Wieder ein „Reformpapier“ im deutschsprachigen Raum: „Kir?che 2011: Ein notwendiger Aufbruch“. 261 katholische Theologen haben ein Memorandum an die deutschen Bischöfe verfaßt. Der Tenor: Die Kirche stecke in einer tiefen Krise; sie brauche Strukturreformen, um zu überleben.
Nach den Mißbrauchsskandalen im Vorjahr gehe es endlich um Reformen. Die „Freiheitsbotschaft des Evangeliums bildet den Maßstab für eine glaubwürdige Kirche,“ liest man. Was würde sie nach Ansicht der Theologieprofessoren glaubwürdiger machen? Dazu einige Zitate aus dem Katalog der sechs Forderungen:
•„Was alle angeht, soll von allen entschieden werden“, also „mehr synodale Strukturen auf allen Ebenen“, Beteiligung der Gläubigen „an der Bestellung wichtiger Amtsträger (Bischof, Pfarrer)“
•„Die Kirche braucht auch verheiratete Priester und Frauen im kirchlichen Amt.“
•„Die kirchliche Hochschätzung der Ehe und der ehelosen Lebensform (…) gebietet nicht, Menschen auszuschließen, die Liebe, Treue und gegenseitige Sorge in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft oder als wiederverheiratete Geschiedene verantwortlich leben.“
Das Memorandum endet mit dem Aufruf zum „Dialogprozeß“, zum „fairen Austausch von Argumenten“, um die Kirche aus „ihrer lähmenden Selbstbeschäftigung“ herauszuführen. Laut publik-forum.de haben am 9. März (7 Uhr 34) 44.639 Personen den Forderungskatalog unterschrieben.
Wie üblich, wenn Kirchenkritik angesagt ist, nehmen sich die Medien wohlwollend des Themas an. Erstmals aber werden auch Gegenstimmen laut. Katholische Laien melden sich zu Wort, um klar zu machen, daß die Herrn und Damen „professores“ nicht wirklich für das Kirchenvolk, die von der Hierarchie angeblich unterdrückte „Basis“, sprechen. „Pro Ecclesia“ sammelt im Internet Unterschriften (10938 am 9. März um 8 Uhr 21) für eine Gegenerklärung (www.petitionproecclesia.wordpress.com). Sie bittet die Bischöfe, ein deutliches Signal zu setzen, daß der Zölibat kein Auslaufmodell ist, dafür zu sorgen, daß die Lehre der Kirche an den Unis gelehrt, eine einheitliche, würdige Liturgie gefeiert und die katholische Lehre über Ehe und Familie herausgestellt werde…
Erfreulich auch die Reaktion von Studenten der katholischen Theologie: Sie haben sich mit dem Memorandum auseinandergesetzt (www.memorandumplusfreiheit.wordpress.com). „Wir können nicht anders, als unsere Enttäuschung über das ,Memorandum’ zum Ausdruck zu bringen,“ heißt es zu Beginn und an einer anderen Stelle: „Aus unserer Sicht, der Sicht der jungen Generation, sind manche Themen schon längst nach allen Richtungen durchdiskutiert. Ist es denn der Sache angemessen, immer wieder bestimmte Forderungen vorzubringen, ohne daß dafür wirklich neue oder tiefere Argumente beigebracht würden, und ohne Berücksichtigung universalkirchlich getroffener Entscheidungen?“
Damit legen die Studenten den Finger tatsächlich auf einen wunden Punkt: Was die Professoren da unter dem Schlagwort „Dialog“ ansprechen, ist zum Großteil längst durchdiskutiert. Kein Wunder, handelt es sich doch um Forderungen, die seit Jahrzehnten erhoben werden: mit der „Kölner Erklärung: Wider die Entmündigung – für eine offene Katholizität“ (1989 unterzeichnet von 220 Professoren), dem „Kirchenvolks-Begehren“ (1995 unterzeichnet von 505.154 Personen), dem Dialog für Österreich (Delegiertentagung, Salzburg 1998)…
Immer wieder dieselben Forderungen, immer wieder der Appell, endlich in einen Dialog einzutreten. Dabei sind die Positionen längst geklärt. Die Argumente liegen auf dem Tisch. Sie wurden von den zuständigen kirchlichen Stellen bedacht und beantwortet.
