VISION 20004/2013
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Gott hat alles bewirkt

Artikel drucken Sr. Roberta Matuschek, in deren Leben Wunder zur alltäglichen Erfahrung gehören (Von Alexa Gaspari)

Eher klein, ein ganz liebes Gesicht, freundliche Augen, so kommt mir Schwester Roberta am Bahnhof in Graz, wo wir uns verabredet hatten, entgegen. Gemeinsam fahren wir zum Haus der Schulschwestern nach Eggenberg. In der Schule ist gerade Unterricht. In einem der Räume lassen wir uns nieder. Dort hat eine Schwester für uns schon etwas zu essen und trinken hergerichtet. Wir fangen gleich mit dem Interview an, da Sr. Roberta heute noch nach Prag fährt.
Was ich denn von ihr wissen möchte, fragt sie. „Erzählen Sie, was Gott in Ihrem Leben bewirkt hat,“ antworte ich. Sie schaut mich an, lächelt und meint: „Na, alles hat Er bewirkt.“
Sr. Roberta erzählt mir dann viel über ihre Kindheit und Jugend in Kroatien. Ihr Urgroßvater, ein Volksdeutscher aus Prag, von Beruf Schmied, hatte sich in Slawonien als Siedler niedergelassen. So kommt es, dass Sr. Roberta dort –  in Drenski Slatinik hieß sie Anna Matuschek – als fünftes von zehn Kindern in den dreißiger Jahren zur Welt kam.
Die gefährliche Zeit ihrer Kindheit hat sie sichtlich geprägt. Doch Sr. Roberta betont, sie habe sich bei all den bedrohlichen Ereignissen, von denen sie berichtet und die voller Gefahren für das Kind Anna waren, immer beschützt gefühlt. Sie und ihre Familie hätten sich stets auf die Führung des Heiligen Geistes verlassen.
Da ist etwa die Geschichte, als kroatische Partisanen Anfang der 40-er Jahre das Bauerndorf überfallen, die Mutter mit dem Gewehrkolben schlagen und alles plündern, den Strohschober anzünden, sie selbst schließlich gefangen genommen wird, aber dann doch entkommen kann. Oder als sie sich etwas später mit ihrer Cousine aufmacht, um 16 Kilometer durch die Linien der Partisanen hindurch den Vater, der bei der deutschen Wehrmacht in Kroatien eingezogen worden war und möglicherweise die große Schlacht gegen die Partisanen nicht überlebt hatte, zu suchen. „Wir haben schon gezittert,“ erzählt die Schwester und die Anspannung von damals ist ihr heute noch anzumerken, „aber wir haben immer gebetet ‚Maria, unter deinen Schutz und Schirm’ und andere Gebete.“
Oder wie sie alle den Himmel bestürmt haben, damit der Vater, der zum Tod verurteilt worden war, der Erschießung entgehe. Und so geschah es dann auch: Vielleicht weil der General seine Mitschuld an dem Vorfall erkannt hatte. Denn er hatte die verzweifelt angeforderte Hilfe der fast völlig aufgeriebenen Einheit verweigert und dadurch Annas Vater dazu gebracht, die letzten überlebenden Soldaten vor dem feindlichen Feuer zu bewahren und hinter die Front zu schicken. Der Vater selbst hatte ja mit einem Freund die Stellung gehalten. Auf jeden Fall war zum Schluss niemand mehr da, der die Exekution hätte vornehmen können und der Vater wurde in die Kaserne zurückgeschickt.
Sie erzählt auch, wie die Kinder nach Osijek evakuiert wurden wegen der Gefahr, von den Partisanen ins Vernichtungslager geschickt zu werden. Weil in dieser Stadt die deutsche Wehrmacht stationiert war, kann sie dort weiter ein deutsches Gymnasium mit Internat besuchen. Allerdings ist es fast unmöglich heimzufahren. Die Züge werden immer wieder überfallen oder zum Entgleisen gebracht. Doch Annas Heimweh ist zu groß. Nur einmal, so bittet sie den Bruder, der sie besuchen kommt, möchte sie nach Hause. Unmöglich, zu gefährlich. Anna läuft in die Kirche: „Wenn du die Gottesmutter bist, dann kannst du mir das jetzt zeigen, damit ich nicht aufhör’ zu glauben. Der Franz hat gesagt, er fährt jetzt wieder heim und lässt mich da. Ich will aber heim. Hilf mir!“ Und tatsächlich: Der Bruder kommt zurück und nimmt sie mit. Die Heimfahrt dauert aber so lange, dass sie nur wenige Stunden daheim verbringen kann: „Aber das habe ich nie vergessen: Die Muttergottes hat es so eingerichtet, wie ich es mir gewünscht habe.“
Als Sr. Roberta mir unglaublich berührend von der Typhuserkrankung ihres kleinen Bruders im Dezember 1943 erzählt, habe ich den Eindruck, das sie das alles noch einmal hautnah erlebt. Fast tut es mir leid, dass ich der Grund für dieses Erinnern bin. Doch auch diese Geschichte hat letztlich mit dem Himmel zu tun. Mehrmals hatte die Mutter versucht, mit dem kranken Buben durch die Partisanenlinie zum Arzt zu gelangen. Es wird ihr jedes Mal verwehrt. Als es die Partisanen endlich gestatten, ist es zu spät. Der kleine Johann stirbt auf dem Heimweg. Es ist der 27. Dezember, sein Geburts- und Namenstag.
