Solange die Kinder klein sind, kann man sie daheim nach den eigenen Vorstellungen leiten und bilden. Aber dann, in der Schule… Der folgende Beitrag setzt sich mit der Herausforderung auseinander, vor der Eltern, die ihren Glauben ernstnehmen, bei der Ausbildung ihrer Kinder stehen.
Der Bildungsauftrag der Schule ist im österreichischen Schulorganisationsgesetz von 1962 klar definiert. Allerdings scheint es nur mehr wenige, sowohl öffentliche als auch private Schulen zu geben, die diesen Auftrag in seiner vollen Bedeutung wahrnehmen. Unter Paragraph 2 dieses Gesetzes heißt es, dass „die österreichische Schule die Aufgabe hat, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken.“
Auffallend an diesem Paragraphen ist, dass spezifisch auf sittliche und religiöse Werte Bezug genommen wird und dabei das Wahre, das Gute und das Schöne, die klassischen, jahrhundertealten Grundsätze der europäischen Geistesgeschichte, hervorgehoben werden. Weiters ist bedeutsam, dass der Schule ausdrücklich nicht die Aufgabe zukommt, den Eltern die Verantwortung für Bildung und Erziehung ihrer Kinder abzunehmen, sondern lediglich daran „mitzuwirken“.
Dieser Begriff „mitzuwirken“ ist deshalb so wichtig, weil die katholische Soziallehre und auch fast alle wichtigen internationalen Menschenrechtsverträge und Dokumente der Nachkriegszeit betonen, dass die Eltern die ersten Erzieher ihrer Kinder sind. Somit kommt ihnen das Grundrecht zu, die Art und Weise der schulischen Erziehung ihrer Kinder zu bestimmen. Bereits die sehr unterschiedliche Handhabung dieser Praxis in den europäischen Ländern zeigt, wie wenig ernst dieses Menschenrecht manchmal genommen wird. In Deutschland wird z.B. immer noch das gesetzliche Verbot von 1938 auf Hausunterricht aufrechterhalten, ohne dass es dafür zwingende Gründe gibt. In Österreich ist diese Form des Unterrichts zu Hause dagegen unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Anders als in Deutschland, wo es die Schulpflicht gibt, gibt es in Österreich nur die Unterrichtspflicht.
Die heftigen Diskussionen der letzten Zeit rund um den Bildungsplan 2015 im deutschen Bundesland Baden-Württemberg sowie die immer stärkeren Proteste einer zunehmenden Anzahl von Eltern in Frankreich gegen bestimmte Formen von verpflichtender, ideologisch geprägter Sexualkunde sind nur einige Beispiele, die leider zeigen, wie weit manchmal die Auffassung von Bildung von dem, was wahr, gut und schön ist, entfernt ist.
In manchen europäischen Schulen, darunter auch im deutschsprachigen Raum, werden Kinder unter dem Deckmantel der sexuellen Aufklärung oft mit Darstellungen konfrontiert, die die berechtigte Frage aufwerfen, ob diese noch auf dem Hintergrund der klassischen Bildungswerte zu sehen sind. Allein die Frage nach dem Schönen kommt bei den oft perversen sexuellen Darstellungen in Schulbüchern nicht einmal mehr ansatzweise zum Tragen.
Seit vielen Jahren zeigt die Diskussion über die Rolle der Schule beim Sexualunterricht in fast allen Ländern Europas, dass dieser auf einem dahinter liegenden problematischen Menschenbild beruht oder besser gesagt, sich an die sich immer wieder ändernden Ideologien und Meinungen anpasst. Dies zeigt, dass die Sexualerziehung in den Schulen nur einen kleinen Teil, sozusagen die Oberfläche eines tiefer greifenden Problems in unserem heutigen Bildungssystem darstellt, nämlich eine mangelnde ganzheitliche Vision vom Menschen. Es fehlt in unseren Schulen generell an einem Menschenbild, das die gesamte Wirklichkeit der rational erfassbaren Schöpfungsordnung zum Ausgangspunkt nimmt, um an Hand dieser befreienden Tatsache zu erziehen und zu bilden.
Als dringende Aufgabe gilt also die Suche nach einer konkreten Antwort auf die Frage, wie wir als Christen (wieder) Eigenverantwortung für die Bildung unserer Kinder übernehmen, statt uns permanent in Kirche und Gesellschaft über manche Ideologien und andere Probleme in unserem heutigen Bildungssystem zu beklagen.