Da gab es das Apostolische Schreiben Pastores dabo vobis im Anschluß an die Weltbischofssynode 1990. Sie hebt die Bedeutung des Zölibats für den priesterlichen Dienst hervor, was durch die Bischofssynode 2005 bestätigt wurde. Anläßlich der Synoden wurde auch deutlich die besondere Berufung zum priesterlichen Dienst herausgestellt.
Oder was die Ehe anbelangt: Da heißt es im Weltkatechismus: „Das Band der Ehe wird somit von Gott selbst geknüpft, so daß die zwischen Getauften geschlossene und vollzogene Ehe nie aufgelöst werden kann. Dieses Band, das aus dem freien menschlichen Akt der Brautleute und dem Vollzug der Ehe hervorgeht, ist fortan unwiderrufliche Wirklichkeit und stellt einen durch die Treue Gottes gewährleisteten Bund her. Es liegt nicht in der Macht der Kirche, sich gegen diese Verfügung der göttlichen Weisheit auszusprechen.“ (1640)
Auch bezüglich des wiederkehrenden Rufes nach dem Priestertum der Frau gibt es eine eindeutige Festlegung. Papst Johannes Paul II. erklärte am 22. Mai 1994 (Ordinatio Sacerdotalis) feierlich, „daß die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und daß sich alle Gläubigen endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.“
Und schließlich: Auch zum Thema Homosexualitä gibt es klare Worte im Weltkatechismus (2357): „Gestützt auf die Heilige Schrift, die sie als schlimme Ab?irrung bezeichnet, hat die kirchliche Überlieferung stets erklärt, daß die homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind. Sie verstoßen gegen das natürliche Gesetz, denn die Weitergabe des Lebens bleibt beim Geschlechtsakt ausgeschlossen. Sie entspringen nicht einer wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit. Sie sind in keinem Fall zu billigen.“
Nur werden diese Antworten von den „Reformern“ einfach nicht zur Kenntnis genommen. Indem sie dieselben Anliegen fortgesetzt wiederholen, bewirken sie aber genau das, was sie selbst kritisieren: eine „lähmende Selbstbeschäftigung“ der Kirche. An Schlüsselstellen sitzend, kritisieren sie die Lehre, statt sie attraktiv zu verkünden.
Denn sie ist attraktiv: „Die Kirche sollte nicht dem Zeitgeist hinterherlaufen. Sie sollte sich auf den Kern des Glaubens besinnen und viel offensiver und selbstbewußter klarmachen, wofür sie steht,“ rät ihr Matthias Matussek, „Spiegel“-Redakteur.
Und Peter Seewald, bekannt durch Licht der Welt, das Interview-Buch mit Papst Benedikt, weist darauf hin, daß die Dynamik der Kirche über all dort gegeben ist, wo Menschen freudig die katholischen Lehre annehmen. Es sind „Menschen, die sich berühren ließen, die eine Botschaft haben, und die nun selbst etwas bewegen wollen. Nicht mit Ultimaten, in denen sie von Hoffnungslosigkeit, von letzten Chancen sprechen, sondern im Glauben an Christus, in der festen Hoffnung, daß alles möglich ist, in dem Bewußtsein, daß nicht sie allein es sind, die Kirche halten und gestalten, sondern daß dahinter jemand steht, der größer ist.“
Daher die Bitte an alle, die unermüdlich Kirche und Lehre umkrempeln wollen: Laßt uns, die wir die Kirche trotz aller ihrer Fehler lieben, einfach römisch-katholisch bleiben! Die Weltjugendtage in Madrid werden zeigen, daß wir zahlreicher und viele von uns jünger sind, als Ihr glaubt.
Christof Gaspari