ich Katharinas Haltung kennzeichnen.
Es gibt auch Gäste wie jener Mann, der das Kreuz im Zimmer heruntergenommen und verkehrt auf den Tisch gelegt hat. Die Wirtin nahm das Kreuz aus dem Zimmer und hat das Gespräch mit dem Gast gesucht. Die Früchte solcher Gespräche sind nicht immer erkennbar. „Den Kindern ist oder war es schon manchmal peinlich, wenn ich öffentlich etwas sage oder Zeugnis gebe,“ bekennt Katharina und schmunzelt: „Gar nicht so einfach eine gläubige Mutti zu haben.“ Meistens ertragen die Kinder es tapfer. Ab und zu aber hört sie dann auch: „Mutti, hast du das jetzt sagen müssen?!“
Wenn ich Katharina Zopf erzählen höre, finde ich es geradezu unglaublich, wie oft sogar besonders Fernstehende sich ihre Worte nicht nur gefallen lassen, sondern gerade das Zeugnishafte suchen.: „Ganz verschiedene Menschen kommen. Die zunächst Aggressivsten erwischt es oft am heftigsten,“ stellt sie fest.
So war es auch bei einem erklärten, reichen Atheisten: „Ich hätte eher gedacht, daß er in einem 5-Stern-Hotel absteigen würde, aber das Essen bei uns hat ihm so geschmeckt (Anmerkung: die Wirtin kocht selbst und nur mit den besten Zutaten). Vom Glauben wollte er absolut nichts hören. Und doch hat er einige Monate später angerufen: Er müsse mich ein paar Sachen fragen. Er käme mit seiner Frau für drei Tage.“ Als er dann da ist, gesteht er: „Irgend etwas spüre ich in Ihrem Haus, was ich noch nie gespürt habe.“
Diesmal geht er in die Kapelle und zieht aus dem Körberl mit den Bibelsprüchen folgendes Kärtchen: „Hättest du allen Reichtum der Erde, hättest du nichts. Hast du mich, hast du alles!“ Von nun kommt er alle sechs Monate und es gibt Glaubensgespräche bis tief in die Nacht. Auch seine Frau zieht auf dem neu entdeckten Weg mit. Heuer wollen sie zu Ostern in die Auferstehungsfeier gehen.
Auch mit kranken Gästen hat sie berührende Erfahrungen machen dürfen: Da war die schwerkranke Frau aus der ehemaligen DDR: multiple Sklerose. Dem Glauben steht sie fern – außer der kommunistischen Jugendweihe gab es dort ja nichts. Dann aber in der Kapelle: Bei einem Kreuzweggebet mit Katharina erkennt sie sich selbst unter dem Kreuz. Tief betroffen, Gott einen Schritt näher gekommen zu sein und mit ihrem Schicksal halbwegs versöhnt fährt sie wieder heim. Mittlerweile möchte sie in die katholische Kirche eintreten.
Gut gefällt mir auch die Geschichte mit den 30 Radfahrern die mit einem Autobus kommen und eine Woche geblieben sind. Schon der Busfahrer deutet an, wie unmöglich die Gruppe sei. Auch das Personal stöhnt während der Woche, weil die Radler schwierig und unfreundlich sind. Beim letzten Frühstück möchte sich die Wirtin nicht nur mit „Gute Reise“ verabschieden. Also erzählt sie ihnen von der Kapelle und deren Geschichte mit einem kurzen persönlichen Zeugnis. Dann ladet sie ein, zum Abschluß in die Kapelle zu gehen und ein Kärtchen mit einem Bibelvers zu ziehen. Das sei eine ganz persönliche Botschaft für jeden von ihnen.
Sie staunt dann nicht schlecht, als tatsächlich alle nacheinander hingehen und ein Kärtchen ziehen. Der Gast, der sich während der Woche am ärgsten aufgeführt hat, bleibt sogar eine Viertelstunde in der Kapelle, liest immer wieder sein Kärtchen. Tränen laufen über seine Wangen. Sichtlich be?rührt, umarmt sie jeder der Gäste zum Abschied und bedankt sich.
„Es macht doch Freude über den Herrn und Seine Wunder zu reden,“ fügt sie an und lacht dann herzlich: „Früher habe ich mich gar nichts getraut, heute kommt mir keiner mehr aus, dem es gut täte, der Kapelle einen Besuch zu abzustatten.“ Und: „ Es gibt doch kaum jemand der keine Probleme und nicht Sehnsucht nach der Wahrheit hat, die ihn frei machen kann. Keiner soll verloren gehen.“ Auch der Ehemann nicht, der zunächst jedesmal geräuschvoll den Raum verläßt, wenn vom Glauben die Rede ist, um die Wirtin zuletzt zu bitten, mit ihm und seiner Frau in die Kapelle zu gehen: Sie hätten Eheprobleme.
Wenn besonders grantige oder aggressive Gäste da sind, solche eben mit einer besonders rauhen Schale, ist Katharina zur Muttergottes gegangen, um sie zu bitten: „Leih mir bitte für fünf Minuten dein Lächeln. Vielleicht hilft ihnen das.“ Was für eine gute Idee!
Katharinas Eltern und ihr Mann stehen immer ganz hinter ihr. Und daß die Kinder sehr wohl auch auf diesem Weg unterwegs sind, zeigt folgende Begebenheit: Es ist Weihnachten und die Eltern erklären den Kindern, die sonst über zuviel Gebet klagen, heuer könnten sie diesen Tag gestalten. „Da haben sie uns dann fast überfordert. Sie wollten nämlich schon in der Früh Rosenkranz beten, zu Mittag auch und am Abend wieder. Da haben wir etwas ganz anderes erlebt, als erwartet,“ erinnert sich die Mutter lachend.
Auch als sie sich vor einem Jahr vor Schmerzen kaum bewegen, ja nicht einmal beten konnte, kam ihre Tochter an ihr Bett. Sie setzte sich und sagte: „Wenn du nicht beten kannst, bet’ ich für dich.“ „Das hat mir gewaltig gut getan,“ erinnert sich die Jägerwirtin.
Wir beschließen unser Zusammensein mit einem gemütlichen Teegeplauder mit ihrem Mann Sepp. Katharinas Mutter und ihre Tochter schauen auch vorbei. Es war wieder einmal ein für mich sehr bereicherndes Gespräch: mit einer mutigen Frau, deren mütterliches Herz sich um die Menschen sorgt, die hier Erholung suchen: nicht nur um deren leibliches, sondern auch um deren seelisches Wohl.