Mein Bischof, Dominique Rey, Bischof von Frejus-Toulon, hat mir einen sehr seriös klingenden Dienst zugeteilt: „Seelsorger der Menschen in der Nacht“.
Vier bis fünf Mal in der Woche verbringe ich die Nacht in einer Disco, um für die jungen Leute ansprechbar zu sein. Ich lehne dann in einer Ecke der Diskothek und warte betend auf „Klienten“.
Meine Soutane ist sowohl Schutz wie Predigt. Jeder weiß dann, was er von mir zu halten hat! Manchmal hält mich jemand für einen Jünger der Gothic-Kultur. Einige Jugendliche kommen sofort auf mich zu: „Bist’ ein Pfarrer? Sag, was machst Du dann da?“ Andere wiederum beobachten mich zunächst monatelang, bevor sie auf mich zukommen. Und dann gibt es die vielen, denen es derzeit einfach komplett egal ist…
Ich spreche die Jugendlichen niemals an. Ich warte, dass sie kommen. Sie sollen sich frei fühlen. Ich betreibe keinen Proselytismus. Weder trinke ich jemals Alkohol, noch tanze ich. Sie spüren, dass ich für sie da bin, nicht um mitzufeiern. Eine Anwesenheit, einfach so – was allerdings viele berührt.
Ich habe den Eindruck, dass sie mir manchmal Dinge anvertrauen, die sie zuvor niemandem gesagt hatten. Da gibt es ab und zu sehr tiefe Begegnungen, Beichten, Segnungen in einem dunklen Eck des Lokals. Manchmal entstehen dauerhafte Freundschaften.
Ob ich Versuchungen spüre? Apostel nur zu spielen, das funktioniert in der Disco nicht. Dazu ist das Milieu zu brutal… Da muss man schon mit sich selbst zurechtkommen. Da gibt es provokant gekleidete Mädchen und Burschen, keine Frage. Ich empfinde aber so viel Mitleid mit ihnen, dass es praktisch zu keiner Versuchung kommt. Mehr als die Sexy-Formen eines Mädchens sticht mir ihr trauriger und leerer Blick ins Auge. Würde mich das Spektakel wirklich verwirren, wäre ich falsch am Platz.(…)
Ich war oft über meine Vorurteile bestürzt: etwa über einen Jugendlichen, den ich für „unverbesserlich“ hielt und der mich dann durch die Tiefe seiner Sehnsucht nach einem geistigen Leben vom Gegenteil überzeugt hat. Durch meine betende, freundschaftlich, vertrauensvolle Gegenwart kommt es immer wieder zu einer „Erstevangelisation“. Da kann sich ein Leben verändern, wofür es viele Beispiele gibt. So kam unlängst ein Mädchen daher, um mir zu sagen: „Ich wollte mich bedanken. Wir sind uns vor drei Jahren begegnet. Damals lebte ich mit einem Burschen zusammen, völlig von der Rolle… Dann habe ich diese falsche Beziehung beendet. Jetzt fühle ich mich frei und gehe sogar sonntags in die Messe!“ (…)
Ich bete ununterbrochen. Ob in der Nacht, beim Morgengrauen, wenn ich in meine Einsiedelei heimkehre und dort die Stille, die Einsamkeit wiederfinde. Dort beschließe ich die Nacht und feiere die Eucharistie. Da lege ich dem Herrn alle, die ich gesehen habe, alles, was ich gehört habe, ans Herz. Ohne das könnte ich meinen Dienst nicht erfüllen.
Leider verbringe ich meine Tage nicht wie der heilige Dominikus, um zu flehen: „Herr, was wird mit den Sündern geschehen?“ Nein, nachdem ich gebetet habe, schlafe ich tagsüber…
P. Axel Weil
Auszug aus einem Interview mit Luc Adrian in Famille Chrétienne v. 7.-13.12.13