Manche Leser erinnern sich viel?leicht an den Aufruf in VISION 4/09, an Friedhöfen Mahn-, Ge?denk- und Begräbnisstätten für abgetriebene Kinder zu errichten. Für eine Salzburger Professorin, die so etwas schon länge?re Zeit geplant hatte, war der Artikel der letzte Anstoß für die Errichtung eines Gedenksteins.
Doch bis dahin war es ein längerer Weg. Die Professorin hatte in jungen Jahren selbst auf tragische Weise ein Kind verloren. Und nun pilgerte sie monatelang durch die Amtsstuben der Magistrats-Bürokratie mit ihrem Wunsch: Sie wolle – komplett auf eigene Kosten – auf dem Salzburger Kommunalfriedhof einen kleinen Gedenkstein aufstellen lassen, um an die vielen abgetriebenen Kinder zu erinnern.
Über den Text der Inschrift, über Größe und Art des Steines würde sie durchaus mit sich reden lassen, nur am größten Friedhof Salzburgs sollte es halt sein, an einer bestimmten Stelle, die sie sich ausgesucht hatte: Gegenüber dem Denkmal für Opfer der Gewalt und für die Vermißten, dort, wo sich auch der Rondo mit dem anonymen Urnenhain befindet.
In den zuständigen Ämtern der Stadt Salzburg wollte man von einem derartigen Gedenkstein allerdings gar nichts wissen. Dies sei mit der Friedhofsordnung nicht in Einklang zu bringen, andere Grabinhaber könnten sich gestört fühlen, die Friedhofsruhe könnte gestört werden und womöglich seien sogar Demonstrationen zu befürchten – so die Argumente aus dem Magistrat.
Die Professorin hielt all diese Ablehnungsgründe für vorgeschoben, denn sie hatte sich genau informiert. Es gebe auch etliche andere Gedenkstätten auf dem Friedhof, zum Beispiel für die totgeborenen Kinder, und ein derartiger Gedenkstein für abgetriebene sei sehr wohl mit der Friedhofsordnung vereinbar.
„Wen und warum soll ein solcher Gedenkstein denn wirklich stören?“
Da nahm sich eine Regionalzeitung, das Salzburger Fenster, der Sache an und befragte im April 2010 ihre Lesergemeinde: „Soll die Errichtung dieses Gedenksteines am Kommunalfriedhof erlaubt werden – oder nicht?“ Die Reaktionen waren überwältigend: Zahlreiche Leser beteiligten sich an der Diskussion, ein Zeichen, wie wichtig dieses Thema den Menschen ist. Das Ergebnis war eindeutig: 90% (!) der befragten Leser waren dafür.
Die vielen positiven Reaktionen in der Leserdiskussion bestärkten die Initiatorin, nicht aufzugeben. „Ich möchte, daß es einen Ort gibt, wo man der abgetriebenen Kinder gedenken kann und zum Ausdruck kommt, ihr seid nicht vergessen“, schilderte sie ihre Beweggründe.
Die Stadtpolitiker wurden nachdenklich – und stellten die nächsten Hürden auf. Wenn explizit „für abgetriebene Kinder“ darauf stehen solle, könne das als Provokation aufgefaßt, die Friedhofsruhe gestört werden. Es gebe doch auf dem Friedhof bereits eine gut angenommene Gedenkstätte für still- bzw. totgeborene Kinder. Warum könne nicht diese in Anspruch genommen werden? Sogar die Internet-Homepage der Stadt wurde geändert, um darauf hinzuweisen: „Ein Ort der Stille, der dazu einlädt, Abschied zu nehmen von Kindern, die durch Fehlgeburt, Totgeburt oder durch Abtreibung von uns gegangen sind“.
Für die Professorin, der es bewußt um einen eigenen Ort nur für abgetriebene Kinder ging, war das jedoch keine Lösung, sie kämpfte weiter. Das Schicksal der tot- oder fehlgeborenen Kinder ist ein anderes, weniger grausames als das der abgetriebenen. Denn diese namenlosen, wehrlosen kleinen Menschen werden (zumeist) in einer Abtreibungsklinik getötet, von den Eltern dort zurückgelassen und dann als Sondermüll entsorgt.
Am 8. Dezember 2010, dem Fest der Unbefleckten Empfängnis Mariens, haben Franziskaner nun den Gedenkstein eingeweiht. Er hat die Form einer viereckigen Martersäule (Marterl) mit einem Bild der Gottesmutter und dem Jesuskind und der Inschrift: Den Kindern, die nicht geboren werden durften, zum Gedenken! Wir leben, gebt uns einen Namen. „Möge nun dieser Ort des Trauerns und Besinnens ein mahnender Meilenstein zum Schutz allen Lebens sein und dafür, die unzähligen, namenlosen Ungeborenen nicht zu vergessen“, wünscht sich die Initiatorin.
Hoffentlich finden sich weitere Menschen, die solche Gedenk- und eines Tages auch Begräbnisstätten errichten. Sie legen mit diesem Akt der Menschlichkeit und Barmherzigkeit ein öffentliches Bekenntnis dafür ab, was Christen glauben, wenn sie von der Unantastbarkeit menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod reden!
Andreas Kirchmair
DI Kirchmair war auch Autor des Artikels in VISION 4/99.