Katharina wurde zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Gianna – nach 22 älteren Geschwistern – als Tochter des Pelzfärbers Giacomo Benincasa und seiner Frau Lapa am 25. März 1347 in Siena (Italien) geboren. Gianna starb bald. 1348 adoptierten die Eltern Benincasa einen zehnjährigen Waisenknaben namens Tommaso. Von Kindheit an empfand Katharina eine tiefe Zuneigung zu Gott und Maria. Bereits mit 5 Jahren konnte sie das „Gegrüßet seist du, Maria“ voller Andacht beten und hatte Freude daran, es z.B. beim Treppensteigen auf jeder Stufe zu wiederholen. Mit knapp 6 Jahren hatte Katharina ihre erste Vision, die sie in ihrem Glaubenseifer weiter bestärkte: Christus segnete sie.
Im August 1362 starb ihre ältere Schwester Bonaventura im Wochenbett. Nach der Trauerzeit sollte Katharina bald verheiratet werden, doch sie wehrte sich heftig. Die Eltern wandten sich an Tommaso. Als dieser die Entschlossenheit Katharinas zu einem gottgeweihten Leben sah, riet er ihr, sich einfach die Haare abzuschneiden. Die Eltern reagierten zutiefst verärgert. Ihre Mutter hatte keinerlei Verständnis für sie und zwang sie, fortan die Magd im Haus zu ersetzen.
Da beschloss Katharina, in ihrem Inneren gleichsam eine „kleine Klosterzelle“ einzurichten, in die sie sich während der Arbeit mit Jesus zurückzog. Sie stellte sich vor, ihre Mutter sei die heilige Gottesmutter, ihr Vater Jesus, ihre Geschwister die Jünger Christi und die heiligen Frauen ... So konnte Katharina dank ihrer Vorstellungsgabe inmitten der Welt kontemplativ leben und dem Alltagsleben viele Gelegenheiten zur Begegnung mit Gott abgewinnen. Ihre Schüler lehrte sie später: „Alle Werke, die wir für unseren Nächsten oder für uns selbst aus Liebe tun, und mögen sie noch so äußerlich sein, sind ein Gebet, sofern sie in heiliger Absicht verrichtet werden.“
Eines Tages erschien Katharina der heilige Dominikus im Traum und überreichte ihr die Tracht einer Dominikanerin. Angesichts ihrer Entschlossenheit war ihr Vater schließlich damit einverstanden, dass sie sich den Bußschwestern des heiligen Dominikus anschloss. Ende 1364 wurde sie eingekleidet.
Bereits während ihres Noviziats wurde der asketisch lebenden Katharina die Gnade von Erscheinungen sowie von Gesprächen mit Jesus zuteil. Diese mystischen Gaben waren mitunter von Momenten des Zweifels, der Angst und starker Versuchungen begleitet. Nach einer solchen Versuchung wurde Katharina mit einer Erscheinung des Herrn belohnt: „Gütiger und sanftmütiger Jesus“, sprach sie zu ihm. „Wo warst du, als meine Seele von solchen Qualen gepeinigt wurde?“ – „Ich war in deinem Herzen, Katharina, denn ich lasse diejenigen nie im Stich, die sich nicht als Erste von mir abwenden, indem sie der Sünde huldigen.“ … „Wie? Du warst in meinem Herzen, während es von den abscheulichsten Gedanken überschwemmt wurde?“ – „Wenn ich nicht dagewesen wäre, wärst du den Versuchungen erlegen: Ich habe bewirkt, dass du ihnen widerstehen konntest und dass du traurig warst. Und ich habe mich gefreut über deine Treue während dieses schmerzhaften Kampfes.“ In einem Brief zog Katharina folgende Lehre aus diesem Erlebnis: „Gott lässt die Versuchung zu, damit unsere Tugenden sich bewähren können ...“
Katharinas Ruhm verbreitete sich, und sie entfaltete eine rege spirituelle Beratungstätigkeit für Adelige und Politiker, Künstler und einfache Leute, geweihte Personen und Kleriker. Es entstand eine Gruppe von Schülern um sie, die sie anhielt, sich für das Heil ihres Nächsten einzusetzen.
