VISION 20001/2014
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Das Lehramt – ein wunderbares Geschenk Gottes

Artikel drucken Die Kirche hat teil an der Unfehlbarkeit Christi (Von Weihbischof Andreas Laun)

Dass eine Einrichtung auf Erden in Anspruch nimmt, zentrale Fra­gen des Lebens zutreffend beantworten zu können – noch dazu unfehlbar –, ist besonders heute ein Ärgernis für sehr viele. Wie dies zu verstehen ist, welche Bedeutung diesem Lehramt zu­kommt, erläutert im Folgenden der Salzburger Weihbischof.

Wir leben in einer Zeit fantastischer Entdeckungen, aber auch einer Zeit der Sucht nach Wissen. Daneben gibt es ein merkwürdiges Phänomen: Einerseits das Nicht-Wissen-Wollen und andererseits Wahrheit machen zu wollen, ja mehr noch: Wahrheit durch Abstimmung, durch Mehrheit – vor allem durch politische Macht bestimmen zu wollen. Man suggeriert den Menschen, sie könnten zu allem und jedem ihre „eigene Meinung“ haben. Gleichzeitig manipuliert man sie aber, was ihre „eigene“ Meinung zu sein habe! So herrscht ein geistiges Chaos: Alles gilt und nichts gilt – aber wehe dem, der sich nicht anpasst, sich nicht fügt und dem unterwirft, was doch „alle“ denken „müssen“.
Mit Hilfe der Technik ist „Information“ allgegenwärtig, aber in diesem Wirbelsturm ist nur die Naturwissenschaft im stillen „Auge des Sturms“, die wichtigen Fragen des Menschen nach seinem „Woher, wohin, wozu, wer bin ich?“ und nach Gott sind der Gewalt des Sturmes so hoffnungslos ausgeliefert, dass man sie fast nicht stellen kann. Der Name des Sturmes lautet „Relativismus“! Wer dennoch unliebsame Fragen stellt, wird verspottet, ausgegrenzt, zum Schweigen gebracht und unter Druck gesetzt, damit er sich endlich beugt und sich die politisch korrekte Skepsis und Verachtung für solche Themen zu eigen macht und nur noch lebt – „einfach so“ im Rhythmus seiner Produktivität und seines Vergnügens.
Aber inmitten dieser so getriebenen und orientierungslosen Gesellschaft ragen, allen Wirbelstürmen trotzend, zwei Berge auf, die manche gerne sprengen und abtragen wollen, aber es gelingt nicht: Der eine ist der Berg Sinai, von dem aus das Gewissen über jeden Menschen herrscht, der andere der Felsen Petri, auf dem Jesus Seine Kirche baute, beide unzerstörbar und unübersehbar!
Seinen Petrus hat Jesus den „Felsen“ genannt. Er kannte dessen Schwächen, ließ sich jedoch nicht beirren: Er baute Seine Kirche auf diesem Felsen. Erstaunlich, denn sie stürzte nicht ein, obwohl dieser merkwürdige Felsen ab und zu auch „Sandstein“ zu sein scheint. Auch meinten viele Machthaber der Geschichte, mit ihren Kanonen und Bomben könnten sie ihn zerstören – „wie viele Divisionen hat denn der Papst?“, soll Stalin spöttisch gefragt haben. Aber siehe da, ihre Reiche sind zerfallen, sie selbst, wie auch ihre Nachfolger, sind längst tot, aber der Sinai steht und genauso der Felsen Petri!
Und was macht Jesu Kirche oben auf dem Felsen? Sie erfüllt ihren Auftrag und antwortet auf die Nöte der Menschen. Man könnte auch sagen: Sie antwortet auf die eine und einzige Not, nämlich zu meinen, sie, die Menschen, könnten ihre Welt ohne Gott bauen und über Gut und Böse ohne Gott entscheiden, sich die Welt gemütlich machen und zwar ohne Gott, der stört und ihnen das Leben vermiest! Und wer soll dann entscheiden, was bisher von Gott entschieden worden war? Die Mehrheit, brüllt die öffentliche Meinung als Antwort, und das sind wir, Gott soll unsere Rechte respektieren, Er hat bei uns kein Mitspracherecht.
