Als ich das Schreiben über „Die Freude des Evangeliums“ unseres Papstes Franziskus zu lesen anfing, blitzte mir schon nach wenigen Zeilen ein Satz seines Ordensbruders, des heiligen Franz Xaver, des großen Missionars, durch den Kopf…
Dieser Mitbegründer des Jesuitenordens hat einmal von Indien aus einen flammenden Brief an die Väter der Gesellschaft Jesu in Rom geschrieben:
„O meine Brüder, bitten Sie den Herrn der Ernte, dass Er uns Arbeiter sende! ... Es packt mich so oft das Verlangen, in die Universitäten Europas zu stürmen, schreiend mit lauter Stimme... Vor versammelter Universität wollte ich es ihnen zurufen, wie viele Seelen vom Weg des Heiles abkommen durch ihre Schuld, wie viele Seelen verloren gehen durch ihre Gleichgültigkeit. Wenn sie mit dem gleichen Eifer, mit dem sie sich ihren Studien widmen, auch jene Rechenschaft überdenken würden ..., wie viele von ihnen müssten erschüttert sein! Sie würden im Innersten ihrer Seele den Willen Gottes erkennen und begreifen. Und sie würden sich fortan diesem göttlichen Willen bereitwilliger als ihren Neigungen hingeben und sprechen: ‚Herr, siehe, hier bin ich. Was willst Du, dass ich tun soll? Sende Mich, wohin Du willst, und wenn es gut ist, selbst bis Indien.’“
Von dieser brennenden Ergriffenheit des hl. Franz Xaver ist auch das Schreiben von Papst Franziskus durchglüht. Es ist ein flammender Appell, ein Ruf nach Erneuerung und missionarischer Umgestaltung der Kirche an alle Seelsorger, alle Christen. Der Papst ruft laut in diesem Schreiben. Was er sagt, ist unbequem für Leute, die sich an ihre Bequemlichkeit, ihre Selbstgenügsamkeit gewöhnt haben – und sind wir das hier in Westeuropa nicht mehr oder weniger alle?
Der Papst ruft in die kirchlichen Büros hinein, die Kurien, Sekretariate, Pastoralzentren, die Pfarr- und Bildungshäuser: die Kirche soll sich nicht weiter nur selbst verwalten und die große Masse der Menschen ihrem Schicksal überlassen: ohne Christus, ohne Gemeinschaft, ohne Sinn, ohne Brot.
Es gilt jetzt, so der Papst, „diesen Ruf anzunehmen: hinauszugehen aus der eigenen Bequemlichkeit und den Mut zu haben, alle Randgebiete zu erreichen, die das Licht des Evangeliums brauchen.“ Aber wie gesagt: der Papst spricht nicht nur zu seinen engsten Mitarbeitern, er spricht zu allen, zur ganzen Kirche, zu jedem Christen ohne Ausnahme, denn alle sind gesandt. „Jünger sein bedeutet, ständig bereit zu sein, den anderen die Liebe Jesu zu bringen, und das geschieht spontan an jedem beliebigen Ort, am Weg, auf dem Platz, bei der Arbeit, auf einer Straße.“
An anderer Stelle findet sich dieser unerhörte Satz des Papstes: „Ich bin eine Mission auf dieser Erde, und ihretwegen bin ich auf dieser Welt. Man muss erkennen, dass man selber ‚gebrandmarkt’ ist für diese Mission, Licht zu bringen, zu segnen, zu beleben, aufzurichten, zu heilen, zu befreien. Da zeigt sich, wer aus ganzer Seele Krankenschwester, aus ganzer Seele Lehrer, aus ganzer Seele Politiker ist – diejenigen, die sich zutiefst dafür entschieden haben, bei den anderen und für die anderen da zu sein. Wenn hingegen einer die Pflicht auf der einen Seite und die Privatsphäre auf der anderen Seite voneinander trennt, dann wird alles grau, und er wird ständig Anerkennung suchen oder seine eigenen Bedürfnisse verteidigen. So wird er aufhören, ‚Volk‘ zu sein.“
So sind das größte Hindernis der Mission in unserer nächsten Umgebung leider wir selber: „Wenn wir mehr missionarische Dynamik brauchen, die der Erde Salz und Licht bringt, fürchten viele Laien, jemand könne sie einladen, irgendeine apostolische Aufgabe zu erfüllen, und versuchen, jeder Verpflichtung auszuweichen, die ihnen ihre Freizeit nehmen könnte. (…) Doch etwas Ähnliches geschieht bei den Priestern, die wie besessen um ihre persönliche Zeit besorgt sind. Das ist oft darauf zurückzuführen, dass sie das dringende Bedürfnis haben, ihre Freiräume zu bewahren, als sei ein Evangelisierungsauftrag ein gefährliches Gift anstatt eine freudige Antwort auf die Liebe Gottes…“
Darum ist es wichtig, dass wir alle das Schreiben des Papstes studieren, damit die Stimme des Völkerhirten in unserem Alltag nicht mehr verstumme, damit wir sie immer wieder neu vernehmen:
„Ich träume von einer missionarischen Entscheidung, die fähig ist, alles zu verwandeln, damit die Gewohnheiten, die Stile, die Zeitpläne, der Sprachgebrauch und jede kirchliche Struktur ein Kanal werden, der mehr der Evangelisierung der heutigen Welt als der Selbstbewahrung dient ...“
In diesem Zurückfinden zu unserer ureigensten Berufung als Christen – von Gott gesendet, und ausstrahlend zu sein – geschieht dann auch Heilung von vielen Krankheiten und Beschwerden, an denen wir Christen heute leiden: von Kleinmut und Pessimismus, der Neigung zu endzeitlichen Phantasien und zum Pseudomystischen, was ganze Gemeinschaften und Familien, aber auch Priester und Ordensleute, lähmt, ja entwürdigt und sie der österlichen Freude beraubt.
