Soll man in unserer schnelllebigen Zeit sechs Wochen nach dem Weltjugendtreffen in Rio noch einmal auf das Ereignis zurückkommen? Haben wir nicht wichtigere Sorgen? Etwa den Konflikt in Syrien? Ja, wir haben Sorgen, aber gerade deswegen ist es wichtig auf die Weltjugendtage zurückzublicken und zwar, um Hoffnung zu schöpfen. Diese Tage haben der Welt unübersehbar vor Augen geführt, wie aktuell die Botschaft Christi ist. Sein Ruf zur Nachfolge spricht auch heute gerade die Jugend an. Was für ein Zeichen der Hoffnung! Sicher wandeln sich auch diesmal nicht alle, die in Rio begeistert mitgemacht haben, von heute auf morgen zu feurigen Aposteln. Aber Hunderttausende, ja Millionen haben die Erfahrung gemacht: Jesus Christus bewegt auch in unseren Tagen die Menschen und erfüllt sie mit Freude, wenn sie Ihm die Tore öffnen. Und: Christen sind nicht die Nachhut eines unaufhaltsamen gesellschaftlichen Fortschritts, sondern die Wächter eines neuen, das Leben erfüllenden Morgens.
Rio hat ein klangvolles Image. Man verbindet die Stadt mit Karneval und Samba, Lebensfreude und Frohsinn. Andere denken an Umweltgipfel, Sportler freuen sich auf Fußball-WM und Olympische Spiele. Ich bin überzeugt, dass man nun auch eine frohe, lebendige und junge katholische Kirche mit dem Namen Rio assoziiert.
Der heurige Weltjugendtag hat mit den Worten des Matthäusevangeliums geworben: „Geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern.“ Junge Menschen aus fünf Kontinenten, 175 Ländern, die viele verschiedene Sprachen sprechen, aber gemeinsam das gleiche Ziel verfolgen: Sie wollen sich erfüllen lassen vom Geist der Freude und Liebe – ein Geschenk Gottes! Auf diese Weise haben die Pilger und Volontäre des Weltjugendtages gezeigt, wie unterschiedliche Kulturen in Harmonie vereint sind und sich für die Einheit in Jesus Christus einsetzen können.
Der Heilige Geist hat erfüllt und auch geschützt. Er verbündete die unterschiedlichen Nationen, sogar die konfliktreiche Beziehung der Argentinier und Brasilianer. Er verschonte uns vor Protesten. Er schaffte Brücken zwischen Religionen. Mein brasilianischer Taxifahrer, ein Protestant, war ganz aufgeregt und schaltete das Radio lauter, als die Sprecher den Weltjugendtag angeworben haben. Wir haben gemeinsam Freude geteilt.
Nicht zu vergessen ist das selbstlose Engagement der Jugendlichen. Der Weltjugendtag ist zu einem großen Teil den ehrenamtlichen Mitarbeitern zu verdanken. Es war eine große Freude zu erleben, wie Jugendliche sich für Jugendliche engagieren.
Zum Weltjugendtag waren auch 560 österreichische Pilger nach Rio gereist. Ich war überrascht wieviele heuer gekommen waren: eine bunte Mischung von Gruppen aus allen Regionen und kirchlichen Hintergründen unserer Heimat. Einen Tag nach der Ankunft von Papst Franziskus in Brasilien hat am Dienstagnachmittag in der überfüllten Pfarrkirche „Nossa Senhora de Copacabana“ im Süden von Rio das traditionelle „Österreich-Treffen“ mit Kardinal Christoph Schönborn und Weihbischof Franz Lackner stattgefunden.
Der Kardinal begann seine Ansprache mit den Worten: „Mein erster Eindruck ist, dass für viele der jungen Menschen hier in Brasilien das Gebet ein fester Bestandteil ihres Lebens ist, viel selbstverständlicher als bei uns.“ Allerdings haben die jungen österreichischen Pilger die Bischöfe überrascht. Denn nicht nur Austausch und persönliche Begegnung standen im Mittelpunkt, sondern besonders das Gebet. Wegen des großen Eifers der Jugendlichen mussten wir den geplanten Gebetsblock des Treffens spontan verlängern. Die Jugendlichen wollten gar nicht mehr aufhören zu beten. Die Stimmung war toll!
Die Ankunft von Papst Franziskus am Montag war ein freudenreicher Auftakt. Der Heilige Vater wendete sich in seiner ersten Ansprache an die Gastgeber mit den Worten: „Ich habe weder Gold noch Silber mitgebracht, aber ich bringe euch das Wertvollste, das mir gegeben wurde: Jesus Christus!“ Die Abschlussmesse war gigantisch – ein Highlight! Mehr als 3,5 Millionen Pilger kamen zum Abschlussgottesdienst an die Copacabana. Gemeinsam mit 12.000 Priestern, 1.500 Bischöfen und 3,5 Millionen Jugendlichen feierten wir die Liebe Gottes. Die Gnade war spürbar und der Segen grenzenlos. Papst Franziskus forderte die Weltjugend auf, „Protagonisten der Veränderung“ zu werden. Aber auch an den katholischen Klerus appellierte er, sich mehr um Arme und Bedürftige zu kümmern. Der Heilige Vater zitierte Mutter Teresa: „Man muss in die Favelas und Villas Miseria gehen, um Christus zu suchen und zu dienen.“
Die Weltjugendtage waren ein Fest des Glaubens, eine Art Frischzellenkur für die Weltkirche. Ich erinnere mich oft an die unvergessenen Worte des seligen Papst Johannes Paul II.: „Die Kirche hat der Jugend viel zu sagen, und die Jugend hat der Kirche viel zu sagen. Dieser gegenseitige Dialog muss offenherzig, klar und mutig sein.“ Die Weltjugendtage zeigen massiv auf, dass Jugendliche für das lebendige Glaubensleben empfänglich sind. Besonders im bunten Rio war dies mehr als spürbar: Gruppen sangen und tanzten auf den Straßen, führten Glaubensgespräche und stellten Gott in ihren Mittelpunkt.
„Seid alle Missionare! Verkündet – ohne Furcht – dient“: mit diesen und vielen anderen faszinierenden Worten rief uns Papst Franziskus in der Abschluss-Messe auf, in unserer Heimat weiterzuwirken. Auch wenn dies die Abschluss-Messe der Weltjugendtage 2013 war, bedeutet dies kein Ende, sondern einen neuen Anfang für die Kirche. Lasst uns nun aufbrechen und den Aufruf des Papstes umsetzen. Deo Gratias für die Weltjugendtage!
Der Autor ist Bundesjugendseelsorger der katholischen Kirche Österreichs.