Die Bibel kennt diesen Abbruch aller Beziehungen mit Gott! Der erste, die Zukunft bestimmende Bruch ereignete sich schon am Anfang mit dem Griff nach der verbotenen, aber köstlich scheinenden Frucht! Was war geschehen? Gott hatte den Menschen erschaffen, ihn in Seinen Garten gesetzt. Dort gab es aber einen Baum des Lebens und einen der Erkenntnis von Gut und Böse. Die Früchte vom Baum des Lebens bewirkten, was der Name des Baumes sagt: Sie erhielten und erfreuten das Leben der Menschen! Vor den Früchten des Baumes der Erkenntnis von Gut und Böse warnte Gott den Menschen: Sie zu essen, brächte den Tod!
Aber dann kam die „Schlange“ und drehte die Worte Gottes um, deutete sie als Bosheit Gottes, der den Menschen nicht gönnen wolle, was doch köstlich wäre, das sieht man ja! Natürlich hatten Adam und Eva schon ein Gewissen wie alle Menschen, natürlich will Gott, dass die Menschen Gut und Böse erkennen und unterscheiden, dass sie vor allem mit Ihm, ihrem Schöpfer und Vater, vertraut sind. Die erste Sünde geschah nicht in Folge eines schuldlos irrenden oder nicht vorhandenen Gewissens, sondern vielmehr auf Grund des Willens, selbst zu bestimmen, was für sie gut oder schlecht ist, verlockt durch die Verwirrung, die die Schlange gestiftet hatte!
Nicht unähnlich ist die zweite Sündenfall-Geschichte vom Turmbau von Babel (Gen 11,4 ff). Im Grunde wiederholt sich die erste Geschichte: War es im Paradies die neue, selbstgemachte Bestimmung dessen, was gut und was böse ist, und das damit „Seinwollen wie Gott“, in Babel ist es die unbegrenzte Macht: „Auf, bauen wir uns eine Stadt und einen Turm mit einer Spitze bis zum Himmel…“ Das Resultat war die große Verwirrung der Menschen untereinander. Eine dritte Geschichte des Abfalls sei auch noch genannt: Während Mose oben am Berg die Tafeln des Gesetzes empfing, verlor das Volk die Geduld und den Glauben: Von einem „Volksbegehren“ gezwungen, machte Aaron ein „goldenes Kalb“, das das Volk begeistert zu verehren anfing!
Immer wieder die Täuschung und die ihr folgende Verwirrung: am Anfang „nur“ zwischen Adam und Eva, dann die Verwirrung der Brüder, dann die historisch sich immer wieder durchsetzende Verwirrung der Mehrheiten. Man kann treffend sagen: Die Geschichte der Menschen? Immer wieder entsteht ein Babel, entstehen Irrtum, Lüge, Verwirrung, die keineswegs nur aus harmlosen anderen Meinungen bestehen und oft genug in Blutbädern und Diktaturen enden.
Und was macht Gott? Es ist bewegend zu lesen, wie Gott angesichts der Untreue seines Volkes zürnt und auch straft, aber wie Er immer wieder zu seiner „leidenschaftlichen Liebe“ (Jes 26,11) zurückkehrt. Petrus Chrysologos fasst die Botschaft der Bibel treffend zusammen: „Da Gott sah, wie die Welt vor Furcht zu vergehen drohte, beschloss Er, sie mit Seiner Liebe zurückzurufen und sie aus Gnade einzuladen, sie in Liebe festzuhalten und durch Zuneigung zu fesseln! Von Wohltaten überschüttet und angezogen von dem Glück göttlicher Liebe sollte der Mensch lernen, Gott zu lieben, Ihn nicht zu fürchten, durch Liebe Ihn zu verehren, nicht durch Furcht!“
Aber Gott tut noch mehr! Ja, was denn, was tat er denn für die Welt? Der Erlöser gab Sein Leben – und Seine bleibende Antwort auf die Nöte der Menschen war diese Kirche, die Er auf den Felsen baute. Was aber ist mit dem „ersten Berg“, dem Sinai? Der ist geblieben, seine Botschaft hat ihm Jesus nicht genommen, sondern verstärkt, indem Er sie dem Felsen Petri anvertraute, insofern die Gebote Gottes nun auch dort erklärt und verteidigt werden.