Als Katharina auch zu reisen begann, stieß ihre Rührigkeit sowohl in Siena als auch beim Dominikanerorden auf Befremden, und sie musste 1374 vor dem Generalkapitel der Dominikaner in Florenz erscheinen. Man wies ihr als geistlichen Ratgeber den heute noch als Seligen verehrten künftigen Generalmeister des Ordens, Raimund von Capua, zu, der nicht nur ihr Beichtvater, sondern auch ihr geistlicher Ziehsohn wurde.
Geistliches Leben bestand für sie in der Einheit mit Gott, der ein „Weg der Wahrheit“ sei; die beste Führung auf diesem Weg biete die Passion Christi: Sie sei „allen Büchern vorzuziehen“.
Eines Tages wagte sie sich sogar in die Todeszelle des aus politischen Gründen verurteilten Niccolo di Toldo vor und beschwor ihn, sich mit Gott zu versöhnen. Ihr Besuch verwandelte den jungen Mann: Er beichtete, wohnte der Messe bei und empfing die hl. Kommunion. Zu seiner großen Freude war Katharina am Tag seiner Hinrichtung zur Stelle. Nachdem er mit den Namen Jesu und Katharinas auf den Lippen gestorben war, sah die Heilige, wie seine Seele ins Reich Gottes einging „wie die Braut, die die Schwelle zum Haus des Bräutigams überschreitet“.
Ab 1375 engagierte sich Katharina für die Rückkehr der Päpste aus Avignon (wo sie aus politischen Gründen seit 1309 residierten) nach Rom sowie für die Einheit und Unabhängigkeit der Kirche. „Die Kirche ist nichts anderes als Christus selbst“, schrieb sie. Die hierarchisch organisierte Kirche versehe ein unentbehrliches Amt für das Heil der Welt. Das war die Basis für Katharinas Respekt und leidenschaftliche Liebe zum Papst, den sie als „Christus auf Erden“ betrachtete und dem kindliche Zuneigung und kindlicher Gehorsam gebührten: „Wer dem Christus auf Erden, der den Christus im Himmel vertritt, (d.h. dem Papst) nicht gehorcht, der hat keinen Anteil am Blute des Gottessohnes.“ Somit nahm die Heilige das Dogma vom Primat des Papstes vorweg, das 1870 vom 1. Vatikanischen Konzil definiert wurde.
Katharinas Mahnungen waren die praktische Umsetzung der Mission, die sie von Gott erhalten hatte. Ihr ging es nicht darum, die Strukturen der Kirche zu verändern, gegen Geistliche zu rebellieren oder im Bereich des Kultus sowie der Disziplin Neuerungen einzuführen, sondern darum, der Braut Christi ihre ursprüngliche Berufung wiederzugeben.
„Die heilige Katharina“, sagte Papst Paul VI., „liebte die Kirche so, wie sie wirklich ist; sie hat, wie wir wissen, einen doppelten Aspekt: Der erste ist mystisch, spirituell und unsichtbar, er ist der wesentliche Aspekt und mit Christus, dem glorreichen Erlöser, verwoben ...; der zweite ist menschlich, historisch, institutionell und konkret, jedoch nie losgelöst vom göttlichen Aspekt zu sehen. Es ist fraglich, ob unsere heutigen Kritiker an der Institution der Kirche in der Lage sind, beiden Aspekten zugleich gerecht zu werden ...“ (Audienz vom 30. April 1969).
