VISION 20003/2013
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Ins Herz geschrieben

Artikel drucken Ãœber die Bedeutung des Naturrechts

Dieses Buch hat den Untertitel „Das Naturrecht als Fundament einer menschlichen Gesellschaft“ und behandelt in leicht verständlicher Sprache tiefschürfende Fragen der Rechtsphilosophie und der Rechtsgeschichte und deren Bedeutung für unsere heutigen Probleme. Menschenrecht zum Leben, das Naturrecht als Grundlage der Ehe sowie dessen Bedeutung für das Recht auf Eigentum, für das Vertragsrecht und den Sozialstaat sind nur einige der Themen. „Die europäische Rechtskultur ist ohne diese Wirklichkeit des Naturrechts nicht zu verstehen.“ Warum dieses Verständnis so wichtig ist, davon handelt dieses Buch.
Es ist faszinierend, wie der Autor den Bogen spannt vom großen griechischen Philosophen Aristoteles (384–322 v. Chr.) über den Stoiker Antipater von Tarsos, zur römischen Rechtswissenschaft des 2. Jahrhunderts v. Chr. bis zu den heute in Kraft stehenden Gesetzbüchern.
Erhellend und sehr wichtig sind die Ausführungen zu Hans Kelsens Theorie des Rechtspositivismus bzw. dessen Ablehnung der Naturrechtslehre. Kelsen lehnt das Naturrecht ab, weil dieses nur als der Sinn des Willens einer gerechten Gottheit verstanden werden kann. Er spricht von einer „Illusion, dass die Gerechtigkeitsnorm, die es wählt, von Gott, der Natur oder der Vernunft stammt“, und dass viele für diese Illusion jedes sacrificium intellectus bringen, also ihren Verstand opfern.
Dem hält der Autor entgegen, dass dann „die gesamte Entwicklung der abendländischen Philosophie seit Platon über Aristoteles und die Stoa zunächst zu Cicero, dann zu Augustinus, über den hl. Thomas von Aquin, die spanische Naturrechtsschule bis zur Naturrechtslehre der Aufklärung mit den Naturrechtskodifikationen des 18. und 19. Jahrhunderts und zu den Bemühungen im vorigen Jahrhundert um die Menschenrechte eine ununterbrochene Kette von Aufopferungen des Verstandes gewesen wäre.“ Kelsen wisse offenbar nicht, wovon er spricht.
Als sehr schönes Beispiel für das Wissen um das Naturrecht in der Menschheitsgeschichte zitiert der Autor aus Antigone von Sophokles (496–406 v. Chr.). Trotz des ausdrücklichen Verbotes des Königs Kreon bestattete Antigone den Leichnam ihres Bruders Polyneikes, was dem König zugetragen wird. Antigone leugnet nicht und bestätigt auch, dass ihr das Verbot bekannt war. Sie wollte sich „aus feiger Furcht vor Menschensatzung“ nicht „der Götter Strafgericht zuziehen“.
Neueren Datums ist der Hinweis auf das seit dem Jahre 1811 geltende ABGB und dessen §16: „ Jeder Mensch hat angeborene, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte.“ Und Artikel 1 Absatz 2 (deutsches) Grundgesetz bekennt sich zu „unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte(n) als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt“, was nur auf der Grundlage des Naturrechts möglich ist.
Es werden Themen angesprochen und in einem sehr aufschlussreichen Zusammenhang dargestellt wie die Bildung des Rechtsbewusstseins, die Bewertung der verbrauchenden Forschung an menschlichen Embryonen als gegen das Folterverbot verstoßend, Krieg und Gewalt, Flucht und Emigration, Vergeudung öffentlicher Gelder. Relativ ausführlich beschäftigt sich der Autor mit dem Problem der Organentnahme bzw. des Hirntodes, der – wie erweislich – keine Diagnose, sondern lediglich eine Prognose und daher klar abzulehnen ist.
Den Hirntod nennt der Autor ein „Harvard-Dogma“, verkündet im Interesse des Milliardengeschäftes Organtransplantation. Ein äußerst wichtiges Thema, das hier bestens abgehandelt wird.
Dazu passt eine Äußerung von Papst Benedikt XVI. am 21.2.2009 vor der päpstlichen Akademie für das Leben, bei Durchsetzung des technischen und medizinischen Fortschritts schrecke man vor keiner „Niederträchtigkeit“ zurück.
Zum Lebensrecht des ungeborenen Kindes zitiert der Autor aus den Institutiones – ein Lehrbuch des hochklassischen römischen Juristen Gaius (2. Jhdt. n. Chr.): „Diejenigen, die in einer gültigen Ehe empfangen werden, erwerben ihre Rechtsstellung (status) im Zeitpunkt der Empfängnis.“ Diese Rechtsnorm hat sich erhalten bis zu den sogenannten Naturrechtsgesetzbüchern.
Im Allgemeinen Landrecht für die Preussischen Staaten von 1794 ist bestimmt: „ Die allgemeinen Rechte der Menschheit gebühren auch den noch ungebornen Kindern schon von der Zeit ihrer Empfängniß“. Und §22 unseres ABGB lautet: „Selbst ungeborene Kinder haben von dem Zeitpunkte ihrer Empfängnis an einen Anspruch auf den Schutz der Gesetze. Insoweit es um ihre und nicht um die Rechte eines Dritten zu tun ist, werden sie als Geborene angesehen.“
Diese Gesetzesbestimmung, die seit dem Jahre 1811 gilt, ist noch immer in Kraft und zeigt ihre Wirkung darin, dass für das ungeborene Kind ein Kurator bestellt werden kann, wenn es um seine Vermögensrechte geht. Sein Leben jedoch ist gesetzlich nicht mehr geschützt.
Wie sehr wir in der Rechtsentwicklung zurückgefallen sind, kritisiert der Autor in folgender Textstelle:
„Aber hier kam in Österreich die Realität blank zum Vorschein, dass kein Menschenrecht etwas nützt, wenn eine politische Ideologie die Macht hat, darüber hinwegzugehen. Selbst der österreichische Verfassungsgerichtshof hat sich im Jahre 1974 offen der Ideologie angeschlossen, die mit der Fristenlösung über das Lebensrecht des ungeborenen Kindes hinweggegangen ist. Sobald es um die Durchsetzung ideologischer Ziele unter dem Deckmantel des Rechts ging, durften Rechtsnormen keinen dem ideologischen Ziel im Wege stehenden Sinn haben. Dies hat ein kompetentes Mitglied des Verfassungsgerichtshofes im Zusammenhang mit dem Erkenntnis zur Fristenlösung in dankenswerter Offenheit klargestellt. Wilhelm Rosenzweig hat in seinem Beitrag zur Festschrift für Christian Broda offen ausgesprochen, dass für den österreichischen Verfassungsgerichtshof nicht seine verfassungsmäßig zugeordnete Aufgabe maßgeblich war, die Entscheidung einer einfachen Parlamentsmehrheit an der Verfassung zu messen, sondern maßgeblich war vielmehr jene ‚politische Willensentscheidung‘, die von der aus dem ‚Kampf um ihre Programme‘ siegreich hervorgegangenen Partei getragen ist.“
Was hier an fundierter Kritik am fehlenden Lebensrecht des Kindes zusammengetragen wurde, das allein macht dieses Buch schon überaus bemerkens- und lesenswert.

Alfons Adam

Ins Herz geschrieben: Das Naturrecht als Fundament einer menschlichen Gesellschaft. Von Wolfgang Waldstein. Sankt Ulrich Verlag, Augsburg; 173 Seiten, 19,90 Euro

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