Anna im fernen Osijek erfährt es erst im Jänner. Die Erinnerung an diesen Tag bewegt sie sichtlich. „Da hab ich zwei Tage nur geweint. Wir Geschwister haben uns ja sehr, sehr gern gehabt. Ich konnte mich einfach nicht trösten.“ Doch dann: „Eines Nachts habe ich geträumt: mein Bruder kommt und spielt mit mir. Und er hat gesagt: ‚Weine nicht, es ist so schön, wo ich bin. Jetzt muss ich wieder weggehen.’ – Wo gehst du hin, hab ich ihn gefragt, dann komm ich dich besuchen. – ‚Da kannst du noch nicht herkommen,’ war seine Antwort. Und dann war er weg. Von da an war ich getröstet. Ja, das waren schon schwere Zeiten. Aber das war etwas so Schönes…“
Ja und dann: auch die Geschichte der Vertreibung von zu Hause: Die Schwester darf sich nicht einmal die Schuhe anziehen und muss in Hausschuhen raus aus dem  Bauernhof. Die Deutschen sollen in ein Vernichtungslager der Partisanen gebracht werden. Auch diese Geschichte geht „gut“ aus, denn ein Partisanenoffizier erinnert sich, dass ihn der Vater einmal vor dem Militär beschützt hatte und verhindert daher die Zwangsverschickung ins Todeslager.
Mit der allgemeinen  Evakuierung der deutschsprachigen Bevölkerung gegen Ende des Krieges beginnt die völlige  Zerstreuung der Familie. Kathi, die jüngere Schwester kommt erst nach Ennsling, später nach Bürgg. Anna wird mit ihrer Klasse in der Nähe von Zwickau in einer Schule mit Matratzenlager aufgenommen. Kein Luxusquartier: „Einmal am Tag gab es Suppe und ein Stück Brot. „In dieser Zeit habe ich Magengeschwüre bekommen. Das habe ich aber nicht gewusst und es auch nicht so beachtet.“
Wie sie das alles ertragen konnte? „Ich weiß nicht wieso, aber es war für mich alles nicht so schwer,“ wundert sich die Schwester selbst. Vielleicht weil sie, wie schon in Osijek, mit ihren zwei Freundinnen täglich den Rosenkranz betet und regelmäßig in die Kirche geht? „Es war halt so. Und wir haben immer Vertrauen gehabt: Der liebe Gott wird uns schon helfen. Und ich habe eigentlich auch nie Angst gehabt“, fügt sie wie selbstverständlich hinzu. Also war sie auch vor der Angst beschützt und mit einem gewissen Gleichmut gewappnet.
Auch dafür, dass sie an­schließend ihre Familie in Leoben wieder findet und dann in Ennsling die Schule fortsetzen kann, ist sie nur dankbar. Die kleinere Schwester ist aber mittlerweile mit ihrer Klasse verlegt worden. Anna würde sie gerne zu sich holen. Doch auch diese Entscheidung möchte sie nur mit dem Hl. Geist treffen, auf dessen Führung sie vertraut: Eines Tages steht sie also schon im Mantel und mit dem Koffer da, um heimlich die Schule zu verlassen. Noch zögert sie, betet um Weisung von oben. Da erwischt die Heimleiterin die Ausreißerin und schickt sie in den Unterricht. „Das war jetzt die Antwort, der Wille Gottes!“ denkt Anna und bleibt. Tatsächlich kommt einige Tage später die Schwester mit einem Rucksack und einem Stück Brot. Sie hatte ihr Quartier verlassen müssen – und so waren die Schwestern wieder vereint.