Dazu der Papst: „Die große Gefahr der Welt von heute mit ihrem vielfältigen und erdrückenden Konsumangebot ist eine individualistische Traurigkeit, die aus einem bequemen, begehrlichen Herzen hervorgeht ... Auch die Gläubigen sind nachweislich und fortwährend von diese Gefahr bedroht. Viele erliegen ihr und werden zu gereizten, unzufriedenen, empfindungslosen Menschen. Das ist nicht die Wahl eines würdigen und erfüllten Lebens, das ist nicht Gottes Wille für uns, das ist nicht das Leben im Geist, das aus dem Herzen des auferstandenen Christus hervorsprudelt.“
Der Papst aber spricht in seinem Apostolischen Schreiben nicht nur über die Kirche, er spricht auch über die Welt. Er spricht über die soziale Dimension der Evangelisierung, über die Verelendung der Armen, den Schutz der Ungeborenen, über Menschenhandel, Kinderarbeit, neue Formen der Armut, der frauenverachtenden Prostitution etc. Er schreibt über den bevorzugten Platz, den die Armen in Gottes Herz haben. Er geht ins Gericht mit einer menschenverachtenden Wirtschaft, der ungerechten Verteilung der Einkünfte und: „… die Hände vieler triefen von Blut aufgrund einer bequemen, schweigenden Komplizenschaft.“
Hier ruft ein Reformer, der selber den unbequemen Weg, zu dem er aufruft, beispielhaft geht – und das mit 76 Jahren und bei angeschlagener Gesundheit! Da ruft ein Mann aus existenzieller Betroffenheit mit dem Elend und der Not der Menschen aus Lateinamerika. Hier ruft ein Freund des armen Jesus, ergriffen und erfüllt von der Freude und der Menschenliebe Christi.
„Ich weiß sehr wohl“, schreibt er, „dass heute die Dokumente nicht dasselbe Interesse wecken wie zu anderen Zeiten und schnell vergessen werden. Trotzdem betone ich, dass das, was ich hier zu sagen beabsichtige, eine programmatische Bedeutung hat und wichtige Konsequenzen beinhaltet. Ich hoffe, dass alle Gemeinschaften dafür sorgen, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um auf dem Weg einer pastoralen und missionarischen Neuausrichtung voranzuschreiten, der die Dinge nicht so belassen darf wie sie sind. Jetzt dient uns nicht eine ‚reine Verwaltungsarbeit‘. Versetzen wir uns in allen Regionen der Erde in einen ‚Zustand permanenter Mission.‘“ Darum möchte ich alle Leser von VISION 2000 von Herzen bitten: Lassen Sie sich auf das Abenteuer ein! Lassen Sie sich die Chance nicht entgehen, in Ihrem Leben als Christen einen neuen missionarischen Anfang zu machen. Das wird Sie froh machen! Lesen Sie das Schreiben des Papstes aufmerksam und immer wieder oder was noch mehr zu empfehlen ist: Lest es in Gruppen, in eurer Pfarrei, tut euch zusammen, studiert es und legt es nicht mehr „zu den Akten“.
Was wir in Zukunft tun müssen, ist darin gesagt und muss von hier seine Inspiration erhalten. „Ich lade alle ein, wagemutig und kreativ zu sein in dieser Aufgabe, die Ziele, die Strukturen, den Stil und die Evangelisierungs-Methoden der eigenen Gemeinden zu überdenken ... Ich rufe alle auf, großherzig und mutig die Anregungen dieses Dokuments aufzugreifen, ohne Beschränkungen und Ängste. Wichtig ist, Alleingänge zu vermeiden, sich immer auf die Brüder und Schwestern und besonders auf die Führung der Bischöfe zu verlassen, in einer weisen und realistischen pastoralen Unterscheidung.“
Warum, liebe Leser, warum sollen wir aus unserer Behaglichkeit aufbrechen und dieser unbequemen Einladung des Papstes zur Missionierung der Welt folgen? Der Papst gibt darauf diese Antwort, geschöpft aus der Tiefe der Liebe und Anbetung:
„Dies ist das endgültige, tiefste, größte Motiv, der letzte Grund und Sinn von allem anderen: Es geht um die Herrlichkeit des Vaters, die Jesus während seines ganzen Lebens suchte ... Über all das hinaus, was uns liegt oder nicht, was uns interessiert oder nicht, uns nützlich ist oder nicht, über die engen Grenzen unserer Wünsche, unseres Verstehens und unserer Beweggründe hinaus verkünden wir das Evangelium zur größeren Ehre des Vaters, der uns liebt.“
Der Autor ist Pfarrer emeritus..
