VISION 20002/2014
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Kampf um das Menschenbild

Artikel drucken Ãœber das moderne Projekt, sein zu wollen wie Gott (Christof Gaspari)

Von vielen unbemerkt, hat sich in Europa ein neues, mit der Botschaft Christi unvereinbares Menschenbild etabliert, das insbesondere die Familie bedroht. Es wird uns von oben verordnet und von den Medien propagiert. Die Veränderung beschleunigt sich.

Was ich Ihnen, liebe Leser, im Folgenden zumute, ist schwere Kost. Ich bitte Sie dennoch, sich durch diese Information durchzuackern, um sie auf sich wirken zu lassen. Sie lässt erkennen, dass wir es wirklich mit einer Revolution zu tun haben, die konsequent und immer rascher vorangetrieben wird und die unser Zusammenleben gefährdet. Ein Blick auf die Ereignisse der letzten Monate macht das deutlich.
Am 4. Februar nimmt das EU-Parlament den „Lunacek-Bericht“ an – mit Zwei-Drittel-Mehrheit. Dieser fordert die EU-Kommission auf, dafür zu sorgen, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften und „Ehen“ Rechtsfolgen nicht nur in den Ländern, die dies vorsehen, haben sollen, sondern in allen Mitgliedsstaaten. Im Klartext: Der jeweils liberalste Staat bestimmt, was die anderen dulden müssen. Außerdem sollen Programme für Kinder und Jugendliche die „Gleichheit und Nichtdiskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung“ fördern.
In Österreich wiederum eröffnet eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Jänner lesbischen Paaren die Möglichkeit, sich Nachwuchs mittels Samenspende – sie war bisher nur unfruchtbaren Ehepaaren gestattet – zu verschaffen. Familienministerin Sophie Karmasin begrüßt die Entscheidung. Der Gerichtshof kündigt auch an, demnächst über das Recht von Männern zu entscheiden, Leih­mutterschaft in Anspruch zu nehmen. Voraussichtlich positiv, wenn man der Logik dieser Entscheidung folgt und hört, dass Österreichs Agrarminister Andrä Rupprechter – er bezeichnet sich als „tief verwurzelter Katholik“ – am 1. März im Standard für die Adoption von Kindern durch homosexuelle Paare plädiert hat.
Dazu passt der Beschluss eines Unterausschusses des irischen Parlaments vom 3. März, einen Gesetzesentwurf einzubringen, der es Personen ab dem 16. Lebensjahr erlaubt, in Geburtsurkunde und Pass ihr Geschlecht zu ändern. Da im Sexualkundeunterricht bekanntlich die Gender-Ideologie forciert wird – sie behauptet, das Geschlecht sei nicht naturgegeben, jeder könne es selbst festgelegen –, ist das ein großer Schritt in Richtung Aufhebung der Geschlechtsidentität. Denn Jugendliche können sich in diesem Alter in eine labile Phase der Persönlichkeitsfindung geraten.
Ein Blick nach Frankreich: Am 21. Jänner beschließt dort die Nationalversammlung mit großer Mehrheit, Abtreibung nicht mehr von Notsituationen abhängig zu machen. Sie erklärt damit Abtreibung de facto zum Recht der Frau, die sich für diesen fatalen Schritt nicht mehr zu rechtfertigen hat.
Schon im Dezember hatte die italienische Internetzeitung La Nuova Bussola Quotidiana von der Legalisierung der Polygamie im US-Bundesstaat Utah berichtet. Ein Bundesgericht hatte dies am 13. des Monats entschieden.
Großes Aufsehen erregte kürzlich Belgien: Am 3. März unterschreibt König Philippe das mit großer Mehrheit im Parlament beschlossene Gesetz, das Euthanasie auch für Kinder ermöglicht. 210.000 Unterschriften waren gesammelt worden, um den König zu bitten, von diesem Schritt Abstand zu nehmen. Vergebens. Damit wird es erstmals in Europa möglich, straffrei nicht nur ungeborene, sondern auch geborene Kinder – wie üblich mit Auflagen und Einschränkungen, die sich bald als unüberprüfbar erweisen – umzubringen.
