VISION 20003/2013
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Glaube in veränderter Umwelt

Artikel drucken Ãœber die Notwendigkeit entschiedenen Glaubens wie zu den Anfangszeiten der Kirche (Von Christof Gaspari)

Europa steht an der Schwelle eines tiefgreifenden kulturellen Wandels, der in Freiheit voll­zo­genen Abkehr von seiner christ­lich geprägten Kultur. Für Chris­ten eine Herausforderung, ihren Glauben als bewusste Entscheidung für Christus zu leben.

Jedes Jahr, wenn in der Osterzeit die Texte aus der Apostelgeschichte gelesen werden, bin ich beeindruckt, mit welchem Totaleinsatz, welcher Opferbereitschaft, mit welcher Begeisterung diese Männer und Frauen ihr Leben in den Dienst Gottes gestellt haben. Natürlich handelt es sich da um eine Elite. Selbstverständlich hat es auch unter den ersten Christen laue Anhänger, Mitläufer, vielleicht auch Opportunisten gegeben.
Weil es aber in diesen Anfangszeiten fast ausschließlich Erwachsene waren, die den Schritt auf Jesus Christus zu gemacht haben und getauft wurden, weil sie dies außerdem unter Lebensumständen taten, bei denen sie durchaus mit Verfolgung rechnen mussten, war das Glauben weit eher ein existenzieller Akt, eine bewusste Entscheidung, als dies heute weitverbreitet der Fall ist.
Die in Europa bis ins 20. Jahrhundert bisher vorherrschende christliche Kultur stellt in gewisser Weise einen Ersatz für die Notwendigkeit einer persönlichen Entscheidung dar: Man wird in ein christlich geprägtes Milieu geboren, als Kind getauft, bekommt in der Schule Religionsunterricht verordnet und geht mit seinen Klassenkameraden zur Erstkommunion und zur Firmung. Die christliche „Karriere“ wird mit einer Hochzeit in der schön geschmückten Kirche fortgesetzt und erreicht ihr Ende beim kirchlichen Begräbnis auf dem mit Kreuzen und Blumen geschmückten Friedhof.
Dass Vieles von dem hierzulande immer noch weitverbreiteter Usus ist, überrascht eigentlich. Denn längst hat sich das Gros der Menschen, die noch r.k. in den Personalpapieren stehen haben, innerlich von der Kirche, vom Glauben verabschiedet.
Es wird nicht lange dauern, und diese Restbestände von Christlichkeit landen auf der Abfallhalde der Geschichte. Dafür wird der gottlose Säkularismus sorgen, der sich immer deutlicher als Staatsreligion in den westlichen Ländern etabliert. Er beruht auf einem Menschen- und Weltbild, das sich der Gottlosigkeit verpflichtet fühlt. Verkauft wird er zwar als weltanschauliche Neutralität. Diese Art von Neutralität gibt es jedoch in Wahrheit nicht. Mag sein, dass dies nur Christen erkennen können, weil ihnen die Worte des Herrn geläufig sind: „Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich; wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut“ (Mt 12,30);  „Getrennt von mir könnt ihr nichs vollbringen (Joh 15,5)… Ohne Gott geht eben nichts. Das lesen wir schon im Alten Testament: Im geistigen Bereich geht es um Entweder-Oder, um Ja zu Gott oder Nein, um Leben oder Tod. Und das Leben ist nur zu haben, wenn einer den Herrn liebt, auf Seine Stimme hört, sich an Ihm festhält, „denn er ist dein Leben.“ (Dt 30,19) Wir sind also gewarnt. Es geht, wie gesagt, um Leben und Tod. Und unsere Eliten sind drauf und dran, uns in den Tod zu führen, eben in die „Kultur des Todes“. Wer nur halbwegs die Augen offen hält, erkennt das: die Legalisierung von Abtreibung, Euthanasie, von vorgeburtlichen Tauglichkeitstests in Mutterleib und Retorte, die Organentnahme, die Embryonen verbrauchende Forschung sind direkt auf Tötung ausgerichtet. Andere Maßnahmen haben indirekt lebensfeindliche Wirkungen: die massive Propagierung der Verhütung, die Gender-Politik und die mit ihr einhergehende Homosexualisierung, die Destabilisierung, ja Zerstörung der Familien durch Sexpropaganda, Pornographie und außerhäusliche Glücksverheißung…
Was die längste Zeit als Ideologie in den Medien salonfähig gemacht wurde, hat sich in handfesten Gesetzen niedergeschlagen. Und weit und breit findet sich auf politischer Ebene niemand, der diese modernen „Errungenschaften“ wieder rückgängig machen würde.
Im Gegenteil, zunehmend wird es schwierig an diesen Denkmälern des „Fortschritts“ (Abtreibung, Euthanasie, Homo-„Ehe“, Embryonenforschung, usw…) auch nur Kritik zu üben – und sei sie noch so gut begründet und wissenschaftlich abgesichert. Die Tendenz geht sogar dahin, die Eckpfeiler des neuen Welt- und Menschenbildes strafrechtlich abzusichern. So hat die Bundestagsfraktion der Grünen im heurigen März den „Entwurf eines Gesetzes zur Ahndung von Therapien mit dem Ziel der Änderung der sexuellen Orientierung bei Minderjährigen“ in den deutschen Bundestag eingebracht. Er sieht Strafen für Therapeuten vor, die homosexuellen Jugendlichen auf deren Wunsch helfen, aus ihrer fehlgepolten sexuellen Orientierung herauszufinden.