Die Muttergottes geht mit uns
Wir sollen diesen Neuaufbruch nicht alleine tun, wir sollen an der Hand der Muttergottes gehen, sagt Franziskus. „Maria ist die Mutter der missionarischen Kirche, und ohne sie können wir den Geist der neuen Evangelisierung nie ganz verstehen ... Jesus führt uns zu ihr, da Er nicht will, dass wir ohne eine Mutter gehen, und das Volk liest in diesem mütterlichen Bild alle Geheimnisse des Evangeliums. Dem Herrn gefällt es nicht, dass Seiner Kirche das weibliche Bild fehlt ... “ Lasst uns also mit Papst Franziskus beten
Urs Keusch
Stern der neuen Evangelisierung,
hilf uns, dass wir leuchten
im Zeugnis der Gemeinschaft,
des Dienstes, des brennenden und hochherzigen Glaubens,
der Gerechtigkeit und der Liebe zu den Armen,
damit die Freude aus dem Evangelium bis an die Grenzen der Erde gelange
und keiner Peripherie sein Licht vorenthalten werde.
Mutter des lebendigen Evangeliums,
Quelle der Freude für die Kleinen,
bitte für uns.
Amen.
Halleluja!
Er wird uns zu Christus führen
Der Papst hat diese große und schöne Gabe der Nähe; die Leute verstehen ihn; die Zahl der Personen, die nach Rom kommen, sind beeindruckend, größer als je zuvor. Aber der Heilige Vater hat vielfach darum gebeten, nicht in einen Personenkult zu verfallen, sondern dass die Aufmerksamkeit sich auf Christus richte. In der Tat besteht das größte Geschenk, das er für all diese Leute hat, die kommen, um ihn zu sehen, darin, ihnen die Wahrheit des Glaubens zu verkünden.
Kardinal Raymond Burke,
Präfekt der Apostolischen Signatur, in kath.net v. 11.12.13
Für mich war es eine sehr emotionale Vision, dass Papst Franziskus als Papst da ist und hinter ihm ist ein anderer Papst… Benedikt, der wie Moses für Papst Franziskus und die Kirche betet.
Manfred Lütz, Arzt und Theologe, Bestseller-Autor, nach einem Besuch bei Papst em. Benedikt XVI.
Ich hatte die Gelegenheit mit ihm (Papst Franziskus) 35 Minuten lang zu sprechen. Er war freundlich, demütig, einnehmend, aufmerksam im Gespräch und heilig: Er ist jemand, der Festigkeit ausstrahlt und Lauterkeit, der fest entschlossen ist, positiv auf Gottes Ruf zur Heiligkeit zu antworten. Katholiken, die sich Sorgen wegen einiger seiner Äußerungen machen, würde ich ans Herz legen, die eigenen Worte von Papst Franziskus zu bedenken, dass er ein treuer Sohn der Kirche ist und dass er es ernst mit seiner Verantwortung meint, die Lehre Christi weiterzugeben. Er ist davon überzeugt, dass er es in einer neuen Weise tun müsse, in einer Art, die die Aufmerksamkeit der Menschen erregt.
Erzbischof Joseph Kurtz, Vorsitzender der US-Bischofskonferenz in „The Catholic World Report“, Nov. 2013-12-03
Geht es bloß um das Ablegen äußerer Zeichen, etwa um den Verzicht auf eine Mozzetta, was ja besonderes Aufsehen erregt hat? In meinen Augen geht es aber um etwas Anderes und Tieferes: Papst Benedikt XVI. hat diese äußeren Zeichen aus Demut getragen, weil er überzeugt gewesen ist, dass sie zu seinem Amt gehören. Papst Franziskus trägt diese Zeichen nicht, und zwar ebenfalls aus Demut, weil er überzeugt ist, dass sie nicht zu seinem Amt passen. Von daher ist mir die Kontinuität in der Grundhaltung der Demut viel wichtiger als die Unterscheidung im Tragen dieser äußeren Zeichen.
Kardinal Kurt Koch, Präsident des Rates zur Förderung der Einheit der Christen.
Wohin wird Franziskus die Kirche führen? Zu Christus – wie auch seine Vorgänger. Und da gibt es eben unterschiedliche Wegstrecken oder Wegmotive. Wir sehen, dass Papst Franziskus auch in der Form, wie er das tut, im Unterschied zu seinem Vorgänger andere Schwerpunkte hat – mit dem gleichen Ziel. Ich glaube, das ist sehr wichtig zu sehen, dass das Ziel des Weges das gleiche ist, aber da und dort die Wegstrecken unterschiedlich gewählt werden.
Erzbischof Georg Gänswein ist Präfekt des Päpstlichen Hauses, Auszug aus d. Interview im Bayrischen Fernsehen am 1.1.14 (siehe auch Seite 10)