Und selbst in Deutschland (!) wird Euthanasie salonfähig, wie eine Umfrage ergab. Auf die Frage: „In Deutschland ist es aktuell verboten, aktive Sterbehilfe zu leisten, das heißt jemanden auf dessen Verlangen hin zu töten. Sind Sie der Meinung, dass das so bleiben soll?“, gaben laut Tagespost vom 23. Jänner zwei Drittel der Bürger die Antwort: „Nein, aktive Sterbehilfe soll erlaubt sein.“
Der Ernst der Lage wird deutlich, wenn man sieht, wie mit Kritik an dieser Entwicklung umgegangen wird. Anlässlich der Proteste gegen die liberalen Richtlinien zur Sexualerziehung in den Schulen Baden-Württembergs seit Anfang des Jahres gab es mehrere Talk-Shows: Überwiegend einseitig mit Befürwortern von Sexualkunde ab dem Kindergarten besetzt und mit Diskussionsleitern, die den wenigen Opponenten das Leben schwermachten.
Aber es kann auch Schlimmeres passieren, als nur im medialen „Out“ zu landen: Am 7. Februar berichtete La Nuova Bussola Quotidiana, dass der beim letzten Konsistorium zum Kardinal ernannte Bischof Fernando Sebastián Aguilar – er ist 84-jährig – wegen Homophobie angeklagt werden wird. Was er verbrochen hatte?  Er hatte eine leicht nachprüfbare Tatsache in einem Interview geäußert, nämlich dass homosexuelle Beziehungen unfruchtbar sind und insofern das Ziel sexuellen Tuns nicht erreichen (siehe auch S. 26).
Noch eine letzte Meldung: Ein UN-Komitee zur Überwachung der Kinderrechte verurteilte in einem Report vom 31. Jänner die Sexualmoral der Katholischen Kirche. Die Lehre müsse sich in Sachen Ehe und Sexualität ändern, denn sie halte Heranwachsende davon ab, Verhütung in Anspruch zu nehmen, hieß es. Auch trage ihre Haltung zur Homosexualität zu „gesellschaftlicher Stigmatisierung und Gewalt“ gegen homosexuelle Jugendliche und gegen Kinder, die bei gleichgeschlechtlichen Paaren heranwachsen, bei.
Soweit Meldungen nur aus den letzten drei Monaten. Was aber tun mit dieser geballten Ladung an Hiobsbotschaften? Sie zur Kenntnis nehmen, ohne den Kopf hängen zu lassen. Ja, so ist die Welt. Wir leben nicht mehr im christlichen Abendland, auch wenn Europa auf Religionslandkarten immer unter christlich segelt. Fakt ist: Es hat nach den Worten Papst Benedikts (S. 5) eine „anthropologische Revolution“ stattgefunden.
Sie hat den autonomen, den scheinbar von allen Zwängen befreiten Menschen als Leitbild. Diese „Befreiung“ erfolgte schleichend, Schritt für Schritt. Endlich loskommen von unerträglichen Zwängen, war die Parole. Und es ist offenkundig, dass dieses Konzept total beziehungsfeindlich, also vom Ansatz her familienschädlich ist. Die Legalisierung der Scheidung war ein erster Dammbruch. Sie galt als „Befreiung“ vom Joch der lebenslangen Ehe – frei sein von der unbedingten Bindung an den Ehepartner. Schrittweise wurde das Auseinandergehen erleichtert. Nicht-eheliche Partnerschaften werden aufgewertet und in den Medien als attraktives Lebensmodell präsentiert.  
Folgenschwer waren auch die Einführung und Verbreitung der empfängnisverhütenden Pille. Keine ungewollte Schwangerschaft mehr! Endlich auch für die Frau ein „erfülltes“ Sexualleben, über dem nicht das Damoklesschwert der Mutterschaft hing! Eine epochale Errungenschaft auf dem Weg zum Recht auf lustvolle Sexualität, so wurde es verkauft. Kinder ja – aber nur Wunschkinder, solche eben, die man wirklich lieben könne.
Damit sind wir auch schon beim nächsten Schritt in die „Freiheit“: bei der Abtreibung. Schluss mit dem Gebärzwang, hieß es. Und: „Mein Bauch ge­hört mir!“ Weil Verhütung nämlich aus vielen Gründen nicht 100-prozentig ist, war dieser Schritt, sich vom nicht erwünschten Kind „befreien“ zu können, vorgezeichnet. Jetzt erst schien die Frauenbefreiung perfekt. Ein folgendschwerer Schritt in Richtung Autonomie: Ungestraft über das Leben eines anderen Menschen verfügen zu dürfen.