Ein wirklich unglaubliches Geschehen möchte mir Sr. Roberta zunächst gar nicht erzählen, zu wunderbar ist die Geschichte: Anna möchte zu den Eltern nach Leoben. Mehrere Tage ist sie alleine unterwegs  (welcher Mut!) und kommt eines Abends nach Rottenmann: „Um 19 Uhr ist Sperre. Da gehen die Russen herum und nehmen alle mit, die sie auf der Straße finden. Ich brauchte also dringend einen Ort zum Übernachten. Wo ist der Bahnhof? Ich musste mich ja irgendwo verstecken. Niemand war mehr auf der Straße. Alle hatten ja Angst.“ Sie betet die ganze Zeit. „Da kommt mir vor, als ob ein Licht von oben herunterkäme. Ich schau noch einmal und seh’ eine weißgekleidete Frau auf der anderen Seite stehen.“ Diese lädt sie zu sich ein. „Ich bin mit ihr gegangen, in ein Haus hinein. Dahinter kamen wir in einen Querbau. Dort saß ein ganz lieber Mann. Noch nie habe ich mit einem Menschen so schön über Gott und über alles andere gesprochen. Es war einfach wunderbar.“ Sie fragt noch, ob es morgen eine Hl. Messe in der nahegelegenen Kirche gäbe. Ja, meint der Mann, „Ich bin eh immer dort.“ Plötzlich war da auch ein Bett hergerichtet. Hatte sie es vorher übersehen?
Dann sind alle schlafen gegangen. Am nächsten Tag verabschiedet sie sich und geht in die Messe. Zu der jungen Frau sagt sie noch: „Wenn ich kann, komm ich wieder. Ich habe noch Schuhe aus dem Lager, die bring ich dann…“
Erst zwei Jahre später kommt sie wieder in den Ort. Sie erkennt die Kirche, die Straße, auch das Haus. Doch dahinter – kein Querbau. Auch die Nachbarn wissen nichts von einem Querbau und auch die Frau und den Mann scheint es hier nie gegeben zu haben. Für Sr. Roberta ist klar: es war die Gottesmutter. Und der heilige Josef? „Ich habe ja immer darauf vertraut, dass mich die Gottesmutter führt,“ meint die Schwester ganz selbstverständlich.
Zurück zu ihrer Suche nach den Eltern: Anna erfährt, dass ihre Familie nach Kroatien zurückgeschickt worden sei, wo jedoch die Gefahr im Vernichtungslager zu landen groß ist. Was für eine schreckliche Zeit! Sie landet in Graz und kommt bei einer Familie unter, die bereits eine Nachbarsfamilie aus Kroatien beherbergen. Um nicht zur Last zu fallen, hilft sie einer jungen schwangeren Frau bei der Betreuung ihres blinden Mannes und dessen kleinen Kindern aus erster Ehe.
Der Rest der Familie landet schließlich doch auf Umwegen in Österreich. Was für ein Chaos in diesen schrecklichen Zeiten! Es folgt aber bald die nächste Hiob­s­botschaft: die Vertriebenen sollen alle per Zug nach Russland gebracht werden, Anna soll daher bleiben, wo sie ist. Doch wieder greift der Himmel, eher ungewöhnlich, ein: Da der ältere Bruder Tuberkulose hat, darf die Familie unterwegs den Zug verlassen – und  Eltern und Geschwister landen zu guter Letzt in Rheinland-Pfalz.
Was aber ist mit der 16-jährigen Anna? Betroffen von der vielen Not rundum, möchte sie helfen und in ein Kloster eintreten. Übrigens kein neuer Gedanke. 1946 bei einer Wallfahrt nach Mariazell beschließt sie, ihn umzusetzen. Bei Schulschwestern bietet sich die Gelegenheit, in einen Orden einzutreten. Allerdings wird sie zunächst von einigen Schwestern misstrauisch beäugt: Vielleicht möchte das dahergelaufene Mädchen nur irgendwo günstig unterkommen? Sr. Roberta wird nicht müde, auch diesmal die Hilfe von oben zu mobilisieren und es hat Erfolg: Ihr ehemaliger Professor aus Osijek, auf dem Weg nach Amerika, beruhigt die Schwestern: Er kenne Annas Familie gut, die sei treu im Glauben. So wird sie Kandidatin bei den Schulschwestern.