Die Lösung liegt zu allererst bei den Eltern, nicht bei Staat oder Kirche. Deren Aufgabe ist es, die Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder zu unterstützen, nicht ihnen die Verantwortung dafür abzunehmen. Die Schule sollte lediglich „mitwirken“.
Da sich unsere Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten sehr stark säkularisiert hat, dürfen wir uns nicht wundern, dass unsere öffentlichen Schulen – sowie manch öffentlich finanzierte (katholische) Privatschule –, immer mehr ein Menschbild vermitteln, das nicht mehr mit dem christlichen, das wir unseren Kindern mitzugeben versuchen, übereinstimmt.
Wenn uns das als Eltern wirklich ernst ist, müssen wir in Bezug auf die Bildung unserer Kinder selber aktiv werden und das heißt; die Kinder entweder in eine katholische Schule schicken, die dieses Menschenbild noch aktiv und konsequent vermittelt oder, so dies nicht der Fall ist, sich in katholischen Schulen engagieren oder neue katholische Schulen gründen (bzw. die Kinder im Hausunterricht erziehen).
Es ist viel zu einfach, die öffentlichen Schulen, den Staat, die öffentlich finanzierten katholischen Privatschulen und die Kirche immer wieder zu kritisieren. Denn die einzigen, die dafür verantwortlich sind, was unsere Kinder in den jeweiligen Schulen mitbekommen, sind wir Eltern, da wir die entsprechende Schule auswählen.
Wir leben in einem freien Land, wo es unterschiedlichste Möglichkeiten zur schulischen Erziehung unserer Kinder gibt. Obwohl es sicher einfacher und billiger ist, sie in eine öffentliche Schule zu schicken, gibt es gerade in Österreich genügend gute Alternativen. Christen sollten wieder Eigenverantwortung für die Bildung ihrer Kinder übernehmen, nicht als Gegenbewegung zu den bestehenden Schulen, sondern als Ergänzung für diejenigen, die ihren Kindern nicht nur eine akademisch gute schulische Bildung angedeihen lassen möchten, sondern auch eine im Sinne eines aktiv vermittelten christlichen Menschenbildes.
Wenn wir über den Bildungsauftrag der Schule und die Vermittlung eines uneingeschränkten christlichen Menschenbildes reden, sollten wir auf ein Wort Aristoteles’ zurückgreifen, der sagt, dass es das Ziel der Erziehung sei, uns zu lehren, das Schöne zu lieben. Dies ist ein absolut wichtiger Ausgangspunkt für die Vermittlung des christlichen Menschenbildes, da wir – wie es im 1. Buch Genesis Vers 27 heißt – als Gottes Ebenbild, als Mann und Frau geschaffen sind.
Wir haben aufgrund dieser intimen Beziehung zu Gott Anteil an Seiner ewigen Schönheit und an der Seiner Schöpfung. Es kommt also nicht von ungefähr, dass der österreichische Schulparagraph von 1962 das Wahre, das Gute und das Schöne als Ausgangspunkt nimmt. Die gesamte europäische Bildungstradition hat hier ihren Anfang. Sie ist ein Ausdruck der Wirklichkeit – die Wahrheit, insbesondere die Wahrheit des Menschseins, ist das Ziel jeder Bildung. In den Schulen, an den Universitäten und bei jeder wie auch immer gearteten Bildung geht es immer darum, den Menschen zu befähigen, die Wirklichkeit, in der er lebt, zu verstehen, zu respektieren und schließlich mit ihr umgehen zu lernen. Das ist Leben in Wahrheit.
Damit sind wir mitten drinnen in der gegenwärtigen Diskussion über die vielen unterschiedlichen Ideologien, die der Zeitgeist hervorbringt. In unserer säkularen und ideologisch geprägten Gesellschaft spielt Wahrheit eigentlich keine Rolle mehr, umso mehr aber die Empfindungen, die Befindlichkeit und die Meinungen der Menschen. In der Moderne, und dieses Bild wird auch immer mehr in unseren Schulen vermittelt, geht es nicht mehr darum, was ist, sondern darum, welche Meinung ich dazu habe und was ich fühle.
