Der Hirntod – ein Thema, das jeden angeht. Nehmen wir einmal an, jemand erleidet bei einem Verkehrsunfalls eine schwere Gehirnverletzung. Geschieht der Unfall dann etwa in Österreich und diagnostizieren die Ärzte in diesem Fall Hirntod, wird der Patient damit auch schon zum Organspender – es sei denn, sein Name scheint im österreichischen Widerspruchsregister auf.
Soll mir recht sein, denken dann wohl viele. Wenn ich tot bin, sollen wenigstens meine Organe einem anderen, der dringend ein Herz oder eine Lunge braucht, das Leben verlängern. Ein letztes Werk der Barmherzigkeit quasi, wie man ja den Christen suggeriert. Stimmt das aber auch? Voraussetzung dafür wäre, dass der Hirntod auch wirklich mit dem Tod des Menschen identisch ist. Genau das ist umstritten, ja mehr noch: Es spricht beim derzeitigen Stand des Wissens eigentlich alles dagegen.
Wer sich darüber informieren will, dem sei das Buch Hirntod – Organspende zur Lektüre empfohlen. Es besteht aus drei Teilen. Im ersten setzt sich die Ärztin Regina Breul mit dem Thema auseinander: mit den zweifelhaften Definitionen des Hirntods, mit dem deutschen Transplantationsgesetz, das die Menschen zum Spenden animiert, mit den geschönten Aufklärungsbroschüren, die mehr Werbung als Aufklärung bieten, mit der wohlwollenden Berichterstattung zum Thema in den Medien, mit dem großen Interesse an Organen einer großen Transplantations-„Maschinerie“, mit der erstaunlich zwiespältigen Haltung der Kirchen…
Besonders dieser letzte Punkt ist dann das Thema des emeritierten Univ. Prof. Wolfgang Waldstein im zweiten – in Interviewform gestalteten – Teil des Buches. Professor Waldstein hat sich als Mitglied der „Päpstlichen Akademie für das Leben“ eingehend mit dem Fragenkomplex befasst. Er beschreibt die ausgeprägte Vorliebe der Leitung dieser Akademie für das Festhalten am Konzept, den Gehirntod mit dem tatsächlichen Tod des Menschen gleichzusetzen. Selbst eine von der „Päpstlichen Akademie der Wissenschaften“ veranstaltete Tagung zum Thema im Jahr 2005 – sie ist „zu dem ganz klaren Ergebnis gekommen, dass der Hirntod nicht den Tod des Menschen bedeutet“ – sei unter den Tisch gekehrt worden, berichtet Waldstein.
Zwar habe Papst Benedikt XVI. klargestellt, Organe dürften nur „ex cadavere“, also von einem wirklich Toten entnommen werden, dennoch werde weitergemacht wie bisher, gerade auch in den Päpstlichen Akademien: „Es ist unglaublich, mit welchen Konstruktionen gearbeitet wird, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass der Hirntote doch tot oder zumindest nicht mehr ,Person’ sei. Es herrscht diesbezüglich eine solch unerschütterliche Voreingenommenheit…,“ kritisiert Waldstein. Und dabei werde die Liste der Menschen, die überlebt haben, obwohl sie als hirntot diagnostiziert worden waren, immer länger. Diese Personen verdankten dies meist dem Umstand, dass ihre Angehörigen die Zustimmung zur Organentnahme verweigert und den Patienten in ein anderes Spital transferiert hatten.
In dem erwähnten dritten Teil des Buches findet der Leser dann einen Überblick über die Aussagen, die beim schon erwähnten Kongress der „Päpstlichen Akademie der Wissenschaften“ gemacht worden sind. Das Buch schließt mit der Schlussfolgerung des Kongresses: einer klaren Absage an den Hirntod als Kriterium für den tatsächlich eingetretenen Tod. Und das ist – so scheint mir doch – eine für jedermann wichtige Botschaft.
Christof Gaspari
Hirntod – Organspende – und die Kirche schweigt dazu. Von Regina Breul im Gespräch mit Wolfgang Waldstein. Media Maria, 158 Seiten, 14,95 Euro.