Ausgerechnet Aschermittwoch: Es wird eine besondere Fastenzeit werden in diesem von Papst Benedikt ausgerufenen Jahr des Glaubens. Eine Fastenzeit, wie sie die Kirche so noch nicht erlebt hat. Eine Zeit der Buße und Erneuerung, die auf Ostern vorbereitet. Auf ein Osterfest, das nach dem Amtsverzicht Benedikts mit einem neuen Papst begangen wird.
Spiegelt sich in dieser so besonderen Fastenzeit des Jahres 2013 nicht zeichenhaft das große Pontifikat des Heiligen Vaters? War seine gesamte Amtszeit nicht wie ein immer neu ertönender gewaltiger Ruf nach Erneuerung, Vertiefung, Verinnerlichung, nach einem Aufbruch der Kirche hin zum Wesentlichen? Hin zum gekreuzigten und auferstandenen Herrn, den allein es zu verkündigen gilt, weil nur er die eine heilende und befreiende Antwort auf die Nöte und Leiden der Menschen in dieser aus den Fugen geratenen Welt ist.
Ausgerechnet Aschermittwoch: In dieser besonderen Fastenzeit 2013 sind Dimensionen berührt, die menschliches Begreifen und Verstehenwollen weit übersteigen. Wir sind nicht nur staunend Zeugen eines einzigartigen Momentes der Kirchengeschichte. Für Gläubige, die den lebendigen Gott in seiner Kirche wirksam wissen, ereignet sich hier „auf offener Bühne“ ein Stück Heilsgeschichte. Noch sitzt der Schock über die Rücktrittsankündigung tief, aber da ist auch ein Gefühl für die Größe und Dramatik dieser Stunde der Kirche.
Mit dem Rückzug Benedikts endet nicht nur die achtjährige Amtszeit des deutschen Pontifex. Das „Doppelpontifikat“ Wojtyla-Ratzinger findet seinen Abschluss. Darin besteht die eigentliche Zäsur für die Kirche. Seit 1981 hat Joseph Ratzinger zunächst als Präfekt der Glaubenskongregation und enger Berater des seligen Papstes Johannes Paul II. die Geschicke der Weltkirche maßgeblich mitbestimmt ehe er 2005 selbst auf den Stuhl Petri gewählt wurde. Was jetzt zu Ende geht, das ist kein Pontifikat des Übergangs. Dafür sind acht Jahre eine viel zu lange Zeit. Aber um das ganze Ausmaß dieser historischen Zäsur zu erfassen, muss man weit über diese acht Jahre Benedikts im Petrusdienst zurückblicken. Eben bis zu den Anfängen der Tätigkeit des polnischen Papstes in Rom.
Für viele fühlt es sich an, als sei ihnen mit dem Rücktritt des „Santo Padre“ Benedetto der geistliche Vater abhanden gekommen. Ein Vater, an dem man sich stets orientieren konnte, weil er ebenso klug wie fromm war, weil er lebte, was er verkündete, weil er sich nicht beugte, wenn seine Kritiker auf ihn eindroschen, weil man an ihm sehen konnte, dass Demut nicht klein, sondern in Wahrheit groß macht.
Es wird eine Zeit dauern, bis sich die Traurigkeit darüber, dass dieser große Papst nun aus freien Stücken den Fischerring abgibt, in Dankbarkeit wandelt. Aber Dankbarkeit ist die richtige Reaktion. Danken wir Gott für diesen Papst, der das Steuer des Schiffes Kirche in stürmischen Zeiten sicher auf dem Kurs des Evangeliums hielt.
„Professor Papst“ war ein überragender Lehrer des Glaubens, verständlich in der Sprache, klar im Bekenntnis, bestechend in seiner Logik, grenzenlos in den Weiten seines Geistes. Nichts braucht die Kirche in dieser Zeit dringender als die Festigung und Erneuerung des Glaubens, der in weiten Teilen einstmals christlicher Kernländer sich verflüchtigt hat. Die große Bedeutung des Pontifikates von Papst Benedikt gerade im Blick auf die Erneuerung des Glaubens und der Theologie wird sich erst aus der Distanz von Jahren, vielleicht Jahrzehnten zeigen. Doch schon jetzt ist erkennbar, welchen ungeheuren Schatz der Heilige Vater der Kirche in die Hände legt: Seine Enzykliken, die Jesus-Bücher, die zahllosen Ansprachen, Predigten und Verlautbarungen, ein theologisches Gesamtwerk, dessen Wert kaum zu ermessen ist. Da fällt reicher Samen in das Erdreich der Kirche. Wie groß die Frucht am Ende wird, hängt davon ab, wie sehr man den Samen pflegt.
Hier wird man in der Rückschau gerade auch im deutschen Sprachraum einräumen müssen, dass viele, auch in der Kirche, den Sämann Benedikt alleingelassen haben. Mehr noch: Sie haben das Erdreich betoniert statt gelockert und Gift gespritzt, statt geistlichen Dünger zu geben. Auch das gehört zur Geschichte der Ratzinger-Ära. Fest steht freilich: Die Deutungshoheit über dieses Pontifikat haben nicht die ergrauten Zwerge und peinlichen Dummschwätzer, die nun in Talkshows über einen Geistesgiganten „zu Gericht sitzen“. Die Bedeutung der Amtsjahre des Ratzinger-Papstes wird die Geschichte zeigen. Doch schon heute lässt sich erkennen: Mit den Pontifikaten von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. ist ein fester Grund gelegt, auf dem die Kirche sicheren Fußes in die Zukunft pilgern kann.
Der Autor ist Cherfredakteur von Die Tagespost, sein Beitrag ist auszugsweise der Ausgabe v. 14.2.13 entnommen.