VISION 20003/2013
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Maria, die Mauern einriss

Artikel drucken Eine Ikone an der Mauer zwischen Jerusalem und Bethlehem

Eine  8  Meter hohe Trennmauer zwischen der Westbank und Israel zieht sich wie eine Narbe durch das Heilige Land. Sie trennt Familien, lässt  Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren, reduziert  den Handel und isoliert Dörfer und Nachbarn. Wer von Jerusalem nach Bethlehem will oder umgekehrt, der muss durch Checkpoints der israelischen Armee. Es scheint, als ob der Friede, den die Engel den Hirten auf den Feldern Bethlehems verheißen hatten, heute unerreichbar ist. Die Menschen im Westjordanland fühlen sich wie Gefangene im eigenen Land.
Manche Künstler haben an der Mauer zwischen Betlehem und Jerusalem Namen, Zeichnungen, Graffiti, politische Sprüche und Karikaturen angebracht. Daneben schuf der englische Ikonenmaler Ian Knowles ein herrliches Marienbild mit dem  Titel: „Maria, die die Mauern niederriss.“ Der Künstler verwendete  dabei Techniken, die auf das 6. Jahrhundert zurückgehen. Für ihn ist die Schöpfung einer Ikone ein geistliches Tun: „Ich versuche,  mich dabei in die Gegenwart Christi und die Gemeinschaft der Heiligen zu versetzen. Ikonen kann man nur mit dem Herzen malen.“
Die Gottesmutter thront über einer Mauer, die schon Sprünge aufweist. Der Mond zu ihren Füßen ist ein weiteres Zeichen der Vergänglichkeit und Garant  dafür, dass auch diese Mauer eines Tages fallen wird. Drei alte Olivenbäume sprechen symbolisch für die Kraft des Glaubens, der Hoffnung und  der Liebe. Unter dem Bild ist ein Tor gemalt  mit dem Blick auf das  „himmlische Jerusalem“, wo alle Tränen der Trauer abgewischt werden.   
Daneben hängt ein Schlüssel, Symbol für Maria als der Schlüssel zu Jesus: „Tut, was Er euch sagt!“ (Joh 2,5).  Die Gottesmutter ist schwanger. Ihr Gesicht ist von Schmerz geprägt über das Leid ihrer Kinder. Sie möchte den Menschen nahe sein, die ihre Arbeitsstelle durch die Mauer  verloren haben, die  nicht wissen, wie die unsichere Zukunft weiter geht, die voller Ängste und Nöte sind, deren Probleme sich wie diese unüberwindliche Mauer auftürmen.
Während   Stacheldraht und Beton  die Menschen voneinander trennen, verheißt  diese Ikone Hoffnung für die Eingemauerten. Hoffnung auf Frieden bei den Menschen (Lukas 2,14). Denn wo Menschen Mauern errichten, hat Gott längst begonnen, diese zu überwinden.
Das ist die Botschaft der „Gottesmutter an der Mauer“: Ich bin  immer euch nahe,  besonders  denen, die schutzlos sind. Deshalb  ist  „Maria an der Mauer“ ein großes Zeichen der Hoffnung. Dort in Betlehem, wo Jesus in ärmsten Verhältnissen geboren wurde, ruft Maria die Menschen auf,  mit Blick auf ihre Ikone trotz scheinbar unüberwindbarer Hindernisse  in Liebe und Solidarität einander zu dienen und zu helfen.  Maria hat ihr Ja gesagt bei der Menschwerdung des Gottessohnes. Sie ist ihrem Sohn auch in der  schmerzlichen Stunde seines Lebens  bis unter dem Kreuz treu geblieben. Sie ist auch heute  die helfende Brücke zu den leidenden Menschen und die Mutter aller Völker.  
Karl-Heinz Fleckenstein


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