Eine der Gaben, der Charismen, die Jesus Seiner Kirche – es ist „Seine“, nicht die „der Menschen“ – mitgegeben hat, ist das Lehramt der Kirche: vielleicht das erstaunlichste, eines der wichtigsten und zugleich aufreizendste Charisma dieser Kirche hoch oben auf dem Felsen! Es leuchtet wie ein Leuchtturm in die Verwirrung der Welt.
Das Lehramt? In modernen Bildern beschrieben: Es ist ein „Google“ Gottes, das man Katechismus der katholischen Kirche (KKK) nennt, das man abfragen kann, um über Gott und das eigene Leben Bescheid zu wissen. Man kann es auch ein GPS Got­tes nennen, das den Verirrten auf den ersehnten richtigen Weg zurückführt und in der Verirrung „die Route neu berechnet“! Es ist wie ein Nachrichten-Sender, der zwar keine Sportberichte bringt, wohl aber die „Schrift an der Wand“ des eigenen Lebens wie der Prophet Daniel für den König lesen und deuten kann.
Nüchterner gesagt beschreibt der Katechismus (889) den Sachverhalt so: „Jesus Christus hat seiner Kirche Anteil gegeben an Seiner eigenen Unfehlbarkeit!“ Jeder Katholik sollte wissen, was das bedeutet: Nicht, dass der Papst notwendigerweise den „höchsten Intelligenz-Quotienten“ der Welt hätte, sondern Gott bietet den Menschen in ihrer großen Not des Irrens und Verirrens eine erreichbare, niederschwellige Hilfe an.
Es ist eine Gabe, die Jesus der ganzen Kirche gegeben hat, vor allem auch den anderen Bischöfen. Für alle gilt: Immer nur im Einklang mit dem Papst, nicht ohne und schon gar nicht gegen ihn! Von ihrem Sinn her ist diese Gabe beschränkt auf das Wissen über Gott und Seine Gebote. Sie bezieht sich nicht auf Millionen anderer Fragen, so wichtig diese sein mögen. Außerdem kann sich sogar der Papst „neben“ dieser seiner besonderen Gabe der Unfehlbarkeit sehr wohl irren, sogar in Fragen, die eigentlich zu seiner Kompetenz gehören.
Für den Gläubigen wichtig ist es, die Gabe zu kennen, ihren Umfang, ihre Voraussetzungen und auch ihre Grenzen. Und wichtig ist, sich ihrer zu bedienen! Was die viel belächelte und verhöhnte Lehre von der „Unfehlbarkeit“ der Kirche und ihres Papstes genau bedeutet, lässt sich ohne akademische Grade im KKK nachlesen oder aus dem Internet herunterladen. Wer sich dieser Mühe unterzieht, beginnt, wenn er gläubig ist, zu staunen und sich zu freuen. Der Atheist könnte wehmütig werden, weil er einen solchen „Info-Punkt“ auch gerne hätte! Oder gibt es Menschen, die im unwegsamen, gefährlichen Gelände nicht dankbar wären für ein GPS, das sie davor bewahrt, sich zu verirren oder von einem Irrweg zurückbringt?
Päpste und Bischöfe können sich als Menschen auch irren, sie haben sich geirrt und werden sich immer wieder irren. Das mag auch einmal lustig klingen und Anlass zur Heiterkeit sein. Der entscheidende Punkt ist aber: Als Papst und als Bischof, in Einheit mit dem Papst, irren sie sich nicht, wenn sie über Gott und Seine Ordnung reden!