„Ich hatte eine ganz selbstverständliche Beziehung zu Jesus und zur Gottesmutter. Es war mir alles so klar und so ist es bis heute geblieben,“ bestätigt mein Gegenüber. Hatten die Eltern ihr diesen starken Glauben vermittelt? „Ja sicher auch,“ meint Sr. Roberta. „Beim 25-jährigen Professjubiläum hat mir die Mutter gesagt: Wie du noch nicht geboren warst, habe ich dich schon der Gottesmutter geweiht.“
Es folgen fünf Jahre Kandidatur und dann das Noviziat. Anna besucht die Schule für wirtschaftliche Frauenberufe und das Lehrerseminar für Hauswirtschaftslehre. Weil sie immer wieder starke Schmerzen hat, geht sie nach dem Noviziat zum Arzt: Das seien nur verschlagene Winde, meint dieser. Also spricht sie nicht mehr über ihre Schmerzen, Versicherung hat sie ja auch keine.
Doch eines Tages bricht sie zusammen. Es ist der Schmerzensfreitag. Nun muss schnell gehandelt werden: Von der Schule weg rasch in den Operationssaal. Sie ist in so schlechter Verfassung, hat nicht nur einen Magendurchbruch, sondern auch eine Bauchfellentzündung, wie sie später erfährt. Aus Angst um ihr Leben geben ihr die Ärzte nur eine Lokal­anästhesie, eine Narkose würde sie nicht vertragen. Während der Operation fragt die Schwester, warum man denn so weit oben schneide, wo doch der Blinddarm unten rechts sei. „Wenn ich das nächste Mal operiert werde, müsst ihr mir schon vorher sagen, was ihr macht,“ meint sie zu den Chirurgen. „Ja, wenn!“, meint einer der Ärzte leise… Niemand glaubt nämlich, wie sie später erfährt, dass sie die Operation überleben werde, denn man muss ihr fast völlig den Magen und den größten Teil der Bauchspeicheldrüse herausschneiden.
Überrascht wird bei der Operation festgestellt, dass sie offenbar schon tagelang nichts gegessen hatte – sehr vorteilhaft für den Operationsverlauf. Die Sache ist nur: Sr. Roberta hatte am Vorabend, nur wenige Stunden vor dem Zusammenbruch gegessen: Krautfleckerl. Wieso war aber nichts davon bei der Operation zu sehen?
Als der operierende Arzt – er war in der Zwischenzeit in Holland gewesen – sie nach Ostern im Spitalsgarten spazieren gehen sieht, ruft er verblüfft: „Das gibt es doch nicht! Es geschehen doch noch Wunder!“ Denn ihre Überlebenschancen waren damals äußerst gering gewesen. „Obwohl ich keine Medikamente hatte, bin ich nicht gestorben“ meint sie gleichmütig. „Schon viele Ärzte haben gesagt, dies sei ein Wunder. Der liebe Gott wird schon wissen warum,“ fügt sie mit ihrer sanften Stimme hinzu.
Da das Unterrichten zu anstrengend ist, arbeitet Sr. Roberta danach etwa 10 Jahre in der Kanzlei, in der Buchhaltung. Danach beendet sie ihre Ausbildung zur Hauswirtschaftslehrerin, sonst würden die schon abgelegten Prüfungen ihre Gültigkeit verlieren. An diese Ausbildung schließt ein Probejahr an. Schließlich beginnt sie zu unterrichten. „Es war natürlich auch ein Wagnis, aber ich habe immer alles so genommen, wie es gekommen ist. Ich war überzeugt, dass der liebe Gott alles so fügt, wie es sein soll.“
Die folgenden 30 Jahre unterrichtet sie von da an in Graz Hauswirtschaft, Schulpraxis, Ernährungs- und Gesundheitslehre. Sie achtet darauf, dass den schwächeren Schülerinnen von den anderen geholfen wurde. Alle sollten gemeinsam bestehen. Sie war sowohl Klassenvorstand wie auch Erzieherin und betreute daher 14- bis 18-jährige Mädchen im Internat. „Manche hatten auch eine seelische Betreuung nötig. Wir haben alles miteinander geteilt,“ denkt sie gern an diese Zeit zurück: „Ich war sehr viel mit ihnen beisammen, hab viel mit ihnen unternommen. In der Früh und am Abend haben wir gebetet. Sie haben alle gerne mitgetan. Wir haben auch viel gesungen. Und sie sind auch jede Woche in die Schülermesse mitgegangen.“ Viele Mädchen konnte sie motivieren, mit ihr die religionspädagogische Ausbildung zu machen, auch damit sie später einen besseren Verdienst hätten. Besonders freut sie natürlich, dass es hieß, ihre Schützlinge, zeigten ein besonderes Engagement für diesen Beruf.
