VISION 20002/2013
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„Ich gehe nicht vom Kreuz weg“

Artikel drucken Worte bei der letzten Generalaudienz (Papst Benedikt XVI.)

Als ich am 19. April vor fast acht Jahren eingewilligt habe, den Petrusdienst zu übernehmen, hatte ich die feste Gewissheit, die mich immer begleitet hat: diese Gewissheit, dass die Kirche lebt und zwar aus dem Wort Gottes.

Wie ich schon mehrmals erzählt habe, vernahm ich in meinem Innern diese Worte: „Herr, warum verlangst du das von mir, und was verlangst du von mir? Es ist eine große Last, die du mir auf die Schultern legst, aber wenn du es von mir verlangst, werde ich auf dein Wort hin die Netze auswerfen, in der Gewissheit, dass du mich leiten wirst, auch mit all meinen Schwächen.“ Und acht Jahre danach kann ich sagen, dass der Herr mich wirklich geführt hat, er ist mir nahe gewesen, täglich habe ich seine Gegenwart wahrnehmen können.
Es war eine Wegstrecke der Kirche, die Momente der Freude und des Lichtes kannte, aber auch Momente, die nicht leicht waren; ich habe mich gefühlt wie Petrus mit den Aposteln im Boot auf dem See Gennesaret: Der Herr hat uns viele Sonnentage mit leichter Brise geschenkt, Tage, an denen der Fischfang reichlich war, und es gab Momente, in denen das Wasser aufgewühlt war und wir Gegenwind hatten, wie in der ganzen Geschichte der Kirche, und der Herr zu schlafen schien.
Aber ich habe immer gewusst, dass in diesem Boot der Herr ist, und ich habe immer gewusst, dass das Boot der Kirche nicht mir, nicht uns gehört, sondern ihm. Und der Herr lässt sie nicht untergehen; Er ist es, der sie lenkt, sicherlich auch durch die Menschen, die Er erwählt hat, denn so hat Er es gewollt. Das war und ist eine Gewissheit, die durch nichts verdunkelt werden kann. Und das ist der Grund, warum mein Herz heute voll Dankbarkeit gegenüber Gott ist, weil Er es der ganzen Kirche und auch mir nie an seinem Trost, seinem Licht, seiner Liebe hat fehlen lassen.
Wir befinden uns im Jahr des Glaubens, das ich wollte, um gerade unseren Glauben an Gott zu stärken in einem Kontext, der ihn immer mehr als nebensächlich betrachtet. Ich möchte alle einladen, ihr festes Vertrauen auf den Herrn zu erneuern, sich wie Kinder den Armen Gottes anzuvertrauen, in der Gewiss­heit, dass diese Arme uns immer stützen und uns ermöglichen, Tag für Tag voranzuschreiten, auch in der Mühsal.
Ich möchte, dass jeder sich geliebt fühlt von jenem Gott, der seinen Sohn für uns hingegeben und uns Seine grenzenlose Liebe gezeigt hat. Ich möchte, dass jeder die Freude empfindet, Christ zu sein. In einem schönen Gebet, das man jeden Morgen beten sollte, heißt es: „Ich bete dich an, mein Gott, und ich liebe dich von ganzem Herzen. Ich danke dir, dass du mich erschaffen hast und mich hast Christ werden lassen…“
Ja, seien wir froh über das Geschenk des Glaubens; es ist das kostbarste Gut, das niemand uns nehmen kann! Danken wir dem Herrn jeden Tag dafür, mit dem Gebet und mit einem kohärenten christlichen Leben. Gott liebt uns, aber er erwartet, dass auch wir ihn lieben!
(…) Lassen Sie mich da noch einmal auf den 19. April 2005 zurückkommen. Das Schwere der Entscheidung lag gerade auch darin, dass ich nun vom Herrn immer und für immer beansprucht war. Immer – wer das Petrusamt annimmt, hat kein Privatleben mehr. Er gehört immer und ganz allen, der ganzen Kirche. Sein Leben wird sozusagen ganz entprivatisiert.
Ich durfte erleben und erlebe es gerade jetzt, dass einem das Leben eben darin geschenkt wird, dass man es weggibt. Vorhin habe ich davon gesprochen, dass die vielen Menschen, die den Herrn lieben, auch den Nachfolger des heiligen Petrus lieben und ihm zugetan sind. Dass er wirklich Brüder und Schwestern, Söhne und Töchter rundum auf der ganzen Welt hat und in ihrer Gemeinschaft geborgen ist. Weil er nicht mehr sich selber gehört, gehört er zu allen, und alle gehören zu ihm.
Das „immer" ist auch ein „für immer” – es gibt keine Rückkehr ins Private. Meine Entscheidung, auf die aktive Ausführung des Amtes zu verzichten, nimmt dies nicht zurück. Ich kehre nicht ins private Leben zurück – in ein Leben mit Reisen, Begegnungen, Empfängen, Vorträgen usw. Ich gehe nicht vom Kreuz weg, sondern bleibe auf neue Weise beim gekreuzigten Herrn. Ich trage nicht mehr die amtliche Vollmacht für die Leitung der Kirche, aber im Dienst des Gebetes bleibe ich sozusagen im engeren Bereich des heiligen Petrus. Der heilige Benedikt, dessen Name ich als Papst trage, wird mir da ein großes Vorbild sein: Er hat uns den Weg für ein Leben gezeigt, das aktiv oder passiv ganz dem Werk Gottes gehört.

Auszug aus der Ansprache bei der letzten Generalaudienz am Petersplatz am 27.2.13

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