Mit der Zeit führt das in ein verwirrendes System, dem jegliches Ziel und jeglicher Sinn abhanden gekommen sind. Die menschlichen Gefühle und Meinung sind nun einmal sehr instabil und je nach Gegebenheiten rasch veränderbar. Als Antwort darauf kann das christliche Menschenbild mit seiner ganzheitlichen Perspektive des Menschseins und der Schöpfung eine befreiende Alternative darstellen.
Wenn die jungen Menschen in den Schulen wieder davon ausgehen können, dass der Wirklichkeit der Schöpfung Sinn zugrunde liegt, der auch rational erkennbar ist, so erfahren sie wieder Orientierung und Ordnung – Voraussetzungen des Denkens und damit des richtigen Handelns.
Eine Schule, die das christliche Menschenbild aktiv vermittelt, ist somit zu allererst ein Ort, wo alles, was wir tun und lernen, im Lichte Christi steht. Oder, wie Papst Benedikt XVI. es so treffend sagte: „Jede katholische Bildungseinrichtung ist zuallererst ein Ort, um dem lebendigen Gott zu begegnen, der in Jesus Christus seine verwandelnde Liebe und Wahrheit offenbart.“
Christus beleuchtet nicht nur das Fach Religion, sondern alles, was wir in der Schule unterrichten und unternehmen, weil Er der Urheber von all dem ist, was wir über die Wirklichkeit des menschlichen Daseins in der Schule lernen müssen. Jedes Fach, ob Mathematik oder Deutsch, Geschichte oder Physik behandelt einen Teil der menschlichen Wirklichkeit, der zum Ganzen der Schöpfungsordnung Gottes gehört, die wir zu verstehen lernen sollten.
Weiters ist es wesentlich, dass die Schulleitung und das Lehrpersonal das Christentum leben. Die Wahrheit zeigt sich letzten Endes am stärksten durch das, was in den einzelnen Menschen sichtbar wird. Insbesondere für junge Menschen sind Lehrerinnen und Lehrer oft prägende Vorbilder, deren Einfluss sehr groß ist. Das christliche Menschenbild ist vor allem dann überzeugend, wenn es von denen vorgelebt wird, die es verkünden. Natürlich wird der christlichen Lehre ein enormer Schaden zugefügt, wenn diejenigen das, was sie lehren, selber nicht leben. Da haben Eltern und Schule eine Vorreiterposition.
Wenn das christliche Menschenbild in katholischen, bzw. anderen christlichen Schulen wieder belebt wird und neue Schulen gegründet werden, die dieses als Ausgangspunkt nehmen, so werden wir als Christen unsere Energie nicht mehr damit verschwenden müssen, über säkulare Ideologien in den Schulen zu klagen. Wir können unsere Verantwortung in der Welt dahingehend wahrnehmen, Alternativen und Ergänzungen anzubieten, die letztlich nicht nur unseren Kinder dienen, sondern auch zum Wohle der Gesellschaft sind.
Somit gelangen wird dorthin, was der große Heilige Thomas Morus im 16. Jahrhunderts bereits als schulisches Bildungsziel anstrebte: „Bildung ist, das sichtbar zu machen, was als Keim verborgen liegt.“ Es ist die Aufgabe der Schule, dass sich dieser Keim, der in den heranwachsenden jungen Menschen verborgen ist, in Zusammenarbeit mit den Eltern zu einer gesunden Pflanze entwickeln kann. Diesen Keim können wir als Christen selber pflanzen, wenn wir den Mut haben, uns mit vollem Engagement und einer tiefen Glaubensverwurzelung in der Bildung zu engagieren, einer Bildung nach christlichem Menschenbild. Nur dann werden wir eine vernünftige Antwort auf die Krise der Bildung, die zu allererst in unserer eigenen Verantwortung liegt, finden.
Die Schola Thomas Morus – ein Beispiel einer privaten Initiative
Die Schola Thomas Morus setzt sich eine ganzheitliche Bildung zum Ziel, um kritisch denkende, integere und im christlichen Glauben fest verankerte Menschen heranzubilden, die ihr ganzes Potential entwickeln und fähig sind, wahrhaftig zu leben und Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen. Dazu sind Glaube, Vernunft und die Stärkung der Tugenden, insbesondere Mut, gefragt.
Es gibt nur noch einige freie Plätze für das Schuljahr 2014/2015. Bei Bedarf wird auch ein Shutteldienst zwischen Wien und der Schule in Baden eingerichtet.
Bewerbungen und Information unter: info@scholathomasmorus.at oder www.scholathomasmorus.at