1983 fährt sie nach wiederholter Einladung einer kroatischen Mitschwester erstmals nach Medjugorje. Erscheint dort wirklich die Gottesmutter? „Wenn du dort bist, kannst du mir doch ein Zeichen geben, damit ich weiß, ob du wirklich hier erscheinst. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll,“ bittet sie die Muttergottes.
Und da erlebt sie folgendes: Als ihre Gruppe gerade auf dem Erscheinungsberg ist, zieht ein schweres Gewitter auf. Übermütig sagt Sr. Roberta zur Gottesmutter: „Wenn du hier erscheinst, mach doch, dass ich trocken da hinunter komme.“ Ein Wolkenbruch ergießt sich über die Pilger. Beim ersten Haus werden die Schwestern ins Hausinnere gerufen. Eine der Mitschwestern schaut sie an und meint: „Jetzt soll aber niemand mehr sagen, dass die Gottesmutter hier nicht erscheint: Wir sind alle bis auf die Haut nass, nur die Sr. Roberta ist trocken.“ So war es auch. „Es hat mich erschüttert, aber auch beschämt.“ Die Gottesmutter hat offensichtlich Humor! Als Dank ist Sr. Roberta von da an oft, wenn man sie darum gebeten hat, als Dolmetscherin mitgefahren.
Kaum ist sie in der wohlverdienten Pension kommen zunächst syrische Flüchtlinge und dann 1991 kroatische. Sie kümmert sich um all deren Wohl: „Oft war ich von ½6 in der Früh bis um 10 Uhr am Abend für sie unterwegs.“ Erinnert sie sich an die turbulente Zeit, in der sie sich eigentlich hätte erholen sollen: „Da gab es so viele bürokratische Wege  zu ebnen, Arztbesuche zu organisieren, auch etliche Entbindungen und schwere Operationen bei den Flüchtlingen.“
Dann geht es für fünf Jahre – eigentlich hätte es nur eines sein sollen –  nach Mariazell, wo sie das Haus der Schwestern übernimmt und renoviert, das sonst geschlossen worden wäre. Zurück in Graz ist sie zwar erschöpft – aber soll sie jetzt gar nichts mehr machen? Gerade als sie überlegt, ob sie nicht mit ihrer Hospizausbildung in einem Krankenhaus helfen könnte, erreicht sie eine Freundin, die ihr vom Lebenszentrum erzählt, das gerade eröffnet wird. Sie würden jemanden brauchen, der vor der Abtreibungsklinik betet. „Dazu war ich natürlich schnell bereit,“ erzählt sie freudig. Die Provinzoberin ist einverstanden und ermutigt sie: „Gehst hin und stehst für uns alle dort.“
Auf der Straße vor der Abtreibungsklinik zu beten oder Informationsblätter an Vorübergehende zu verteilen, waren die Dienste, die sie anfangs übernimmt. Gute und schlechte Erfahrungen macht sie da. Immer wieder erlebt sie, dass, auch dank des Gebets, sich eine Frau entschließt, ihr Kind doch zu behalten. Wunderbar! So manche verzweifelte Frau spricht sie an und berichtet von ihrer lange zurückliegenden Abtreibung: Wie gut wäre es gewesen, hätte damals jemand für sie gebetet. Die Schwester tröstet sie dann. Eine von ihnen erzählt einmal: „Ich war jung, mein Freund wäre eigentlich eh für das Kind gewesen, aber ich hatte Angst und wusste zuwenig über die Abtreibung. Wir haben ja noch Zeit, dachte ich. Er hatte dann einen tödlichen Motorradunfall: Freund und Kind waren tot. Und heute wäre es 18 Jahre alt…“ Wie wichtig dieser Einsatz für das Leben, das Gebet für die ungeborenen Kinder und deren Mütter ist, kann die Schwester bis heute immer wieder erfahren.
Nach unserem Interview fragt mich mein Gegenüber zweifelnd, ob ich etwas damit werde anfangen könne. „Es ist doch alles so normal,“ sagt sie. Da muss ich lächeln. Wenn das normal wäre, wenn wir uns alle so normal wie Sr. Roberta verhalten würden, alle dieses eigentlich normale, unbedingte Vertrauen in den Schutz der Muttergottes und die Führung durch den Heiligen Geist hätten – ja, dann würde die Welt wohl anders aussehen.  

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