Die Erneuerung der Kirche betraf zunächst die Kleriker, von denen Katharina eine hohe Meinung hatte. In ihrem Dialog über die göttliche Vorsehung lässt sie Gott sagen: „Ich wählte meine Diener zu eurem Heil aus, damit sie das Blut des einzigen, demütigen und unbefleckten Lammes, meines Sohnes, an euch weitergeben.“ Katharina setzte sich aber auch für eine Umkehr der Laien ein. An einen Mann, der fleischlichen Leidenschaften verfallen war, schrieb sie: „Geliebter Bruder, dämmere nicht länger in der Todsünde dahin! Ich sage dir: Die Axt rührt bereits an die Wurzel des Baumes. Nimm die Schaufel der Gottesfurcht und lass die Hand der Liebe sie führen. Leg die Verdorbenheit deiner Seele und deines Leibes ab. Sei nicht dein eigener Henker, indem du dir das sanfte Haupt, Jesus Christus, abschlägst! ... Denn die Barmherzigkeit Gottes ist größer als unsere Sorgen, sobald wir nur unser Leben ändern wollen.“
Auf Bitten der Stadtoberen von Florenz brach Katharina im April 1376 nach Avignon auf, wo sie den Papst traf. Sie bat ihn um dreierlei: nach Rom zu fahren, einen großen Kreuzzug zu unternehmen und schließlich gegen Laster und Sünde inmitten der Kirche vorzugehen. In der Stadt Avignon wurde Katharina wegen ihres wachsenden Einflusses auf den Papst, aber auch wegen ihrer – mitunter in aller Öffentlichkeit stattfindenden – Ekstasen mit einigem Misstrauen beobachtet. Der Papst ließ sie insgeheim überwachen, doch man konnte ihr letztlich nichts vorwerfen.
Der kränkliche französische Papst Gregor XI. verließ Avignon am 13. September 1376 in Richtung Italien, wo gerade heftige Unruhen tobten, und traf am 16. Januar 1377 in Rom ein. Am 27. März 1378 starb Papst Gregor XI. Bald darauf wurde Urban VI. zu seinem Nachfolger gewählt. Doch die – vor allem französischen – Kardinäle, die mit dem autoritären Stil des neuen Pontifex unzufrieden waren, hielten am 18. September 1378 eine Versammlung in Fondi ab und wählten ihrerseits Kardinal Robert von Genf zum Gegenpapst Clemens VII. Ein schwerwiegender Akt für Katharina, denn er führte zu einem 40 Jahre währenden Schisma.
Am 29. Januar 1380 geriet Katharina bei ihrem letzten Besuch im Petersdom in Ekstase und sah Jesus, wie er zu ihr trat und das schwere, unruhige Schiff der Kirche auf ihre schmalen Schultern legte; unter der gewaltigen Last brach sie ohnmächtig zusammen. Durch ihre vielen Bußübungen zusätzlich geschwächt und krank, verabschiedete sie sich bald danach von ihren Freunden. Als sie am 29. April ihr Ende nahen fühlte, betete sie noch einmal insbesondere für die katholische Kirche und für den Heiligen Vater. Bevor sie starb, erklärte sie: „Ich habe mein Leben in der Kirche vollendet und für die heilige Kirche hingegeben; das ist für mich eine einzigartige Gnade.“ Dann sprach sie mit strahlendem Gesicht die Worte des Erlösers „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist“ (Lk 23,46), neigte sanft den Kopf und entschlief im Herrn im Alter von 33 Jahren.
„Historisch war Katharinas Opfer offenkundig ein Misserfolg“, gab Papst Paul VI. zu. „Doch wer kann behaupten, ihre brennende Liebe habe sich unnütz verzehrt, wenn Myriaden jungfräulicher Seelen, unzähliger Priester, frommer und aktiver Laien sie sich zueigen machten? Diese Liebe brennt immer noch – zusammen mit Katharinas Worten: ‚Süßer Jesus – Jesus, meine Liebe’. Möge dieses Feuer in uns weiterbrennen, möge es uns Kraft geben, damit wir das Wort und das Geschenk Katharinas wiederholen können: ‚Ich habe mein Leben für die heilige Kirche hingegeben.‘“
Dom Antoine Marie osb
Der Autor ist Abt der Abtei Saint-Joseph-de- Clarival.
Siehe: www.clairval.com