VISION 20003/2013
« zum Inhalt Lesenswerte Bücher

Angriffe von außen und innen

Artikel drucken Die Katholische Kirche unter Beschuss

Es ist klar zu erkennen, dass die Kirche weltweit Angriffen aus­gesetzt ist: Zunächst sicher von außen durch die offene Verfolgung, die sie in vielen Ländern erleidet – insbesondere in Län­dern mit muslimischer Mehrheit – aber auch durch eine wachsende Intoleranz und Diskriminierung in Ländern mit jahrhundertealter christlicher Zivilisation. Gefährlicher aber sind die Angriffe von innen…

Der gefährlichere Angriff – darauf hat Papst Benedikt XVI. hingewiesen – ist jener, der aus dem Inneren der Kirche kommt. Das fängt mit dem „nicht-katholischen Denken“ an, vor dessen Eindringen in die Kirche  schon Paul VI. gewarnt hatte. Heute hat dieses Denken weite Bereiche und viele Geister entscheidend erfasst. Daher ist die Ausbildung in den Seminaren und den theologischen Fakultäten ein zentraler Angelpunkt für die Erneuerung der Kirche. Immer häufiger setzen sich dort nämlich die Ansichten einzelner Theologen von der Lehre der Kirche ab, werden die Inhalte des christlichen Glaubens auf irrige Weise verschleudert oder in aller Seelenruhe durch Thesen und kritische Betrachtungen ersetzt, um dessen Gehalt zu zerstören.
Viele Glaubenswahrheiten werden heute banalisiert und zu symbolischen Aussagen degradiert – angefangen bei den Wundern, die Jesus gewirkt hat, über die Auferstehung bis hin zum Endgericht und zur Existenz der Hölle – oder aber im aussichtslosen Bemühen um Anpassung an die Welt „verheutigt“. Das ist beispielsweise bei Fragen der Geschlechtsidentität der Fall. Nicht umsonst hat Benedikt XVI. in seiner Ansprache vor der Römischen Kurie am Vorabend des letzten Weihnachtsfestes diesen Fragenkomplex als größte künftige Herausforderung für die Kirche bezeichnet. In der Ablehnung, die natürliche Vorgabe, das heißt die von Anfang an bestehende Gegebenheit von Mann und Frau anzuerkennen, und sie nach Belieben durch eine eigene Entscheidung, diesem oder jenem Geschlecht anzugehören, zu ersetzen – so warnte Papst Ratzinger – verbirgt sich die Verneinung der Schöpfung, die Ablehnung Gottes und damit des Menschen selbst.
Daraus wird klar, dass sich an diesem zentralen Punkt die Zukunft des Menschen entscheidet. Und natürlich geht es auch um die Zukunft der Kirche, wenn man bedenkt, dass derzeit immer unverhüllter an den theologischen Fakultäten – ebenso wie in Pfarren und katholischen Zeitungen – ansatzweise Thesen vertreten werden, die die Gender-Theorie in die Lehre der Kirche zu integrieren versuchen. Die Schäden, die das verursacht, sollten allen klar sein, insbesondere wenn man bedenkt, dass der sogenannte Missbrauchsskandal seine Wurzeln in dieser – theoretisch behaupteten und praktizierten – Verkehrung der Schöpfung hat.
Dazu ist es notwendig, daran zu erinnern, dass fast 90%  der nachgewiesenen Fälle von Pädophilie – ein Faktum, das sich auf die USA bezieht, für alle anderen Fälle jedoch wohl richtungweisend sein dürfte – tatsächlich Fälle von Homosexualität sind: Der Miss­brauch bezog sich tatsächlich nicht auf vorpubertäre Minderjährige (technisch gesehen wird das als Pädophilie bezeichnet), sondern auf männliche Jugendliche (Ephebophilie). Und das fällt unter die mit der Homosexualität einhergehenden Probleme. (…)
Wenn es in diesem Fall vor allem um die Lehre geht und sich der Ungehorsam einschleicht, ohne sich offen gegen das Lehramt zu stellen, so tritt er in anderen Fällen offen in Erscheinung. In den letzten Jahren sind, insbesondere in Europa, lautstarke Initiativen von Priestern und Bischöfen entstanden, die sich in schriftlicher Form gegen die Lehre der Kirche in Fragen der Sexualmoral, des priesterlichen Zölibats, des Frauenpriestertums auflehnen. Es sind keineswegs neue Argumente, neu ist jedoch das Ausmaß des Phänomens, das in einigen Ländern – siehe Schweiz, Österreich, Deutschland – größere Kreise des Klerus und des Episkopats zu interessieren scheint.
Bei diesem Projekt ist unübersehbar, dass es Episkopate gibt, die zu einer Lockerung der Beziehungen zu Rom tendieren und zu einer „Regionalisierung“ der Kirche (wie es einige deutsche Bischöfe genannt haben), und zwar im Namen einer falschen Vorstellung von Kollegialität, die nicht jene des 2. Vatikanischen Konzils ist.
Die diesbezüglichen Spannungen sind ziemlich stark und es wird großer Weisheit und großer Standfestigkeit bedürfen, um zu verhindern, dass es zu dramatischen Spaltungen kommt.

Riccardo Cascioli
Auszug aus „Il Timone“ April 2013

© 1999-2024 Vision2000 | Sitz: Hohe Wand-Straße 28/6, 2344 Maria Enzersdorf, Österreich | Mail: vision2000@aon.at | Tel: +43 (0) 1 586 94 11