In unserer Welt, die den Relativismus kultiviert, ist es notwendig, sich immer wieder aufs Neue die absolute Einmaligkeit der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus bewusst zu machen. Im folgenden einprägsame Worte eines großen Theologen.
Wozu ist nun Jesus gekommen? Um in der Stufenfolge der Werte einen noch höheren zu zeigen? Eine neue Wahrheit über den schon bekannten? Eine edlere Gesinnung über denen, die bereits im Menschenherzen erwacht sind? Eine Ordnung, die gerechter wäre, als die bisher schon unternommenen Versuche, das Menschendasein recht zu gestalten? Nein, sondern Er ist gekommen, um uns zu Bewusstsein zu bringen, dass alles, Höheres wie Geringeres, Niedrigeres wie Edleres, das Ganze mitsamt seinen Teilen, vom Leibe bis zum Geiste, vom Trieb zum herrlichsten Menschenwerk – dass alles das in einem letzten Sinne verfallen ist.
Damit ist das Werk des einzelnen nicht geleugnet. Was gut ist, bleibt gut, und edles Streben wird immer edel sein. Dennoch ist das Ganze des Menschendaseins von Gott abgesunken. Und Christus ist nicht gekommen, um darin Einzelnes zu erneuern oder höhere Möglichkeiten zu erschließen, sondern um dem Menschen die Augen darüber zu öffnen, was Welt und Dasein als Ganzes sind; um ihm einen Standpunkt zu geben, von dem aus er allem, was ist, auch sich selbst gegenüber, neu anfangen kann. (…)
Es ist wie wenn da ein Schiff wäre; eines jener gewaltigen Fahrzeuge, die eine kleine Welt bilden: Apparate und Vorrichtungen für die verschiedensten Zwecke; Verantwortlichkeiten und Leistungen aller Art; gute Menschen, zweifelhafte, schlechte und mit ihnen alles, was Leben ausmacht; Kräfte des Herzens und des Geistes, Leidenschaften, Spannungen, Kämpfe.
Und nun käme jemand und sagte: Was jeder von euch tut, ist wichtig, und ihr habt recht, es immer besser machen zu wollen. Ich nun will euch helfen; aber nicht um dieses oder jenes auf dem Schiff zu ändern, sondern damit ihr seht, dass es falschen Kurs hat und in den Untergang steuert . . So steht es etwa.
Christus tritt nicht in die Reihe der Philosophen, um eine bessere Philosophie zu lehren; der Ethiker, um eine reinere Sittlichkeit zu verkünden; der religiösen Naturen, um zu einem tieferen Erfahren des Daseinsgeheimnisses zu führen, sondern Er will uns sagen, dass unser ganzes Dasein samt allem, was an ihm mehr oder weniger gut ist, Wirtschaft und Philosophie, Trieb und Geist, Natur und Kunst, Ethik und Frömmigkeit von Gott weg in den Untergang stürzt.
Er will uns die Augen öffnen, dass wir das sehen. Er will uns einen Punkt schaffen, auf den wir uns stellen und von dem wir das Dasein auf Gott zurückwerfen können, und uns die Kraft geben, die dazu nötig ist. Darum handelt es sich; jede andere Einschätzung Jesu ist belanglos.
Wenn dieses nicht gilt, dann soll jeder mit sich fertig werden, wie er kann, und sich die Helfer suchen, die ihm vertrauenswürdig vorkommen. Und vielleicht sind dann Goethe oder Platon oder Buddha bessere Führer, als das, was noch von Jesus übrigbleibt.
Aber Jesus ist wirklich der Erlöser, der den neuen Anfang öffnet. Hierher deuten die Worte vom Gewinnen der Welt und dem Verlust des Eigentlichen; vom Aufgeben des Lebens, der Seele, des Selbst, um es neu und wirklich zu gewinnen. Sie sprechen vom Glauben und von der Nachfolge.
Glauben heißt sehen und es damit wagen, dass Christus die Wahrheit ist. Nicht nur ein Lehrender, und wäre es auch der Größte, der aber, zusammen mit allen Lehrenden sonst, unter dem allgemeinen Maßstab der Wahrheit stünde; nein, die Wahrheit, das ist Er (Joh 14, 6).
Die Wahrheit heiliger Wirklichkeit beginnt mit Ihm. Wenn Er ausgelöscht werden könnte, dann stünde es nicht so, dass die Wahrheit, die Er gelehrt hat, bestehen bliebe, nur ihr erster Verkünder und bester Vertreter verschwunden wäre, sondern die Wahrheit wäre nicht mehr da. Die lebendige Wahrheit ist Er selbst, der Logos; so heißt Glaube, Ihn dafür zu nehmen und in Seine Schule zu gehen.
Würde man nun schon richtig glauben, wenn man erklärte und fest aufrechterhielte, was Er gesagt hat, sei wahr? Das wäre erst ein Beginn. Glauben bedeutet, mit dem Denken, mit dem Herzen, mit dem Gefühl für Richtig und Unrichtig, mit allem, was Menschendasein ausmacht, in Christi Schule zu treten. Denken wir daran: Das ganze Schiff fährt falsch. Da hilft es nichts, im Schiff von rechts nach links zu gehen, oder für einen Apparat einen anderen einzusetzen; das Ganze muss anders fahren.
Glauben ist also ein Vorgang, eine Unterweisung, eine Umformung, worin die Augen neu geschaffen, die Gedanken anders gerichtet, die Maßstäbe selbst umgemessen werden.