Was ist da zu tun? Noch einmal: Es geht bei all diesen Fragen nicht um Nebensächlichkeiten, sondern um Leben und Tod. Und das kann uns als Christen nicht gleichgültig lassen. Wir müssen uns also auf eine – mittlerweile gar nicht mehr so neue , aber vielfach in ihrer Bedeutung unterschätzte – Situation einstellen: Das Ende der christlich geprägten Kultur zeichnet sich ab. Wir müssen als Christen einfach damit rechnen, unseren Glauben in einem feindlichen Umfeld leben zu müssen. Millionen von Glaubensgenossen in vielen, insbesondere muslimischen, Ländern der Welt ergeht es schon lange so.
Für uns verwöhnte Wohlstands-Christen stellt das allerdings eine gewaltige Herausfordeerung dar. Denn das unbedachte Mitschwimmen in einem weitgehend wohlwollenden Milieu könnte demnächst ein Ende haben. Konfrontation des eigenen Glaubens mit den Anschauungen der Umwelt prägen jetzt schon den Alltag des Christen, diese Situation wird sich jedoch aller Voraussicht nach verschärfen.
Zugegeben: Dieses Szenario wirkt einerseits bedrohlich – ist es ja auch. Es bietet aber auch die Chance Aspekte unseres Glaubens ins Auge zu fassen, die vielfach in den Hintergrund getreten waren: Dass die Existenz des Christen auf einer Entscheidung beruht, einer Entscheidung für Jesus Christus, einer Entscheidung zur Nachfolge auch dann, wenn es schwierig, dornig, ja lebensgefährlich wird.
An dieser Stelle müssen wir von der Kreuzesnachfolge sprechen. Mir fällt das durchaus nicht leicht. Denn wirklich schwere Prüfungen blieben mir bisher erspart. Aber Papst Franziskus selbst war es, der dieses Thema als eines der ersten in seinem Pontifikat angesprochen hat. „Wenn wir ohne das Kreuz gehen, wenn wir ohne das Kreuz aufbauen und Christus ohne Kreuz bekennen, sind wir nicht Jünger des Herrn: Wir sind weltlich, wir sind Bischöfe, Priester, Kardinäle, Päpste, aber nicht Jünger des Herrn.“ (S. 28) Verständlicherweise überhört man das gern. Aber es gehört nun einmal zur Botschaft Christi. Und der abgedroschene Slogan: „Frohbotschaft statt Drohbotschaft“ kann an dieser Wahrheit nichts ändern.
Das Jahr des Glaubens ist also wirklich die Chance, unseren Glauben zu vertiefen. Zu erkennen, dass die Nachfolge Christi mit – weltlich gesehen – auch groben Nachteilen verbunden sein kann. Dennoch bleibt diese Botschaft aber eine Frohbotschaft, weil sie die Augen dafür öffnet, dass auch die Rückschläge von Gottes liebender Vorsehung für uns umfangen sind. Nur so lässt sich auch der tollkühne Wagemut der Apostel nach Pfingsten erklären, wenn sie den staatlichen Stellen, die Jesus brutal ermordet hatten, auf deren Gebot, künftig den Mund zu halten, erwidern: Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben. (Apg 4,20) Und: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. (Apg 5,29)
Daraus lassen sich Konturen einer Wegweisung für die kommende Zeit im Jahr des Glaubens ableiten: Gott wirklich den ersten Platz im Leben einzuräumen. Carlo Caretto hat mir einmal im Gespräch gesagt, es vergingen keine vier Minuten in seinem Leben, an denen er nicht in irgendeiner Form Verbindung zum Herrn aufnimmt. Wie weit bin ich davon entfernt!
Und sobald jemand diesen Weg der intensiven Nahebeziehung zu Jesus Christus eingeschlagen hat, wird auch der erste Ausspruch der Apostel in unserem Leben Raum finden: Wir werden unsere Erfahrungen mit dem lebendigen Gott einfach nicht mehr für uns behalten können, sondern das dringende Bedürfnis verspüren, anderen die Augen zu öffnen, für das Wunderbare, das ihnen entgeht, wenn sie sich nicht für die liebende, vorsorgende, tröstende, heilende Nähe des allmächtigen Gottes öffnen.
Je nach Naturell, Alter, Begabung geht jeder diesen Weg auf besondere Weise. Da gibt es kein Schema. Aber die Richtung ist vorgezeichnet. Und es drängt, dass wir uns aufmachen, jeder damit der Heilige Geist Raum in uns findet. Denn der Herr steht vor der Tür, wie Er gesagt hat: „Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten, und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir.“ (Offb 3,20)

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