Kaum war das „Recht“ – auch durch Tötung – nur Wunschkinder zu bekommen, verwirklicht, war es naheliegend, diese auch zu „produzieren“, für den Fall, dass sie bei Bedarf nicht zustande kamen. Wir schreiben das Jahr 1978: Geburt von Louise Brown, dem ersten in der Retorte gezeugte Kind – weltweit in den Schlagzeilen. Die Erzeugung von Menschen wird zur lukrativen „Industrie“: Der autonome Mensch macht sich seine Kinder selbst.
Wenn schon „Produktion“, dann aber effizient. Also Quali­tätskontrolle des Vorgangs. Die Auftraggeber wollen ja ein gesundes Kind. So werden Pränatal- bzw. Präimplantationsdiagnostik salonfähig. Und da man schon beim „Testen“ ist, lassen sich auch andere Merkmale erfassen: das Geschlecht, mögliche Neigung zu späterer Erkrankung: Der nach Maß geschneiderte Nachwuchs nimmt Konturen an.
Sie meinen, ich übertreibe? In China, das lange die Ein-Kind-Politik forcierte und wo eine Präferenz für männliche Nachkommen herrscht, liegt die Zahl der weiblichen Kinder und Jugendlichen um 30-40 Millionen unter jener der männlichen. Hören wir auch, was Jacques Attali, Professor, Autor, graue Eminenz in der französischen Politik, Berater französischer Präsidenten, für Perspektiven entwickelt:
„Wir gehen unausweichlich auf eine Unisex-Menschheit zu, wobei die eine Hälfte Eierstöcke, die andere Samen besitzt. Diese tun sie dann zusammen, um Kinder entstehen zu lassen, allein oder zu mehreren, auch ohne körperliche Beziehung, ja ohne dass jemand sie austrägt. Ja sogar ohne Zeugungsakt, wenn man den schwindelerregenden Traum des Klonens träumt.“ In diesem Traum schwingt mit, was Attali als eine der Antriebskräfte der Entwicklung sieht: das Verlangen nach Unsterblichkeit, „das die Menschen bereit macht, alle sozialen und wissenschaftlichen Veränderungen zu akzeptieren, die gegen den Tod ankämpfen oder diesen zumindest verzögern.“ Herr über den Tod zu werden als Perspektive. Organtransplantation und Recht auf selbstbestimmten Suizid entspringen diesem Denken.
Seinwollen wie Gott ist die Parole. Sie wird zwar nicht klar ausgesprochen, ist aber die Triebfeder hinter den Entwicklungen. Sie ist nicht neu, wird jedoch mit neuen, mächtigen, technischen, sozialen, medialen Methoden umgesetzt. Sie segelt unter der Flagge des Fortschritts, schmückt sich mit wohlklingenden Worten, die oft in schwer verständlichen Phrasen verpackt sind und damit Verwirrung stiften – auch unter Christen. Immer noch darauf eingestellt, in einem christlichen Kulturraum zu leben, sind sie im geistig feindlichen Umfeld, das unsere Tage prägt, mehr denn je zur Unterscheidung der Geister herausgefordert.
Denn wir stehen in einem geistigen Kampf. Auf ihn müssen wir uns einlassen. Denn kämpfen gehört nun einmal zum christlichen Leben. Paulus ermahnt, die Rüstung Gottes anzuziehen, „damit ihr den listigen Anschlägen des Teufels widerstehen könnt…“ (Eph. 6,11).  Und die Waffen in diesem Kampf? Hören wir nochmals, was Paulus, der in einer ähnlich feindlichen Umwelt lebte, zu raten hat: Sich zur  Wahrheit bekennen, Gerechtigkeit üben, bereit sein, für das Evangelium zu kämpfen, einen lebendigen Glauben pflegen und gut auf das Wort Gottes hören. Vor allem aber: „Hört nicht auf zu beten und zu flehen! Betet jederzeit im Geist…“ (Eph 6,18).
Übrigens, seit Jahrzehnten hö­ren wir aus Medjugorje: Betet, betet, betet…, wieder und immer wieder. Es ist wirklich an der Zeit, damit Ernst zu machen. Sonst ist es unsere Generation, von der Jesus gesprochen hat, als Er die Frage gestellt hat: „Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde (noch) Glauben finden?“ (Lk 18,8)


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