Was bleibt, ist dies, und man kann es nicht oft genug sagen und dankbar bestaunen: Der Papst, der Nachfolger des hl. Petrus, ist ein wunderbares Geschenk Got­tes! Jesus hat von sich gesagt „Ich bin das Licht“! Das Lehramt der Kirche ist das nicht erloschene Licht Christi, das durch die Jahrtausende hindurch in und durch Seine Kirche leuchtet. Es brennt für alle, aber wirklich sehen werden es nur jene, die es sehen wollen. Auf dieses Licht kann man das Wort des Propheten Jesaja  beziehen: „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf. Du erregst lauten Jubel und schenkst große Freude.“ (9,1f)
Mag schon sein, dass manche sich „beengt“ fühlen oder meinen, ihr Verstand sei hell genug, bei ihnen gäbe es kein Dunkel, das des Lichtes Christi bedürftig wäre. Aber wer fühlt sich bevormundet von einer Lampe, die dorthin leuchtet, wohin die normale Beleuchtung nicht vordringt? Und wer fühlt sich von einem Fachmann bedrängt statt dankbar zu sein, dass ein anderer etwas kann und weiß, was er selbst nicht weiß und nicht kann, aber dringend brauchen würde? Ja, sogar ein überzeugter Atheist müsste zugeben: „Wenn es so ist, wenn es dieses Lehramt wirklich gäbe, wäre es fantastisch und Grund zur Freude!“
Man stelle sich einmal vor, die führenden Leute des 20. Jahrhunderts mit seinen grauenhaften Kriegen und Diktaturen hätten auf das Lehramt der Kirche gehört! An der Wurzel der großen Katastrophen standen immer schwere Irrtümer, Lügen, Abfall von Gott: Nationalismus, Kommunismus, Nationalsozialismus sind sich darin gleich! Und was würden wir uns heute ersparen, wenn der Staat nicht schon wieder die Gebote vom Berg Sinai abschaffen und Unmoral als die glücklich machende „Moral“ in die Menschen hineindrücken wollte? Wie geschickt versucht er dabei, die giftigen Früchte als „köstlich“ und Glück schaffend zu bewerben!
Das Lehramt der Kirche ist kein „Luxusartikel“, es versucht zu warnen wie Laokoon die Trojaner, als sie das hölzerne Pferd mit den Feinden im „Bauch“ in ihre Stadt zogen und damit alles verloren! Das trojanische Pferd von heute trägt unter anderem die Aufschrift „Gender Mainstreaming“ und zerstört die Welt wie die Feinde es mit der Stadt Troja taten! Nein, nein, nein, das Lehramt ist kein Luxus, es ist keine anmaßende Erfindung der Kirche, sondern eine Gabe Gottes, die man erfinden müsste, wenn es sie nicht schon gäbe!
Auch Atheisten müssten einsehen und zugeben: Es wäre schön, wenn die Juden und Christen mit ihrem Gott recht hätten, wenn von den beiden Bergen, dem Sinai und dem Felsen des Petrus, wirklich das Licht ausginge, wie es der Prophet Jesaja gesagt hat. Denn dass wir trotz unserer Wissenschaft und ohne das Licht von Gott „im Dunkeln leben“, ist nicht eine Glaubensfrage, sondern tagtägliche Erfahrung! Die Christen leben in diesem Licht, die vernünftigen Ungläubigen sehnen sich danach, auch wenn sie sich dessen nicht immer bewusst sind!
Jesus hat uns nicht gefragt, ob wir ein solches Lehramt für möglich halten oder ob wir es wollen, Er hat unsere Not gesehen und es uns gegeben: Das Lehramt der Kirche, die Teilhabe an Seiner eigenen Unfehlbarkeit, weil Er auch auf diese Weise Kunde gebracht: von Gott – für uns!
Weihbischof Andreas Laun

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