Aus: Der Herr. Von Romano Guardini S. 342f, Herderbücherei Band 813 (1980)
Wozu ist nun Jesus gekommen? Um in der Stufenfolge der Werte einen noch höheren zu zeigen? Eine neue Wahrheit über den schon bekannten? Eine edlere Gesinnung über denen, die bereits im Menschenherzen erwacht sind? Eine Ordnung, die gerechter wäre, als die bisher schon unternommenen Versuche, das Menschendasein recht zu gestalten? Nein, sondern Er ist gekommen, um uns zu Bewusstsein zu bringen, dass alles, Höheres wie Geringeres, Niedrigeres wie Edleres, das Ganz mitsamt seinen Teilen, vom Leibe bis zum Geiste, vom Trieb zum herrlichsten Menschenwerk – dass alles das in einem letzten Sinne verfallen ist.
Damit ist das Werk des einzelnen nicht geleugnet. Was gut ist, bleibt gut, und edles Streben wird immer edel sein. Dennoch ist das Ganze des Menschendaseins von Gott abgesunken. Und Christus ist nicht gekommen, um darin Einzelnes zu erneuern oder höhere Möglichkeiten zu erschließen, sondern um dem Menschen die Augen darüber zu öffnen, was Welt und Dasein als Ganzes sind; um ihm einen Standpunkt zu geben, von dem aus er allem, was ist, auch sich selbst gegenüber, neu anfangen kann.
(…) Es ist wie wenn da ein Schiff wäre; eines jener gewaltigen Fahrzeuge, die eine kleine Welt bilden: Apparate und Vorrichtungen für die verschiedensten Zwecke; Verantwortlichkeiten und Leistungen aller Art; gute Menschen, zweifelhafte, schlechte und mit ihnen alles, was Leben ausmacht; Kräfte des Herzens und des Geistes, Leidenschaften Spannungen, Kämpfe. Und nun käme jemand und sagte: Was jeder von euch tut, ist wichtig, und ihr habt recht, es immer besser machen zu wollen. Ich nun will euch helfen; aber nicht um dieses oder jenes auf dem Schiff zu ändern, sondern damit ihr seht, dass es falschen Kurs hat und in den Untergang steuert . . So steht es etwa. Christus tritt nicht in die Reihe der Philosophen, um eine bessere Philosophie zu lehren; der Ethiker, um eine reinere Sittlichkeit zu verkünden; der religiösen Naturen, um zu einem tieferen Erfahren des Daseinsgeheimnisses zu führen, sondern Er will uns sagen, dass unser ganzes Dasein samt allem, was an ihm mehr oder weniger gut ist, Wirtschaft und Philosophie, Trieb und Geist, Natur und Kunst, Ethik und Frömmigkeit von Gott weg in den Untergang stürzt. Er will uns die Augen öffnen, dass wir das sehen. Er will uns einen Punkt schaffen, auf den wir uns stellen und von dem wir das Dasein auf Gott zurückwerfen können, und uns die Kraft geben, die dazu nötig ist. Darum handelt es sich; jede andere Einschätzung Jesu ist belanglos. Wenn dieses nicht gilt, dann soll jeder mit sich fertig werden, wie er kann, und sich die Helfer suchen, die ihm vertrauenswürdig vorkommen. Und vielleicht sind dann Goethe oder Platon oder Buddha bessere Führer, als das, was noch von Jesus übrigbleibt.
Aber Jesus ist wirklich der Erlöser, der den neuen Anfang öffnet. Hierher deuten die Worte vom Gewinnen der Welt und dem Verlust des Eigentlichen; vom Aufgeben des Lebens, der Seele, des Selbst, um es neu und wirklich zu gewinnen. Sie sprechen vom Glauben und von der Nachfolge.
Glauben heißt sehen und es damit wagen, dass Christus die Wahrheit ist. Nicht nur ein Lehrender, und wäre es auch der Größte, der aber, zusammen mit allen Lehrenden sonst, unter dem allgemeinen Maßstab der Wahrheit stünde; nein, die Wahrheit, das ist Er (Job 14, 6). Die Wahrheit heiliger Wirklichkeit beginnt mit Ihm. Wenn Er ausgelöscht werden könnte, dann stünde es nicht so, dass die Wahrheit, die Er gelehrt hat, bestehen bliebe, nur ihr erster Verkünder und bester Vertreter verschwunden wäre, sondern die Wahrheit wäre nicht mehr da. Die lebendige Wahrheit ist Er selbst, der Logos; so heißt Glaube, Ihn dafür zu nehmen und in Seine Schule zu gehen.
Würde man nun schon richtig glauben, wenn man erklärte und fest aufrechterhielte, was Er gesagt hat, sei wahr? Das wäre erst ein Beginn. Glauben bedeutet, mit dem Denken, mit dem Herzen, mit dem Gefühl für Richtig und Unrichtig, mit allem, was Menschendasein ausmacht, in Christi Schule zu treten. Denken wir daran: Das ganze Schiff fährt falsch. Da hilft es nichts, im Schiffe von rechts nach links zu gehen, oder für einen Apparat einen anderen einzusetzen; das Ganze muss anders fahren. Glauben ist also ein Vorgang, eine Unterweisung, eine Umformung, worin die Augen neu geschaffen, die Gedanken anders gerichtet, die Maßstäbe selbst umgemessen werden.